Gewordenes Wahrzeichen – Jugendherberge
13. 2月 2008
Die Jugendherberge ist ein Engadinerhaus frei von Kitsch. Selbstbewusst steht der Monolith gleich unter dem Bahnhof.
Fotos: Ralph Feiner
Schon vor Baubeginn machte die Jugendherberge in Scuol aufgrund der Ausstellung ‹Werdende Wahrzeichen› von sich reden. Jetzt ist sie ein gewordenes Wahrzeichen, das sich in die Perlenkette der Schweizer Jugendherbergen einreiht (Beilage zu HP 3/05). Die Herberge in Scuol ist die erste gänzlich neu erstellte ‹Jugi› seit Jahren. Die vier Engadiner Architekten, die sich für das Projekt in der ARGE Sursass zusammenschlossen, bauten Engadiner Architektur frei von Kitsch und Anbiederung.
Das Dach des Monolithen ist leicht geneigt, die vier Wände sind jeweils leicht geknickt. Die Fenster der 45 Zimmer haben tiefe Leibungen und sitzen in unregelmässigen Abständen in der Fassade. Übereck-Fenster und grosse Gläser kennzeichnen die Gemeinschaftsräume, schmale Schlitze bieten Ausblick aus den Korridoren. Der Grundriss bringt an den Tag, wie das Haus aufgebaut ist: Im Zentrum steht der Kern mit Treppe, Lift und gemeinschaftlichen Sanitärräumen, darum herum sind, leicht aus der Orthogonalen abgedreht und in gebührendem Abstand zueinander, vier Zimmerblöcke angeordnet. Darin gibt es Zweier- und Viererzimmer mit eigener Dusche und Sechserzimmer, die die Gemeinschaftsanlagen benutzen.
Massenlager gehört der Vergangenheit an. Heute gibt es Zweierzimmer mit Dusche und WC. Der Holzboden signalisiert: Wir sind in den Bergen, nicht in der Stadt.
Obschon sich die Jugendherberge an ein eher junges Publikum richtet, wollten die Architekten keine coole Stimmung erzeugen: «Wir sind in den Bergen und das soll man auch spüren», sagen sie. Das ist ihnen gelungen, auch wenn – oder weil – das knappe Budget den Ausbau auf wenige Materialien beschränkte; Beton, Holz und Putz bestimmen das Bild. Das Schmuckstück des Hauses ist die ganz in Holz ausgekleidete Stüva mit grossem Eckfenster. Allein der Hartnäckigkeit der Architekten ist es übrigens zu verdanken, dass auf den Zimmerböden Holz und nicht der jugi-standardmässige Linoleum liegt. Eigentlich dürfte es diese Jugendherberge gar nicht geben. Gemäss der dreistufigen Netzwerkstrategie ist Scuol ein B-Standort – zwar national bekannt, aber nicht zwingender Ort für eine Jugendherberge. Weil das Unterengadin bislang ein weisser Fleck auf der Karte war, haben die Jugendherbergen den Pfad der Tugend verlassen. 2001 schloss die Schweizerische Stiftung für Sozialtourismus einen Baurechtsvertrag mit dem Bauernverband Unterengadin ab, der auf dem Grundstück früher seinen Viehmarkt abgehalten hatte. Doch dann zogen düstere Wol- ken über dem Projekt auf: In Scuol sollte ein Hotel ‹Cube› (HP 4/06) errichtet werden. Das wäre das Aus für die ‹Jugi› gewesen, denn für zwei Hotels mit ähnlichem Publikum gibt es keinen Platz. Erst als sich dieses Projekt zerschlagen hatte, nahmen die Jugendherbergen ihr Vorhaben wieder auf. Im April 2005 sicherten die Bergbahnen (einer der ‹Cube›-Promotoren) und die Gemeinde die Finanzierung zu und im selben Jahr fand der Studienauftrag statt. Die Bauzeit betrug gerade mal ein halbes Jahr. WH
Massenlager gehört der Vergangenheit an. Heute gibt es Zweierzimmer
mit Dusche und WC. Der Holzboden signalisiert: Wir sind in den Bergen, nicht in der Stadt.
EG
1.OG
Jugendherberge
2007
Prà da Faira
Scuol GR
Bauherr
Schweizerische Stiftung für Sozialtourismus
Zürich
Architektur
ARGE Sursass
Scuol
Marisa Feuerstein
Men Clalüna
Annabelle Breitenbach
Jon Armon Strimer
Anlagekosten
7,5 Mio CHF
(BKP 1–9)
Gebäudekosten
737.– CHF
(BKP 2/m³)