Brandhaus Übungsdorf
Knitterwerk zum Feuer legen
12. 8月 2015
Atelier M Architekten haben kürzlich ein Brandhaus für das Amt für Militär und Zivilschutz in Andelfingen fertiggestellt. Daniel Minder stellt sich unseren Fragen.
Blindfenster erzeugen eine stabilisierende «Knitterwirkung»
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Das Besondere liegt darin, ein potemkinsches Dorf zu erstellen. In der Übungsanlage gibt es einzelne Gebäudeteile, die nur aus einer Fassade bestehen, die ausser der Statik keinen Regeln wie Dämmvorschriften gehorchen noch anderen Zwecken genügen müssen. Nur die Gliederung der Fassadenflächen in einem konventionellen Massstab war eine Anforderung der Nutzer, damit sie bei Übungsabläufen miteinander kommunizieren können: «Beim dritten Fenster...».
Besonders sind natürlich auch die Brandzellen an sich, die im Gebäudekopf untergebracht sind. Darin werden Stapel aus Holzpaletten angezündet, die auszubildende Feuerwehrleute löschen – alles real, das Feuer, die Hitze, Rauch, Asche und Wasser. Ein Holzfeuer wird bis zu 1000°C heiss und kann nicht einfach auf Knopfdruck abgestellt werden. Der Beton musste vor diesen hohen Temperaturen geschützt werden. Dazu kleideten wir die Raumzellen allseitig mit Schamottsteinen aus, die in einem engmaschigen Raster verankert wurden, damit sie den grossen Ausdehnungen bei mehreren hundert Grad Temperaturdifferenz standhalten.
Ausschamottierte Brandzelle
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Wir waren fasziniert von der Idee, diese hohen und freistehenden Fassadenscheiben möglichst dünn betonieren zu können. Dazu haben wir gemeinsam mit dem Ingenieur ein Prinzip entwickelt, das wir «Knitterwerk» nennen. Wie bei einem zerknüllten und wieder geglätteten Blatt Papier werden die hohen Betonscheiben mit dem Fensterrelief in der Fläche ausgesteift. Zusätzlich ersetzen die Fassadenknicke das Einspannen der Scheiben im Boden.
Knitterprinzip
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Auch die Nachbargebäude unserer Kollegen sind Übungs- und Ausbildungsanlagen aus Beton. Das macht das potemkinsche Dorf erst komplett. Diese Abstraktheit hat uns in unserer formalen Reduktion bestärkt. In den Gassen herrscht eine unwirkliche Atmosphäre. Es ist ein skulpturales Betonensemble mit einer sehr grob detaillierten Ausführung. Man fühlt sich wie eine Massstabsfigur, die durch ein überdimensioniertes Graukartonmodell schreitet.
Fassadenrelief
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?
Konzeptuell und auch konstruktiv war die Fassade anfänglich überall 25 Zentimeter dick, sowohl bei den Wandscheiben wie auch in den Fensternischen und Fensterkörpern. Das Relief im Hof war das exakte Negativ desjenigen auf der Aussenfassade. Das hat wesentlich zur Stärkung des statischen Prinzips beigetragen. Leider mussten wir bei der Ausführung auf das Hofrelief verzichten. Um die verlorene statische Tiefe der hofseitigen Ausstülpungen zu kompensieren, bildeten wir die ausspringenden Fensterkörper im Strassenraum etwas kräftiger aus.
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?
Wir mögen mineralisches Bauen. Ein monolithisches Betongebäude mit allseitig ausgemauerten Räumen zu bauen, ist in diesem Sinn ein Glücksfall. Keine Dämmung, kein Kunststoff, keine Kittfugen. In vielen Projekten «feiern» wir zudem ein spezifisches Element: einen Treppenkörper, eine einzelne Stütze, eine besondere Materialität, oder wie in diesem Fall ein statisches Prinzip.
Situation
2. Obergeschoss
Erdgeschoss
Schnitt
Brandhaus Übungsdorf
2014
Andelfingen ZH
Auftragsart
Studienauftrag
Bauherrschaft
Amt für Militär und Zivilschutz des Kantons Zürich
Architektur
Atelier M Architekten GmbH, Zürich
Daniel Frédéric Minder, Emil Iliev, in Zusammenarbeit mit Felix Ackerknecht
Fachplaner
Bauingenieur: Schnetzer Puskas Ingenieure AG, Zürich
Auszeichnung
bestarchitects 16
Fotos
Sabrina Scheja, Heerbrugg