Haus für einen Flügel

Georg und Lorenz Bachmann
25. augustus 2022
Das Wohnhaus und der Musikpavillon bilden ein Ensemble. (Foto: Lukas Murer Fotoarbeiten)
Herr Bachmann, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Ein Raum für Musik ist für mich eine der schönsten Bauaufgaben, denn der Klang ist für uns Architekt*innen ein Verbündeter. Er braucht viel Luft, um sich auszubreiten, und reagiert sensibel auf die Oberflächen des Raumes. So wie wir Menschen ja auch, aber der Klang ist dabei weniger kompromissbereit. Das ermöglicht uns, wunderschöne Räume zu entwerfen.

Durch eine hohe Tür betritt man den Musikpavillon. (Foto: Lukas Murer Fotoarbeiten)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


In einer kurzen und intensiven Projektwoche haben Georg und ich die Idee für den Musikpavillon entwickelt. Ein Buch von Kazuo Shinohara lag im Atelier herum. Seine Räume sind radikal und schlicht. Bei ihm wirkt das einfach, aber wir erreichen diese Qualitäten so selten. Ich finde das unglaublich inspirierend. Das Tanikawa House von ihm ist darum eine wichtige Referenz für den Musikpavillon in Winterthur.

Der Klangraum verdankt seine exzellente Akustik den textilbezogenen Holzrahmen und den schallabsorbierenden Vorhängen. (Foto: Lukas Murer Fotoarbeiten)
In der dienenden Schicht verbergen sich Nebennutzungen und genügend Stauraum für die Musiknoten. (Foto: Lukas Murer Fotoarbeiten)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Als Pianistin hatte die Bauherrin schon länger die Vision von einem stillen und zauberhaften Raum, der Teil ihres Gartens ist; ein Raum, der ganz der Musik gewidmet ist, wo sie üben und unterrichten kann.

Jetzt, nach der Fertigstellung, ist es für uns unglaublich schön zu sehen, wie der Musikpavillon den Alltag der Besitzerin mitbestimmt und bereichert. Dank der herausragenden Akustik gibt es seit letztem Herbst sogar eine kleine Konzertreihe mit dem Titel «Pavillon Bleu», in deren Rahmen renommierte Musiker*innen eingeladen werden. Es handelt sich um ganz intime Konzerte, und man kann so richtig in den Klang der Instrumente eintauchen, weil das Klangspektrum von den Oberflächen wunderbar aufgefächert wird.

Auf beiden Längsseiten öffnet sich der Musikpavillon grosszügig zum Garten. (Foto: Lukas Murer Fotoarbeiten)
Die dienende Schicht ist nur auf einer Fassadenseite ablesbar. (Foto: Lukas Murer Fotoarbeiten)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Georg Bachmann und ich arbeiten regelmässig zusammen und haben mittlerweile eigene Architekturbüros. Georg hat gerade mit Nina Cattaneo das Atelier Void gegründet. Die beiden beschäftigen sich mit einem breiten Spektrum von architektonischen Aufgaben, das von Wohnhäusern bis hin zur Raumplanung reicht. Ich arbeitete seit meinem Studium an der ETH in verschiedenen Büros beziehungsweise in der Lehre und habe letztes Jahr mit Gleichgesinnten die Architekturgenossenschaft C/O gegründet. Sie ist ein Gegenentwurf zum klassischen KMU: Wir arbeiten inhaltlich unabhängig und in unterschiedlichen Kollaborationen an Projekten.

Der Musikpavillon ist für mich ein Schlüsselprojekt. Dank der abstrakten Nutzung konnten wir uns auf die zentralen Themen der Architektur fokussieren: Raum und die Fügung der Elemente. Es ging darum, wie ein Raum geborgen sein kann und dennoch eng mit dem Garten verknüpft. Es ging darum, wie man Fenster anschlägt, ohne dass sie den Raumfluss von innen nach aussen stören. Und es ging darum, wie wir verschiedene Konstruktionsschichten fügen können, ohne dass sie ihre Abstraktheit verlieren.

Bei den Konzerten der Reihe «Pavillon Bleu» begegnen sich Musiker*innen und das Publikum ganz unmittelbar. (Foto: Lukas Murer Fotoarbeiten)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Besonders stolz sind wir auf die Fassade. Inspiriert von den farbigen Moscheen und Mausoleen Zentralasiens, wollten wir den Musikpavillon in ein elegantes Kleid hüllen. Das Gebäude hat ja eine ganz einfache Form. Ein spitzes Giebelhaus ist typisch für das Quartier. Umso wichtiger war es uns, dass diese Form abstrakt bleibt und sich allen weiteren Giebelhaus-Assoziationen entzieht.

Mit Solanellas Van Noten Meister Architekten (SVNM) zusammen haben wir dann in mehreren Workshops eine geschuppte Fassade aus Zementfaserplatten entwickelt. SVNM haben zwanzig verschiedene Blautöne aus mineralischen Pigmenten komponiert und die hochwertigen Platten in Handarbeit produziert. Auf der Baustelle haben schlussendlich viele Freunde und die Bauherrschaft selbst geholfen, die Platten zu sortieren und zu montieren. Diese Kollaborationen und gemeinschaftlichen Happenings empfinde ich als besonders bereichernd.

Situation
Grundriss
Schnitt
Anordnung der Platten auf der Fassade
Bauwerk
Musikpavillon
 
Standort
Langgasse 11, 8400 Winterthur
 
Nutzung
Kulturbau
 
Auftragsart
Direktauftrag
 
Bauherrschaft
Privat
 
Architektur
Georg und Lorenz Bachmann
Georg Bachmann, Atelier Void GmbH, Zürich
Lorenz Bachmann Architekt, Zürich, Mitglied der Architekturgenossenschaft C/O
 
Fachplaner
Akustik: Applied Acoustics GmbH, Gelterkinden
Bauingenieur: Holzbaubüro Reusser GmbH, Winterthur
Landschaftsarchitektur: Grünbart, Winterthur
 
Bauleitung 
Jürg Weidmann, Winterthur
 
Jahr der Fertigstellung
2020
 
Massgeblich beteiligte Unternehmer 
Fassadenplatten: Solanellas Van Noten Meister Architekten, Zürich
Holzbau: Zehnder Holz & Bau, Winterthur
 
Fotos
Lukas Murer Fotoarbeiten

Uitgelicht project

MMJS Jauch-Stolz Architekten AG

Wohnbau Giselihalde

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