«Because I’m not finished yet» – Bart Lootsma wechselt ans Karlsruher Institut für Technologie

«It is the first day of the rest of my life», schrieb Bart Lootsma auf Facebook. Nach nicht weniger als 16 Jahren an der Universität Innsbruck freut er sich auf ein neues Abenteuer am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). In der Tiroler Landeshauptstadt gründete er die Abteilung für Architekturtheorie architecturaltheory.eu, die er von 2006 bis 2022 leitete. Mit seinem Team baute er ein intellektuelles Gegengewicht zu den starken Entwurfslehrstühlen der Fakultät auf, die die Traditionslinien der österreichischen Avantgarde aufnehmen. Auch wenn oder vielmehr gerade weil er polarisierte und so mancher Entwurfsprofessor sich zuweilen an ihm rieb, tat das dem Diskurs an der Architekturschule gut. Mit Artikeln, Vorträgen, Büchern, Ausstellungen und einer Internetpräsenz auf gleich drei Websites beteiligt sich Lootsmas Arbeitsbereich mittlerweile am internationalen Diskurs: Neben architecturaltheory.eu sind mit architecturaltheory.txt ein Magazin über Architektur und Kultur und mit architecturaltheory.tv ein videobasiertes Portal online. Auch die Lehre selbst entwickelte sich unter seiner Leitung zu etwas Einzigartigem: In den Entwurfsstudios von architecturaltheory.eu lernen die Studierenden nicht nur Positionen aus Architektur- und Kulturtheorie, aus Kunst, Design und Literatur sowie der Philosophie kennen und vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Entwicklungen zu verstehen, sondern sie werden auch gezielt auf die Arbeit in Architekturvermittlung, Fachpresse und Forschung vorbereitet. So sind das Entwickeln eigener Theorien, das wöchentliche Recherchieren und Schreiben, das Anpinnen der Layouts und Präsentieren der Essays (zumeist im Team) feste Bestandteile des Unterrichts. Auch menschlich prägte Lootsma seinen Arbeitsbereich: Hierarchiedenken und Dünkel aufgrund akademischer Titel sind ihm nämlich fremd. Auf das ehrfürchtige «Herr Professor», das anderen so sehr gefällt, reagiert er stets allergisch. Eine Mentalität, die in Österreich ganz besonders erfrischend wirkte und auch in Deutschland guttun dürfte. Auch seine klar artikulierte politische Haltung prägte den Unterricht. Für die Studierenden war das wertvoll: Nahbare, engagierte Lehrer*innen mit einer griffigen Position gibt es heute eigentlich zu wenige.

Bevor Bart Lootsma Mitte der 2000er-Jahre nach Innsbruck kam, hatte er sich als scharfsinniger Architekturkritiker und -theoretiker längst einen Namen gemacht. Er arbeitete als Autor, Redaktor und teils sogar als Herausgeber für Zeitschriften wie Forum, ARCHIS, de Architect, ARCH+, l’Architecture d’Aujourd’hui, DOMUS, Daidalos und GAM. Auch für unser Magazin griff er schon in die Tasten und verfasste einen Nachruf auf seinen Freund, den bekannten Kritiker und Redaktor Hans van Dijk. Als Gastprofessor unterrichtete er unter anderem an der Universität für angewandte Kunst und an der Akademie der bildenden Künste in Wien, an der Akademie für bildende Künste im bayerischen Nürnberg und am Berlage Institut in Amsterdam und Rotterdam. Auch war er Forschungsleiter am Studio Basel der ETH Zürich. 

Neben seiner Arbeit an der Hochschule hat Bart Lootsma zahlreiche Bücher und Artikel geschrieben. Breit rezipiert wurde etwa «SuperDutch», das im Jahr 2000 erschien und grossen Einfluss auf den internationalen Diskurs entfaltete. Zuletzt wurden die Bücher «Reality Bytes, Selected Essays 1995–2015» (2015) und «Italian Collage» (2020) veröffentlicht. Und auch als Kurator ist Lootsma gefragt: Hier sind beispielhaft der montenegrinische Pavillon an der Architekturbiennale von Venedig des Jahres 2016 und die Schau «Radical Austria, Everything is Architecture» (2021) für das Design Museum Den Bosch zu nennen.

Mit seinem Wechsel nach Deutschland hinterlässt Bart Lootsma in Innsbruck eine grosse Lücke. «Because I’m not finished yet», begründete er seinen Schritt in den sozialen Medien. Man darf also gespannt sein, welche neuen Projekte schon bald am KIT entstehen werden. Wie wird sich Lootsma in den deutschen Diskurs einschalten? Welche neuen Perspektiven kann er einbringen?