Wunschlicht
Künstliches Licht wurde immer dann am besten geplant, wenn man es nicht wahrnimmt. Das gilt umso mehr für Beleuchtungsaufgaben wie Museen, wo es nicht nur auf die Helligkeit, sondern vor allem auf die Lichtqualität ankommt. Wie einfach das heutzutage am Ende sein kann, haben wir im von Foster + Partners umgebauten Lenbachhaus in München gesehen.
Es gibt Kunstwerke und Artefakte aus vergangenen Zeiten, die eigentlich gar nicht ans Licht dürfen, weil das Licht, das Flora und Fauna üblicherweise Leben spendet, für sie den Zerfall bedeuten würde. Die meisten dieser Werke fristen deswegen ein Dasein in dunklen Archiven, verborgen vor der Außenwelt, zu bestaunen nur in wenigen, kurzen Ausnahmefällen. Was die Farben etwa von Ölgemälden oder von Stoffen schädigt, lässt sich leider nur schwer abgrenzen. Immer ist eine Mixtur aus Farbspektrum (besonders UV- und IR-Strahlung), Beleuchtungsstärke sowie Beleuchtungszeit entscheidend – also im Prinzip nahezu alles, was das Licht und damit Helligkeit ausmacht. Der Kompromiss in der Vergangenheit war also, empfindliche Kunstwerke mit einem meist etwas zu schwachen und warmen Licht indirekt anzustrahlen. So konnte der Besucher die Bilder noch gut studieren und der Konservator ein beruhigtes Gewissen haben. Kompromisse allerdings haben die Eigenschaft, für keine der beteiligten Seiten die beste Lösung zu sein, und so hinterließ derartiges Licht immer auch ein tiefes Magengrummeln, das sich zumindest beim Besucher in einer gewissen Müdigkeit äußerte. Sie kennen das? Unseren Freund Otto Normalbesucher jedenfalls wundert jetzt gar nichts mehr.
Bekanntlich aber befindet sich der Beleuchtungsmarkt seit einigen Jahren in einer seiner größten Umbruchphasen. Die Lichtplanung ist zum komplexen Gewerk und zum wichtigen Bestandteil eines Entwurfs avanciert – eindrucksvoll zu bestaunen war das übrigens beim kürzlich in Frankfurt am Main verliehenen Deutschen Lichtdesign-Preis. Die LED, verantwortlich für diesen Aufschwung, wird indessen immer weiter entwickelt. Und so zeichnete sich bereits auf der Messe Light+Building 2012 deutlich ab, dass Lichtplaner in Zukunft vielfältiger und doch einfacher entwerfen können: Musste eine bestimmte Lichtfarbe bisher durch die Wahl des Leuchtmittels oder geeigneter Filter erzeugt werden, entsteht diese heute direkt im LED-Modul. Das Licht moderner LED-Leuchten besteht meist aus einer Mischung verschiedener LEDs, wodurch jede beliebige Lichtfarbe erzeugt werden kann, und das zudem meist stufenlos dimmbar. Aus Sicht des Planers oder auch eines Ausstellungskurators bedeutet das: Sie müssen sich je nach Beleuchtungsaufgabe nicht mehr für ein bestimmtes Leuchtmittel entscheiden, sondern können ganz technologieunabhängig beim zu beleuchtenden Kunstwerk bleiben und sich den wesentlichen Fragen widmen: Welche Lichtstimmung etwa ist die richtige? Mit welchem Licht kann ich einem Kunstwerk die bestmögliche Wirkung verleihen? Und ganz nebenbei dürfen sich alle Beteiligten über die gute Farbwiedergabe, den geringen Stromverbrauch und die lange Lebensdauer einer LED freuen.
Technologien mit Potenzial bringen zwangsweise neue Entwicklungen hervor, und so ist bei Osram eine Leuchtenreihe entstanden, die über das bloße Leuchten deutlich hinausgeht. Jeweils fünf verschiedene LEDs, deren Licht durch eine ausgeklügelte Optik vermengt wird, sind dort zu einem Modul verbaut. Für den Bereich zwischen Warmweiß (3.000 K) bis Kaltweiß (6.000 K) wurden von den Entwicklern fast 100 Nuancen so programmiert, dass sie einen Farbwiedergabeindex von midestens 95 erreichen, und zwar voll dimmbar. Die Leuchte, in der das alles seinen Platz gefunden hat, sollte «möglichst filigran sein. Wir haben das erreicht, indem wir mit rund 60.000 Linsen auf einer Streuscheibe von 14 Zentimetern Durchmesser das Licht quasi in kleinste Stücke schneiden und in dann in idealer Anordnung Richtung Kunstwerk strahlen lassen», erläutert Julius Muschaweck, Leiter des Optik-Entwicklerteams bei OSRAM in Augsburg. Und als Tüpfelchen auf dem «i» lässt sich das System teilweise per Tablet-PC fernsteuern. Keiner muss sich also mehr auf eine Leiter bemühen müssen.
Verbaut ist diese Universaltechnologie im erst kürzlich eröffneten Lenbachhaus, einem der traditionsreichsten Kunstmuseen in München. Umgebaut und ergänzt von Forster + Partners aus London, soll das Museum mit seinen erweiterten Flächen nun fit sein für die seit Jahren steigenden Besucherströme. Neu ist vor allem ein quaderförmiger Anbau, der mit seiner goldfarbenen und einer Fassade aus (als Stilmittel in Münchens Museumsszene nicht ganz unbekannten) senkrecht angeordneten Stäben die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Neu ist auch die veränderte Eingangssituation, die die Wahrnehmung des gesamten Baus grundlegend verändert: Durfte man bisher noch durch den schönen, vom Gebäudeensemble umfassten Innengarten aus das Haus betreten, muss es nun eine Glasfuge in der Achsel zwischen Alt- und Neubau tun. Von hier aus kann man freilich nach dem Museumsbesuch wunderbar auf die im Sommer bereits recht beliebte Restaurant-Terrasse stolpern und den Blick auf die Propyläen genießen. Im Innenraum ist deutlich zu erkennen, dass die Architekten Alt und Neu klar voneinander trennen und das Wechselspiel zwischen beiden inszenieren wollten. So sind sämtliche Neubauteile sichtlich bemüht um eine formale Schlichtheit, die dem historistischen Stilmix des Originalbaus keine Konkurrenz machen will. Der Beleuchtung der dort ausgestellten Kunstwerke allerdings ist in der Planung durch Ingenieure Bamberger eine besondere Aufmerksamkeit zugekommen. Die Räume in den Obergeschossen des Neubaus erhellt am Tag das indirekte Tageslicht aus nach Nord-Osten gerichteten Shed-Dächern. Dort wie auch in allen anderen Räumen ist die bereits erwähnte LED-Technologie von Osram in vier verschiedenen Varianten, nach der Grundidee des Lichtkünstlers Dietmar Tanterl, zum Einsatz gekommen: als Spot, als Voutenmodul, als Lichtdecke und als Shedmodul. So ist es in den Ausstellungsräumen möglich, ein maßgeschneidertes und möglichst natürliches Licht zu erzeugen, in dem die Kunstwerke am besten zu betrachten sind. Das wäre dann erreicht, wenn unserem Kunstliebhaber Otto gar kein Licht mehr auffallen würde. Wie es ihm bei seinem Museumsbesuch ergangen ist, fragen wir ihn ein andermal.
Das Lenbachhaus besetzt einen markanten Punkt in der Stadt, gleich hinter dem Königsplatz mit dem Ensemble aus Staatlicher Antikensammlung, Propyläen und Glyptothek. (Quelle: Google) Grössere Kartenansicht