Zwischen Denkmalpflege und Umweltschutz

Manuel Pestalozzi
4. december 2024
Die abgelehnte Solaranlage war für das ziegelgedeckte Dach des Kirchenschiffs vorgesehen. (Foto: © Swissair Photo AG, Bildarchiv der ETH-Bibliothek)

Die Antoniuskirche ist ein wichtiger Meilenstein der Schweizer Architekturgeschichte. Seit 1987 steht das Baudenkmal unter Schutz. Das Gotteshaus aus den 1920er-Jahren ist in eine Häuserzeile an der Kannenfeldstrasse integriert und gilt als die erste reine Betonkirche des Landes. Ihr Architekt Karl Moser (1860–1936) hatte in Deutschland und der Schweiz schon einige Kirchen gestaltet und beliess den Bau innen wie aussen schalungsroh. Die Radikalität der Architektur zeigt seine späte Hinwendung zur Moderne; Karl Moser wurde 1928 zum ersten Präsidenten des CIAM (Congrès Internationaux d’Architecture Moderne) gewählt. 

Die Bauherrin, die Römisch-Katholische Kirche Basel-Stadt, will auch heute baulich mit der Zeit gehen: Im Juni reichte sie ein Gesuch für eine Solaranlage auf dem Dach der Antoniuskirche ein. Doch das Bau- und Gastgewerbeinspektorat erteilte dem Projekt eine Absage. Es folgte damit einer Stellungnahme der Denkmalpflege, wonach die geplante Photovoltaikanlage den baukünstlerischen und städtebaulichen Wert beeinträchtigt und den Charakter des Baudenkmals in «grober Weise» verletzt hätte. Die Basler Zeitung befragte daraufhin den Kirchenarchitekten Georg Birkner, der das Baugesuch vorbereitet hatte. Er nennt den Entscheid «grotesk». Vorgesehen sei gewesen, die Solaranlage auf beiden Seiten des Satteldachs auf dem Längsbau der Kirche zu installieren. Von der Strasse aus hätte man sie kaum sehen können. 

Wer das St. Johann-Quartier kürzlich einmal besucht hat, muss sich ebenfalls etwas über den Entscheid wundern. Das Dach der Kirche spielt auch in der Silhouette der Stadt keine besondere Rolle, ein Besuch des nahen, kürzlich umgenutzten Felix-Platter-Spitals bestätigte das. Die katholische Kirche unterdessen gibt noch nicht auf: Der Kirchenrat hat Beschwerde gegen den Entscheid eingereicht, die Baurekurskommission wird sich mit dem Fall befassen müssen.

Die Kreuzkirche in Wil erhielt anstelle eines Kupferdachs eine integrierte Photovoltaikanlage. (Foto: © Comet Photo AG, Bildarchiv der ETH-Bibliothek)
Wil entscheidet anders

Am Tag, als die Basler Zeitung über den abgelehnten Antrag berichtete, schrieb das St.Galler Tagblatt, auf dem 60 Jahre alten Dach der Kreuzkirche in Wil werde im Rahmen einer Sanierung eine Photovoltaikanlage installiert. Die zwischen Altstadt und Bahnhof gelegene Kirche der Ostschweizer Stadt ist in ihrer architekturhistorischen Relevanz zwar nicht mit der Antoniuskirche gleichzusetzen, doch auch der sorgfältig gegliederte Bau des Schaffhauser Architekten Walter Henne (1905–1989) aus den 1960er-Jahren ist gestalterisch ambitioniert und baugeschichtlich durchaus wertvoll.

Die Kreuzkirche steht ebenfalls unter Schutz. «Das Zusammenspiel mit der Denkmalpflege St.Gallen musste zu Beginn genau berücksichtigt werden», sagte der zuständige Architekt Manfred Schubert dem Tagblatt. Die Kooperation mit der Denkmalpflege bezeichnete er als unkompliziert und zielorientiert: «Wir haben sie von Anfang an ins Boot geholt und grosse Unterstützung für unser Projekt erhalten, sodass wir die Planung reibungslos umsetzen konnten.» Ein Vertreter der evangelischen Kirchgemeinde betont gegenüber der Zeitung, das Projekt sei mehr als nur eine technische Massnahme. Mit der Anlage wolle man auch einen Beitrag zur Nachhaltigkeit und zum verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen leisten. Und vielleicht kann das Umweltprojekt sogar die Identität der Gemeinde stärken.

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