Wunschlicht

Thomas Geuder
5. 6月 2013
Das «neue» Lenbachhaus wurde von Foster + Partners aus London durch einen goldfarbenen Kubus erweitert, der das ursprünglich U-förmige Gebäudeensemble städtebaulich aufbricht. (Bild: Nigel Young_Foster and Partners)

Es gibt Kunstwerke und Artefakte aus vergangenen Zeiten, die eigentlich gar nicht ans Licht dürfen, weil das Licht, das Flora und Fauna üblicherweise Leben spendet, für sie den Zerfall bedeuten würde. Die meisten dieser Werke fristen deswegen ein Dasein in dunklen Archiven, verborgen vor der Außenwelt, zu bestaunen nur in wenigen, kurzen Ausnahmefällen. Was die Farben etwa von Ölgemälden oder von Stoffen schädigt, lässt sich leider nur schwer abgrenzen. Immer ist eine Mixtur aus Farbspektrum (besonders UV- und IR-Strahlung), Beleuchtungsstärke sowie Beleuchtungszeit entscheidend – also im Prinzip nahezu alles, was das Licht und damit Helligkeit ausmacht. Der Kompromiss in der Vergangenheit war also, empfindliche Kunstwerke mit einem meist etwas zu schwachen und warmen Licht indirekt anzustrahlen. So konnte der Besucher die Bilder noch gut studieren und der Konservator ein beruhigtes Gewissen haben. Kompromisse allerdings haben die Eigenschaft, für keine der beteiligten Seiten die beste Lösung zu sein, und so hinterließ derartiges Licht immer auch ein tiefes Magengrummeln, das sich zumindest beim Besucher in einer gewissen Müdigkeit äußerte. Sie kennen das? Unseren Freund Otto Normalbesucher jedenfalls wundert jetzt gar nichts mehr.

Gleichmässige Beleuchtung von oben – dafür sorgen im Lenbachhaus mit LED bestückte Lichtdecken. (Foto: Nigel Young_Foster and Partners)

Bekanntlich aber befindet sich der Beleuchtungsmarkt seit einigen Jahren in einer seiner größten Umbruchphasen. Die Lichtplanung ist zum komplexen Gewerk und zum wichtigen Bestandteil eines Entwurfs avanciert – eindrucksvoll zu bestaunen war das übrigens beim kürzlich in Frankfurt am Main verliehenen Deutschen Lichtdesign-Preis. Die LED, verantwortlich für diesen Aufschwung, wird indessen immer weiter entwickelt. Und so zeichnete sich bereits auf der Messe Light+Building 2012 deutlich ab, dass Lichtplaner in Zukunft vielfältiger und doch einfacher entwerfen können: Musste eine bestimmte Lichtfarbe bisher durch die Wahl des Leuchtmittels oder geeigneter Filter erzeugt werden, entsteht diese heute direkt im LED-Modul. Das Licht moderner LED-Leuchten besteht meist aus einer Mischung verschiedener LEDs, wodurch jede beliebige Lichtfarbe erzeugt werden kann, und das zudem meist stufenlos dimmbar. Aus Sicht des Planers oder auch eines Ausstellungskurators bedeutet das: Sie müssen sich je nach Beleuchtungsaufgabe nicht mehr für ein bestimmtes Leuchtmittel entscheiden, sondern können ganz technologieunabhängig beim zu beleuchtenden Kunstwerk bleiben und sich den wesentlichen Fragen widmen: Welche Lichtstimmung etwa ist die richtige? Mit welchem Licht kann ich einem Kunstwerk die bestmögliche Wirkung verleihen? Und ganz nebenbei dürfen sich alle Beteiligten über die gute Farbwiedergabe, den geringen Stromverbrauch und die lange Lebensdauer einer LED freuen.

Der besonders flache LED-Strahler mit rund 60.000 Linsen wurde nach den Beleuchtungsanforderungen im Lenbachhaus entwickelt. (Foto: Osram)

Technologien mit Potenzial bringen zwangsweise neue Entwicklungen hervor, und so ist bei Osram eine Leuchtenreihe entstanden, die über das bloße Leuchten deutlich hinausgeht. Jeweils fünf verschiedene LEDs, deren Licht durch eine ausgeklügelte Optik vermengt wird, sind dort zu einem Modul verbaut. Für den Bereich zwischen Warmweiß (3.000 K) bis Kaltweiß (6.000 K) wurden von den Entwicklern fast 100 Nuancen so programmiert, dass sie einen Farbwiedergabeindex von midestens 95 erreichen, und zwar voll dimmbar. Die Leuchte, in der das alles seinen Platz gefunden hat, sollte «möglichst filigran sein. Wir haben das erreicht, indem wir mit rund 60.000 Linsen auf einer Streuscheibe von 14 Zentimetern Durchmesser das Licht quasi in kleinste Stücke schneiden und in dann in idealer Anordnung Richtung Kunstwerk strahlen lassen», erläutert Julius Muschaweck, Leiter des Optik-Entwicklerteams bei OSRAM in Augsburg. Und als Tüpfelchen auf dem «i» lässt sich das System teilweise per Tablet-PC fernsteuern. Keiner muss sich also mehr auf eine Leiter bemühen müssen.

Lichtvouten bringen in vielen Räumen eine indirekte Grundbeleuchtung an die Decke. (Foto: Nigel Young_Foster and Partners)

Verbaut ist diese Universaltechnologie im erst kürzlich eröffneten Lenbachhaus, einem der traditionsreichsten Kunstmuseen in München. Umgebaut und ergänzt von Forster + Partners aus London, soll das Museum mit seinen erweiterten Flächen nun fit sein für die seit Jahren steigenden Besucherströme. Neu ist vor allem ein quaderförmiger Anbau, der mit seiner goldfarbenen und einer Fassade aus (als Stilmittel in Münchens Museumsszene nicht ganz unbekannten) senkrecht angeordneten Stäben die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Neu ist auch die veränderte Eingangssituation, die die Wahrnehmung des gesamten Baus grundlegend verändert: Durfte man bisher noch durch den schönen, vom Gebäudeensemble umfassten Innengarten aus das Haus betreten, muss es nun eine Glasfuge in der Achsel zwischen Alt- und Neubau tun. Von hier aus kann man freilich nach dem Museumsbesuch wunderbar auf die im Sommer bereits recht beliebte Restaurant-Terrasse stolpern und den Blick auf die Propyläen genießen. Im Innenraum ist deutlich zu erkennen, dass die Architekten Alt und Neu klar voneinander trennen und das Wechselspiel zwischen beiden inszenieren wollten. So sind sämtliche Neubauteile sichtlich bemüht um eine formale Schlichtheit, die dem historistischen Stilmix des Originalbaus keine Konkurrenz machen will. Der Beleuchtung der dort ausgestellten Kunstwerke allerdings ist in der Planung durch Ingenieure Bamberger eine besondere Aufmerksamkeit zugekommen. Die Räume in den Obergeschossen des Neubaus erhellt am Tag das indirekte Tageslicht aus nach Nord-Osten gerichteten Shed-Dächern. Dort wie auch in allen anderen Räumen ist die bereits erwähnte LED-Technologie von Osram in vier verschiedenen Varianten, nach der Grundidee des Lichtkünstlers Dietmar Tanterl, zum Einsatz gekommen: als Spot, als Voutenmodul, als Lichtdecke und als Shedmodul. So ist es in den Ausstellungsräumen möglich, ein maßgeschneidertes und möglichst natürliches Licht zu erzeugen, in dem die Kunstwerke am besten zu betrachten sind. Das wäre dann erreicht, wenn unserem Kunstliebhaber Otto gar kein Licht mehr auffallen würde. Wie es ihm bei seinem Museumsbesuch ergangen ist, fragen wir ihn ein andermal.

Am Tag erhellt das Licht aus Shed-Dächern die Räume des Obergeschosses. Die Leuchten für dunklere Tage sind in der Deckenkonstruktion versteckt. (Foto: Nigel Young_Foster and Partners)
LED-Module leuchten die Sheds von innen so aus, dass das Licht ähnlich dem natürlichen Licht in den Raum fällt.
Im Rohbau gut zu sehen: Die Shed-Dächer sind nicht aus der Deckenkonstruktion heraus entwickelt, sondern bestehen aus einzelnen Aufbauten. (Foto: Osram)
Die Spots (im Bild am oberen Rand) sind farblich an die Decke angepasst und treten als Bauteil so wie auch durch ihre geringe Grösse kaum in Erscheinung. (Foto: Nigel Young_Foster and Partners)
Im neuen Eingangsatrium, das so hoch ist wie das gesamte Gebäude, wird das Spannungsfeld zwischen Alt und Neu inszeniert. (Foto: Nigel Young_Foster and Partners)
Ebenfalls Teil des neuen Eingangsatriums: Das Kunstwerk «Wirbelwind» des dänischen Lichtkünstlers Ólafur Elíasson. (Foto: Nigel Young_Foster and Partners)
Die LED-Lösung im Lenbachhaus schädigt die Kunstwerke bei niedrigen Farbtemperaturen weniger als die Glühlampe, bei höheren Farbtemperaturen weniger als die Leuchtstofflampe und (natürlich) deutlich weniger als das Tageslicht. (Quelle: Osram)
Dachaufsicht mit Shed-Dächern
Grundriss 1. Obergeschoss
Grundriss Erdgeschoss
Lageplan


Das Lenbachhaus besetzt einen markanten Punkt in der Stadt, gleich hinter dem Königsplatz mit dem Ensemble aus Staatlicher Antikensammlung, Propyläen und Glyptothek. (Quelle: Google) Grössere Kartenansicht

Von hinten, also von der Richard-Wagner-Strasse aus gesehen scheint sich der Neubau über den Bestand zu stülpen. (Foto: Nigel Young_Foster and Partners)
Der vom alten Gebäudeensemble eingefasste, historische Garten dient nun nicht mehr als Zugang zum Museum und kann jetzt für Kunstwerke oder für Veranstaltungen genutzt werden. (Foto: Nigel Young_Foster and Partners)

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