Die Welt nicht ernster nehmen, als sie ist – zum Tod von Robert Haussmann

Manuel Pestalozzi
4. oktober 2021
Illustration: world-architects.com

Wer mit dem Zug nach Zürich reist, wird von einer der international bekanntesten Arbeiten von Trix und Robert Haussmann empfangen: dem umgestalteten Hauptbahnhof mit dem Shop-Ville. Anfangs der 1980er-Jahre hatten die Haussmanns den Bahnhof zusammen mit Uli Huber, dem damaligen Chefarchitekten der SBB, neu erfunden. In den niedrigen unterirdischen Räumen ist durch die illusionistische Innenarchitektur des Gespanns ein grossartiges Ambiente entstanden, das den emsigen Verkehrsraum durchaus einladend zum Verweilen macht und dafür sorgt, dass die Menschen gerne dort essen, trinken und einkaufen. Das Shop-Ville darf als überaus qualitätsvoller öffentlicher Raum gelten. Übrigens ist es nicht die einzige Einkaufspassage des Paars des Schweizer Designs: Auch die «Galleria» in Hamburgs Innenstadt haben Trix und Robert gestaltet. Und auch dort sind die Wände schwarz-weiss gestreift.

Trix und Robert Haussmann mit ihrem Lehrstück III «Störung der Form durch das Ornament» (Foto © Sabine Dreher)
Humor, Tiefgründigkeit, Neugier – eine künstlerische Haltung

Doch was ist es, das Trix und Robert Haussmann für die Schweizer, ja die internationale Architektur- und Designszene so wichtig macht? Immer wieder arbeiteten sie mit einem Augenzwinkern – so könnte man ihr Schaffen wohl charakterisieren; fest verankert in der Tradition der Moderne, rieben sich die beiden, die sich an einer Besprechung mit Ernst Gisel, Hans Howald und Dolf Schnebli kennengelernt hatten, mit Charme und Witz an deren Klassikern. Ihre Möbel, Innenräume, Architekturen und Objekte sind oft von einer aussergewöhnlichen Heiterkeit geprägt und Feuerwerke von Farben und Formen. 1967 gründeten Trix und Robert die Allgemeine Entwurfsanstalt. Sie entwickelten Mobiliar für Unternehmen wie Horgenglarus, Walter Knoll oder Wogg. «Die gestalterische Haltung von Trix und Robert Haussmann hat durchaus etwas Künstlerisches», schrieb unsere Autorin Susanna Koeberle 2019 in ihrer Besprechung des lesenswerten Buches «Trix und Robert Haussmann». Denn im Werk des Paars verbinden sich Humor und Freiheitsdrang – wie sonst eigentlich eher in der Kunst denn in Architektur und Design. Doch um Missverständnissen vorzubeugen: Die Haussmanns meinten es ernst, sie setzten ein Statement. Spielerisch transformierten sie unterschiedliche Bildsprachen in die Jetztzeit und hatten keine Furcht vor der Arbeit mit Referenzen. Zum ersten Mal zeigte sich beim Umbau der Filialen der Boutique Weinberg zu Beginn der 1970er-Jahre ihr experimenteller Ansatz. Bei weiteren Ladenlokalen – der Boutique Courrèges zum Beispiel – schufen sie durch Materialsimulation und Spiegel ein räumliches und materielles Verwirrspiel. Die Bezugnahme auf den Historismus war ein typisches Element, das die Haussmanns Anfang der 1980er-Jahre bei der Da Capo Bar im Zürcher Hauptbahnhof besonders geschickt einsetzten. Ihr Umgang mit dem Bestand zeichnete sich bei diesem Projekt durch viel Humor und Intelligenz aus. Trotz ihres Erfolges blieben sie stets neugierig und auf der Suche – auch das hat wohl entscheidend zur Qualität ihrer Arbeiten beigetragen. «Manierismo Critico» nannten sie diese Haltung.

Blick durch die Verglasungen des Windfangs der Bar in der Zürcher Kronenhalle (Foto © Fred Waldvogel)

Überhaupt ist Zürich ein wunderbarer Ort, um in das Werk der Haussmanns einzutauchen. Dort befindet sich zum Beispiel auch die berühmte Bar in der Kronenhalle – ein Ort den man gesehen und erlebt haben sollte. Die dunkle Einrichtung mit schweren Möbeln wirkt wie eine behagliche, schützende Höhle. Die Bar steht so im krassen Kontrast zum überaus lebendigen, ja hektischen Stadtraum draussen. Es verwundert nicht, dass die Gestaltung bis heute überdauert hat, obwohl doch in der Branche Innenräume eigentlich alle paar Jahre umgestaltet werden, um neuen Marketingkonzepten zu genügen.

Aufgang zur Da Capo Bar im Zürcher Hauptbahnhof (Foto © Alfred Hablützel, Vorlass Trix und Robert Haussmann im gta Archiv der ETH Zürich)
Zwischen Möbeln, Bauhaus und Dada

Robert Haussmann, der an der Zürcher Kunstgewerbeschule unter anderem von Johannes Itten ausgebildet worden war und nach seinem Diplom als Innenarchitekt Vorlesungen des Architekturtheoretikers und -historikers Siegfried Giedion besucht hatte, war nicht nur Gestalter, Redaktor und Kurator, sondern auch Lehrer: an der Kunstgewerbeschule Zürich als Lehrbeauftragter für Innenarchitektur und Produktgestaltung, an der ETH Zürich als Gastdozent für Architekturentwurf und an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart als Professor für Innenarchitektur. 

Während seiner Zeit in Amsterdam wurde er beeinflusst von Gerrit Rietveld und Johan Niegemann. Auch eine Begegnung mit Dada-Künstler Hans Arp hinterliess bleibenden Eindruck bei ihm. Als junger Mann leitete er zudem gemeinsam mit seinem Bruder Peter unter dem Namen Haussmann & Haussmann das Einrichtungsgeschäft seines Vaters. Hier liegt wohl auch der Ursprung seiner Leidenschaft für die Gestaltung von Möbeln – er wuchs quasi zwischen ihnen auf. 1958 gründeten Teo Jakob und Peter Haussmann mit Hans Eichenberger, Kurt Thut und Robert – damals erst 27 Jahre alt – die Gruppe Swiss Design, die über lange Zeit einflussreich bleiben sollte.

Robert Haussmanns Interesse am Geschehen in der Architektur- und Designszene war zeitlebens gross. Diese Aufnahme zeigt ihn im Gespräch an einer Buchvernissage im Architekturforum Zürich im Jahr 2012. (Foto: Manuel Pestalozzi)

Hoffentlich werden sich nachfolgende Generationen von Architekt*innen und Designer*innen im In- und Ausland gelegentlich an das Werk der Haussmanns erinnern und sich von neuem mit ihm auseinandersetzen. Denn es lohnt bestimmt, Trix’ und Roberts Humor, Offenheit und Neugier nachzueifern. Und die Beschäftigung mit ihren Arbeiten vermag noch immer zu inspirieren.

Trix und Robert Haussmann

Trix und Robert Haussmann
Joan Billing und Samuel Eberli (Hrsg.)

235 x 320 Millimeter
256 Pagina's
292 Illustrations
Hardcover
ISBN 9783858815613
Scheidegger & Spiess
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