Präventive Architektur
Juho Nyberg
17. juli 2014
Sluseholmen: Schön, beschaulich, aber nicht besonders spannend. (Bild: wikicommons)
Über den gesellschaftlichen Einfluss von Architektur ist zu allen Zeiten viel debattiert worden. Ebenso kontrovers wie die Meinungen dazu sind denn auch die Lösungsvorschläge.
Als der dänische Architekt Bo Grönlund sich in den 1980er-Jahren daran machte, mittels intelligenter Stadtplanung und architektonischer Leitfäden Kriminalität aus Kopenhagen zu verbannen, fand er eine einzige EU-Publikation zu diesem Thema – aus Grossbritannien. Der Ansatz gefiel ihm nicht, schien zu britisch zu sein mit Überwachungsanlagen und Absperrungen als Lösungsvorschlag. In der Tat kann man sich heute kaum durch London bewegen, ohne gefilmt zu werden.
Nørrebro: Sehr lebendig, aber nicht ganz so sicher. (Bild: politiken.dk)
Stattdessen entwickelte der Däne eine Strategie der Offenheit unter der Annahme, dass soziale Kontrolle und gesellschaftlicher Zusammenhalt wirkungsvollere Mittel zur Vorbeugung seien, als Videokameras, die doch nur belegen können, dass etwas passiert ist. Im Quartier Sluseholmen in Kopenhagen hat die Journalistin Sandra Laville von der britischen Zeitung The Guardian die konkrete Umsetzung dieser Grundsätze besichtigt und weiss Erstaunliches zu berichten: Keine einzige Überwachungskamera ist zu finden, Velos und Kajaks in dem von Kanälen durchzogenen Wohnareal sind nicht abgeschlossen, grosszügige Fensterfronten erlauben Einblicke in die Wohnungen.
Während die Kanäle als natürliches Hindernis dienen, sind Wege und Plätze offen und übersichtlich gestaltet, Parkplätze konsequent unterirdisch angelegt. Das Quartier soll einen ruhigen – und keinen provokativen – Einfluss auf Bewohnerinnen und Passanten haben, erklärt Grönlund. Zugleich hält er fest, dass Sicherheit und die Lebhaftigkeit einer Stadt sich gegenseitig ausschliessen. Letztlich sei es eine Frage des Gleichgewichts und der Mischung. Das Gegenstück zu den beschaulichen Strassen und Kanälen Sluseholmens bildet das Nørrebro-Quartier in Kopenhagen. Trotz der höchsten Kriminalitätsrate der Stadt wird Nørrebro in zahlreichen Reiseführern als spannend und kosmopolitisch beschrieben. Wer könnte da nicht widerstehen?