Handlungsoptionen für eine soziale Erneuerung der Architektur – Deutschlands Beitrag zur 18. Architekturbiennale

Falk Jaeger
15. 2月 2023
Franziska Gödicke, Anh-Linh Ngo, Petter Krag, Juliane Greb, Anne Femmer, Melissa Makele, Christian Hiller und Florian Summa (von links nach rechts) gestalten Deutschlands Beitrag zur 18. Architekturbiennale von Venedig. Die nächste Ausgabe der wichtigsten Architekturausstellung der Welt wird am 20. Mai eröffnet und dauert bis zum 26. November. Eine Expertenkommission unter dem Vorsitz von Peter Cachola Schmal, Direktor des Deutschen Architekturmuseums, hat den Beitrag «Open for Maintenance / Wegen Umbau geöffnet» ausgewählt. (Foto: © Schnepp Renou)

Eine reine Leistungsschau der Architekten mit Starrummel ist die Architekturbiennale von Venedig schon lange nicht mehr. Seit einigen Jahren geht es nicht mehr um Villen und Wolkenkratzer, sondern um Konzepte zur Rettung der Welt – zumindest in den Pavillons jener Nationen, die sich als Vorreiter bei der Entwicklung einer zukunftsfähigen Baukultur sehen, Deutschland zum Beispiel. So auch bei der 18. Ausgabe der Schau, die im Mai beginnt: Den Kuratoren des deutschen Beitrags, dem Redaktionsteam der renommierten Architekturzeitschrift ARCH+ um Chefredaktor Anh-Linh Ngo sowie den Architekt*innen des Leipziger Büros SUMMACUMFEMMER um Anne Femmer und des Büros Juliane Greb, geht es um «die ressourcenschonenden, jedoch arbeitsintensiven Prinzipien von Wiederverwendung und Zirkularität».

Und da ökologische Nachhaltigkeit untrennbar mit der sozialen Frage verbunden sei, wirft man auch einen Blick zurück auf die Instand(be)setzerszene im Berlin der 1970er- und 1980er-Jahre als soziale Praxis, die zur erfolgreichen Strategie der behutsamen Stadterneuerung geführt hat. Instandbesetzen will man auch den Pavillon, den man von der Kunstbiennale samt Maria Eichhorns bauarchäologischer Arbeit «Relocating a Structure» im entkernten Zustand unverändert übernimmt.

Materialfragmente der Kunstbiennale des vergangenen Jahres lagern bereits im Portikus des Deutschen Pavillons. (Foto: © ARCH+ | SUMMACUMFEMMER | Büro Juliane Greb)
Foto: © ARCH+ | SUMMACUMFEMMER | Büro Juliane Greb 

«Open for Maintenance / Wegen Umbau geöffnet» wird der deutsche Beitrag heissen. Während sich der Pavillon bei der letzten Architekturbiennale weiss und leer präsentierte und seine Inhalte über Videos vermittelte, wird er diesmal vollgeräumt – mit Abbruchmaterial aus den Pavillons der Kunstbiennale des Vorjahres. «Die Integration von ‹Spolien› der vorangegangenen Biennale als Teil neuer Materialassemblagen schafft überraschende Bedeutungszusammenhänge», heisst es dazu. Der praxisnahe Ansatz zeige «lustvoll Handlungsoptionen auf, die alternative Gestaltungsmöglichkeiten für die Architektur eröffnen und damit auch zu ihrer sozialen Erneuerung beitragen können». Es wird wohl viel gebastelt werden, doch was schlussendlich im Einzelnen zu sehen sein wird, steht noch nicht fest oder wird zumindest noch nicht verraten. 

Es wird wie üblich ein umfangreiches Begleitprogramm geben, zum Beispiel plant das Goethe-Institut (das in 98 Ländern tätige Kulturinstitut der Bundesrepublik) «performative Projekte». Man will aber auch, und das ist neu, in die Stadt hineinwirken, in der Hunderte von Wohnungen leer stehen und das Alltagsleben immer mehr verschwindet. Mit dem Werkstattprogramm «Maintenance 1:1» soll den lokalen sozialen Initiativen und gemeinwohlorientierten Netzwerken eine aktive Plattform geboten werden. In Zusammenarbeit mit Studierenden und Auszubildenden werden sie die soziale und lokale Dimension des Rezyklierens und Reparierens greifbar machen.

Foto: © ARCH+ | SUMMACUMFEMMER | Büro Juliane Greb

Übrigens hat die Kuratorin der Biennale, Lesley Lokko, ein ganz spezielles Anliegen. «Afrika ist das Labor der Zukunft. Wir sind der jüngste Kontinent der Welt, der Kontinent, der sich am schnellsten urbanisiert», begründet sie ihr Programm, das sich auf ihren Heimatkontinent konzentriert. «Dieses rasche und weitgehend ungeplante Wachstum geht im Allgemeinen auf Kosten der lokalen Umwelt und der Ökosysteme, wodurch wir sowohl auf regionaler als auch auf planetarischer Ebene zu den Hauptverursachern des Klimawandels gehören.» Auch auf dieser Metaebene der Biennale ist das Thema also angekommen.


Im Dezember 2021 wurde Lesley Lokko als Kuratorin der 18. Architekturbiennale von Venedig vorgestellt. Zum Kommentar

An der 17. Architekturbiennale waren 112 Beiträge aus 46 Nationen zu sehen. Zur Berichterstattung

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