Mehrgenerationen-Haus Im Morgen
Mehrgenerationen-Haus Im Morgen
6. oktober 2016
Das Jungbüro JOM Architekten hat kürzlich ein Mehrgenerationen-Haus fertiggestellt. Philippe Jorisch stellt sich unseren Fragen.
Der Ersatzneubau hat wie der Altbau eine stehende Proportion und ein Gesicht zur Strassenecke.
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Verdichten mit Qualität war die zentrale Aufgabenstellung. Ein über achtzig Jahre altes Einfamilienhaus mit viel Charme stand vorher auf diesem Grundstück – im sogenannten Morgenquartier in Bahnhofsnähe. Es galt, neuen Wohn- und Arbeitsraum für viermal so viele Menschen zu schaffen und dabei die Einzigartigkeit des Vorgängerbaus neu zu interpretieren. Für die Quartierbewohner ist es heute nach wie vor das rote Haus an der Strassenecke auf dem Morgenhügel.
Blick in den Himmel aus dem Atrium des Studios.
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Die quartiertypischen Zürcher-Oberländer Baumeisterhäuser aus den 1920er- und 1930er-Jahren waren für uns der Ausgangspunkt für den architektonischen Ausdruck: Die stehende Volumetrie des Ersatzneubaus ist eine Referenz daran. Es gibt massive Fensterbrüstungen und schwere Dachrandelemente. Das über 50 Zentimeter dicke Mauerwerk ist zweischalig aufgebaut. Es hat einen rein mineralischen Putz mit einer vertikal gebürsteten Rillenstruktur und ist wie das abgebrochene Einfamilienhaus rot gefärbt. Die innere Organisation des Neubaus mit unterschiedlich hohen und ineinander greifenden Räumen ist unter anderem durch den Raumplan von Adolf Loos beeinflusst. Die Ein- und Durchblicke im Hausinneren durch spezifisch gesetzte Bullaugen sowie das wiederkehrende Kreismotiv sind hingegen eher postmoderne Themen, die uns beim Entwurf interessierten.
Die überhohe Eingangshalle liegt auf einem Zwischengeschoss.
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Der nach Nordosten ausgerichtete Hang war massgebend sowohl für den Ausdruck als auch für die innere Organisation des Neubaus. Das Haus steht auf einem massiven Sockel aus Sichtbeton, welcher mit Versätzen der Topografie folgt. Der Haupteingang ist auf die Quartierhauptstrasse ausgerichtet und befindet sich auf einem Halbgeschoss zwischen Hochparterre und Untergeschoss – so ergibt sich im Inneren die überhohe Eingangshalle. Das Untergeschoss und Garagengeschoss sind gegen Westen in den Hang gebaut und mit einem grossen Garten-Kiesplatz überdeckt.
Filigrane Rundrohr-Konstruktionen kombinieren in den Dachterrassen der Attikawohnung die Absturzsicherung und den Sonnenschutz.
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?
Die Bauherrschaft bewohnte zuvor das Einfamilienhaus und hatte drei klare Vorgaben für den Ersatzneubau: Erstens soll es Raum für unterschiedliche Altersklassen bieten – Deshalb der Wohnungsmix vom 1,5-Zimmer-Studio bis hin zur 5,5-Zimmer-Familienwohnung. Zweitens musste die eigene Attikawohnung Qualitäten des ehemaligen Hauses aufweisen, was wir mit drei Terrassen in unterschiedliche Himmelsrichtungen umgesetzt haben. Und drittens wurde mit dem über fünf Meter hohen Raum zur Strassenkreuzung hin das gewünschte Künstleratelier mit idealen Lichtbedingungen realisiert.
Zwei Betonskulpturen für Licht und Belüftung der Untergeschosse stehen auf dem Garten-Kiesplatz an der Westseite.
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?
Wir haben das Mauerwerk ganz bewusst massiv und diffusionsoffen konstruiert. Das Haus kann auf diese Weise Wärme speichern und wieder abgeben. Sitzt man am Abend draussen an der Hausmauer, so spürt man die gespeicherte Wärme der Sonne. Weil der Wandaufbau rein mineralisch ist, kann Feuchtigkeit im Hausinneren aufgenommen und wieder abgegeben werden, was zu einem äusserst angenehmen Raumklima beiträgt. Wir haben bewusst auf den Einbau einer Komfortlüftung verzichtet, weil wir der Überzeugung sind, dass Low-Tec-Lösungen zukunftsweisender sind als der Einbau von Maschinen, die alle zwanzig Jahre ersetzt werden müssen.
Grundriss Garagengeschoss
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss Obergeschoss
Grundriss Attika
Schnitt durch Treppenhaus
Schnitt durch Garage und Studio mit Atrium
Eingezogene Loggien in den Obergeschossen holen die Masse und die Farbigkeit des Hauses nach Innen.
Treppe mit Aussicht auf Wetzikon in der Attikawohnung
Von der Morgenstrasse stadteinwärts überblickt man das Zürcher Oberland.
Ehemaliges, abgebrochenes Einfamilienhaus. «Das rote Haus im Rank»
Mehrgenerationen-Haus Im Morgen
2015
Wetzikon
Nutzung
Mehrfamilienhaus mit Künstleratelier
Auftragsart
Direktauftrag
Bauherrschaft
privat
Architektur
JOM Architekten
Bauleitung
ForrerGerber AG, Zürich
Gesamtkosten BKP 1-9
3.85 Mio. CHF
Gebäudekosten BKP 2
3.2 Mio. CHF
Gebäudevolumen
4020m³ SIA 116
Kubikmeterpreis
780 CHF/m³
Kunst am Bau
JOM Architekten
Kurzbeschrieb
Integration Bauteile des abgebrochenen Einfamilienhauses.
Massgeblich beteiligte Unternehmer
Fassadenarbeiten: Creativ Gips AG, Laufen bei Wald ZH
Auszeichnung
Foundation Award 2016 – Förderpreis für Jungarchitekten
Fotos
©Thomas Stöckli
Projekt auf swiss-architects.ch