Marta Maccaglia erhält den ersten divia award
Katinka Corts
9. maggio 2023
Marta Maccaglia stammt aus Italien. Sie kam ursprünglich nach Peru, um als Erzieherin zu arbeiten. Schliesslich baute sie dort den gemeinnützigen Verein Semillas auf, mit dem sie Architekturprojekte zum Wohle der Allgemeinheit realisiert. (Foto: Eleazar Cuadros)
Mit der von ihr gegründeten Asociación Semillas errichtet Marta Maccaglia Bildungsbauten im peruanischen Amazonasgebiet. Unter Beteiligung der lokalen Bevölkerung entstehen etwa Schulen in Siedlungen nahe Lima.
Dieser Beitrag wurde von german-architects.com übernommen.
Die deutsche Plattform Diversity in Architecture (divia) möchte Frauen und deren Leistungen in Architektur und Städtebau mehr Sichtbarkeit verschaffen. Dazu wurde ein internationaler Architekturpreis speziell für Frauen lanciert, der jüngst zum ersten Mal vergeben wurde.
Wie etliche Stiftungen, Firmen, Architekturbüros und das deutsche Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen unterstützt auch World-Architects dieses Vorhaben.
Als Marta Maccaglia (*1983) unmittelbar nach dem Studium im Rahmen eines Programms der italienischen Regierung nach Peru reiste, wollte sie dort eigentlich als Erzieherin arbeiten. Doch vor Ort fand sie eine verfallene Kindertagesstätte vor. Sie entschied sich, in dem südamerikanischen Land zu bleiben. Mit einer lokalen NRO baute sie das Gebäude wieder auf. Dass der später von Marta Maccaglia gegründete gemeinnützige Verein Semillas heisst, also «Samen» auf Deutsch, ist treffend. Denn 2014 gegründet und heute in Lima, Junín sowie Cajamarca ansässig, setzt dieser sich für den Zugang zu Bildung und für öffentliche Infrastruktur ein. In den armen Regionen Perus sind beide längst keine Selbstverständlichkeit.
«Für mich ist Bildung das wichtigste Instrument für Freiheit. Wenn wir eine bessere Gesellschaft wollen, brauchen wir eine gebildete Bevölkerung.»
Mit dem Verein Semillas ist die studierte Innenarchitektin und Ausstellungsdesignerin diesem Ansatz bis heute treu geblieben: Das interdisziplinäre Team aus nationalen und internationalen Fachleuten – darunter Architekt*innen, Spezialist*innen für kooperative Projekte, Bauherrschaften und Handwerker*innen – hat in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Schulen und öffentliche Einrichtungen im peruanischen Dschungel gebaut, 13 Projekte wurden insgesamt erfolgreich abgeschlossen.
Marta Maccaglia hat in ihren mehr als zehn Jahren Arbeit in Peru die Gebiete, Kulturen und Architekturen des Landes erforscht und lehrt seit 2015 zusätzlich an der Universidad de Ciencias y Artes de América Latina (UCAL).
Der Kindergarten von Alto Anapati in Peru wurde 2020 fertiggestellt. (Foto: Eleazar Cuadros)
«Es ist jedoch wichtig zu erwähnen, dass unsere Schritt-für-Schritt-Methode nur ein Leitfaden ist, den wir bei jedem Projekt sorgfältig anpassen. Es ist ein ständiger Prozess – wir müssen uns von unseren eigenen Vorurteilen befreien.»
Problematisch sei, so Marta Maccaglia, dass die peruanische Regierung versuche, das Land politisch zu vereinheitlichen, und es dabei versäume, die indigenen Gemeinschaften der Mikroregionen mit ihren zahlreichen Sprachen einzubeziehen. Man wolle europäisch-modern bauen, was der peruanischen Mentalität aber eigentlich gar nicht entspreche. Die Planer*innen von Semillas arbeiten hingegen mit einem partizipativen Ansatz, sie wollen diese Vielfalt respektieren und den kulturellen Reichtum sowie das Wissen der Menschen einbeziehen.
«Sobald die Menschen vor Ort verstanden hatten, dass wir keine wirtschaftlichen Interessen haben, begannen sie, uns zu vertrauen. Ich bin keine wohltätige Italienerin – wir tauschen Wissen aus und profitieren von diesen Erfahrungen, weil wir etwas über ihre Kultur lernen und sie etwas über unsere.»
Kindergarten, Alto Anapati (Foto: Eleazar Cuadros)
Schulbauten sind für Marta Maccaglia wichtige öffentliche Gebäude in ländlichen Gemeinden – weil oft die einzigen. Entstehen Bauten in einem gemeinsamen Prozess, fördert das den Austausch und das Verständnis in einer Gemeinschaft. Zudem gilt es, jahrtausendealtes Wissen zu bewahren und anhand von Analysen den Boden, die Menschen und ihre Geschichte zu erforschen. Auch künftig möchte Marta Maccaglia Projekte in Peru und im Ausland entwickeln, die der Gemeinschaft dienen. Wichtig findet sie aber auch, Einfluss auf die Wohnungspolitik zu nehmen und über die internationale Zusammenarbeit mit Universitäten Multiplikatoreffekte zu erreichen.
Kindergarten, Alto Anapati (Foto: Eleazar Cuadros)
«Wir haben Marta Maccaglia als Preisträgerin ausgewählt, weil wir von der Beständigkeit ihrer architektonischen Haltung bei ihren Projekten beeindruckt waren, die von kleinen bis hin zu grossen Projekten reicht, wobei jedes Projekt auch die lokale Kultur und die Besonderheiten des Ortes widerspiegelt.»
Die Jury des divia awards, die aus fünf Finalistinnen eine Siegerin zu küren hatte, entschied sich für Marta Maccaglia als erste Gewinnerin des Architekturpreises speziell für Frauen. «Bei ihrer Arbeit in unterversorgten Gegenden schafft sie Gebäude, die mit einem grosszügigen Geist, einem humanistischen Ansatz und einer mutigen Haltung auf die dynamischen Bedürfnisse der Gemeinschaft reagieren können», heisst es in der Begründung. Sie sei zudem, seit sie nach Peru gekommen ist, ein gleichberechtigter Teil ihrer Wahlheimat geworden. In einer Ausstellung im Berliner Architekturforum Aedes wird nun Maccaglias Arbeit sowie jene aller fünf Finalistinnen gewürdigt.
divia award 2023
Ursula Schwitalla, Christiane Fath (Hrsg.)
Diversity in Architecture e. V.
220 x 290 Millimeter
92 Pagine
160 Illustrations
Hardcover
ISBN 978-3-7757-5525-2
Hatje Cantz Verlag
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