Architektur in lebendigen Farben
Falk Jaeger
28. 2月 2024
Heinrich-Heine-Strasse, Berlin, 1993, Öl auf Leinwand (© Sauerbruch Hutton)
«drawing in space» von Sauerbruch Hutton zeigt, wie die Architektur des bekannten deutschen Büros entsteht. Die Ausstellung im Berliner Museum für Architekturzeichnung ist auch eine Zeitreise in Sachen Darstellungsweise.
Diese Ausstellungsbesprechung entstand für unser deutsches Partnermagazin auf German-Architects.com.
So dramatisch waren die Kabinette des Berliner Museums für Architekturzeichnung noch nie zu erleben. Mit dem Zeichnen und Malen von Hand als Kommunikationsmittel für zu bauende Entwürfe geht es dem Ende zu. Papier auf Zeichentischen ist passé, Dateien auf Bildschirmen sind die zeitgemässen Medien. Immerhin, es gibt sie noch, die Architekturzeichnungen von der Hand des Meisters, aber nur als Zeitvertreib, als ein Genre der Kunstausübung.
Die Architektengeneration in den Sechzigern ist jene, die die Entwicklung voll durchlebt hat und ihre Arbeitsweise komplett umkrempeln musste. Skizzen und perspektivische Schaubilder wurden mit mehr oder weniger begabtem Strich von Hand gezeichnet, Pläne am Reissbrett getuscht. In den Zeichensälen war abwechselnd das Klappern der Kügelchen beim Gangbarmachen der Rapidographen oder das Kratzen der Radierklingen zu hören. Später hat man farbige oder strukturierte Folien geklebt und Letraset-Überschriften, Bäume und Autos aufgerubbelt. Bis schliesslich der Computer Einzug hielt, zunächst als Hilfsmittel, dann als vollwertiges parametrisches Entwurfswerkzeug, das Renderings schöner als die Wirklichkeit präsentiert.
GSW Hauptverwaltung, Berlin, 1991, Collage mit Tusche und Transparentpapier (© Sauerbruch Hutton)
Olympische Schwimm- und Radsporthallen, Berlin, 1992, Tusche und farbige Folie (© Sauerbruch Hutton)
Den letzten Schritt des parametrischen Entwerfens (das manche schon mit dem Einsatz von KI verwechseln) sind sie noch nicht gegangen, und Renderings sind nicht zu sehen, in der Ausstellung von Louisa Hutton und Matthias Sauerbruch im Museum der Tchoban Foundation. Doch ansonsten ist die Entwicklung der Architekturdarstellung präsent – von den Studienentwürfen der beiden an der Londoner AA, brav in Tusche oder Aquarell aufs feine Papier gebracht, über Handskizzen am Tablet bis hin zur künstlerischen Collage zum Thema Science Center Experimenta Heilbronn, an dem mehrere Mitarbeiter als CAD-Spezialisten beteiligt waren. Freilich blieb der Rechner hier noch immer Werkzeug – wie Pinsel und Stift.
Wenn Matthias Sauerbruch und Louisa Hutton zu einer solchen Ausstellung eingeladen werden, dann sicherlich, weil sie einen ganz eigenen, unverwechselbaren Stil geprägt haben. Viele ihrer Projekte haben sie mittels dieser ikonischen Skizzen animiert, die ein wenig an Erich Mendelsohns Kohlezeichnungen aus dem Schützengraben erinnern. Winzige Bilder (er hatte nur wenig Papier zur Verfügung) mit wenigen dicken Strichen, die dynamische Projekte andeuten. Die dargestellte Bewegung wird durch eine Verzerrung wie beim Blick durch ein Weitwinkel- oder Fischaugeobjektiv verstärkt.
Photonikzentrum, Berlin, 1995, Kohlestift und farbige Folie (© Sauerbruch Hutton)
Kinetik, Boulogne-Billancourt, 2012, Kunstdruck (© Sauerbruch Hutton)
Diese Verzerrung gibt es auch bei Sauerbruch Hutton, und auch sie vergrösserten kleine Formate um ein Vielfaches. «Haiku-Zeichnungen» nennen sie es in Anlehnung an die japanischen, vieles nur andeutenden Kurzgedichte, wenn sie untersuchen, mit wie wenig Details man auskommen kann, um die gewünschte Aussage zu treffen. Wichtig sind dabei auch die Farbflächen, die wie geklebte Folien aussehen und nie so ganz präzise mit den Umrissen übereinstimmen.
Neben den unterschiedlichen ästhetischen Erfahrungen erlebt man ganz nebenbei eine Tour d’Horizon durch 35 Jahre Gesamtwerk der beiden vom Berliner GSW-Hochhaus (1990–1999) – noch immer das schönste Hochhaus der Stadt – über die Feuerwehr am Kanzleramt und das Photonikzentrum, die KfW in Frankfurt, die Sammlung Brandhorst in München und jüngst das grossartige Museum M9 in Venedig, das zugleich deutlich macht, wie man ein solches Projekt denkmalpflegerisch-gestalterisch und stadtstrukturell in eine vorgegebene Situation einbindet.
Blick in die Ausstellung (Foto: Jan Bitter)
Natürlich geht es auch um Farben, denn die Fassaden der Projekte aus dem Büro zeigen mit ihren Glas-, Keramik- oder Aluminiumtafeln meist ein intensives Farbspiel, zuweilen – je nach Bewegung der Passanten – changierend zu erleben. Und wieder denkt man an Mendelsohn, der in den 1920er-Jahren Fassaden unter dem Gesichtspunkt gestaltete, dass man sie – dem neuen rasanten Zeitgefühl entsprechend – aus der Bewegung erleben sollte, etwa bei der Vorüberfahrt mit dem Automobil. Diese unterschiedlichen Ansichten und Farbverläufe auf «vierdimensionalen Zeichnungen» (mit Zeitfaktor) auf ein und demselben Blatt darzustellen, ist eine Obsession der Architekten, die weitab von der technischen Zweckzeichnung in den künstlerischen Raum führt.
Schliesslich sind noch experimentelle Zeichnung zu sehen, bei denen es darum ging, die Wahrnehmung von Räumen durch Farben zu verändern, und darum, wie es gelingen kann, den Beschauer zu täuschen und zu verwirren. Eine Videoinstallation im oberen Raum des Museums konfrontiert den Besucher mit seiner eigenen Gegenwart und Bewegung innerhalb eines solchen Farbraums. Am 22. März wird das Design des Raumes im Rahmen einer Veranstaltung nochmals ausgetauscht. Dann wird auch der Ausstellungskatalog zur Verfügung stehen, in dem die Installation ganz aktuell schon enthalten sein wird.
Die Ausstellung in der Tchoban Foundation (Christinenstrasse 18a, 10119 Berlin) ist noch bis zum 5. Mai dieses Jahres zu sehen. Mehr Informationen