Sportliche Ambitionen
Burkard Meyer Architekten
26. gennaio 2023
Der Wohnturm des Sportzentrums Kerenzerberg ist weithin sichtbar. Das Ensemble liegt hoch über dem Walensee auf einem Plateau. (Foto: Roger Frei)
Im Glarnerland haben Burkard Meyer Architekten das Sportzentrum Kerenzerberg erweitert. Oliver Dufner erklärt, wie die Neubauten die zweitgrösste Anlage für Breiten- und Profisport der Schweiz fit für die Zukunft machen.
Herr Dufner, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Die Gesamtkomposition des 1971 eingeweihten Sport- und Kurszentrums Kerenzerberg (SZK) war über die Jahrzehnte organisch gewachsen und litt in gewissen Bereichen an funktionalen Mängeln. Auch fehlte es zuweilen an den nötigen Kapazitäten. Zudem war der Ort von einer zergliederten Architektur geprägt, deren Ganzheit etwas Zufälliges an sich hatte. Eine besondere Herausforderung war daher der Umgang mit dem Bestand. Unser erklärtes Ziel bestand darin, die Anlage neu zu prägen, nachhaltig weiterzuentwickeln und zu ordnen. Darum haben wir die fünf neuen Bauten nicht wie an einer Perlenkette dem Hang entlang aufgereiht, was durchaus naheliegend gewesen wäre, sondern konzentrierten sie im Zentrum der bestehenden Anlage.
Die Neubauten sind kompakt im Herzen der bestehenden Anlage angeordnet. So ist eine Verdichtung des Ensembles gelungen. (Foto: Roger Frei)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Unser erster Eindruck nach einer Begehung war, dass man sich im SZK eigentlich immer im Untergrund von Gebäude zu Gebäude bewegt, meist in einem unattraktiven Gang ohne Tageslichtbezug. Uns fiel weiterhin auf, dass die einzelnen Anlagen viel zu weit auseinanderliegen. Es war uns jedoch klar, dass eben dieser Gang sehr wichtig für die Verbindung der einzelnen Gebäude ist. Zudem wollten wir die Anlage räumlich verdichten.
Ein wesentliches Element der ganzen Neuordnung ist darum der im ersten Untergeschoss gelegene zentrale Erschliessungsraum, der die Gebäude des Bestands mit den neuen Bauten verbindet. Das Unterkunftsgebäude bildet dabei das Zentrum. Das Erdgeschoss ist dort mit dem Untergeschoss über eine geschwungene Treppe verknüpft. Zusammen mit den vier Tiefhöfen und einem grosszügigen Oberlicht entlang einer Turnhalle entsteht eine attraktive «Unterwelt», die weit mehr ist als nur die Verbindung der Bauten. Sie dient vielmehr dem Aufenthalt und als Ort des Austauschs zwischen den Sportler*innen. Neu ist es möglich, vom Hallenbad über das Restaurant durch den zentralen, gut belichteten Gang bis zu den peripher gelegenen Turnhallen und Aussensportbereichen zu gelangen.
Zeichenhafte Architektur: Die Dreifachsporthalle trifft auf das neungeschossige Unterkunftsgebäude. (Foto: Roger Frei)
Eine Investition in die Zukunft stellt die grosse Sporthalle dar. Sie ist ein wichtiger Schauplatz der kantonalen Sportförderung. (Foto: Roger Frei)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Gelegen auf einem Plateau hoch über dem Walensee und eingerahmt von den steil aufragenden Glarner Berggipfeln, ist das Sportzentrum seit seiner Gründung mit dem wachsenden Angebot an Sportarten baulich immer wieder ergänzt worden. Mit unseren Neubauten möchten wir die Geschichte weiterschreiben: Neben der hangseitig angeordneten Dreifachsporthalle ist es vor allem der neungeschossige, senkrecht zum Hang gestellte Unterkunftstrakt, der die Anlage funktional und räumlich neu ordnet. Mit dem hoch aufragenden und durchaus dominanten Wohnturm ist eine zeichenhafte bauliche Mitte entstanden, welche die Institution SZK weithin sichtbar macht. Zudem ist der Bau als Kontrapunkt zu den Sporthallen zu verstehen, die als flache grossmassstäbliche Baukörper mit dem Terrain verschmelzen.
Ein langer Gang bildet die Verbindung zum Unterkunftsgebäude. Viele Sichtbezüge machen diesen Erschliessungsraum zu einem Ort, an dem man gerne verweilt. (Foto: Roger Frei)
Eine geschwungene Treppe verbindet im Unterkunftsgebäude das Erdgeschoss mit dem Untergeschoss. (Foto: Roger Frei)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?
Uns interessierte die Herausforderung, unsere Erfahrung aus anderen Sportbauten auf das Sportzentrum Kerenzerberg anzuwenden und so einen Ort, der bisher durch eine nicht zusammenhängende Architektur geprägt war, weiterzuentwickeln. Aber es sind auch Parallelen vorhanden zur Berufsschule in Baden (2002–2006). Auch dort galt es, auf die Topografie einer Hanglage einzugehen und Alt und Neu zu einem Ganzen zu verschleifen. So wie sich dort die neue Schule in eine bestehende Industrieanlage des Energie- und Automatisierungstechnikkonzerns ABB eingliedert, verbinden sich auf dem Kerenzerberg die Gebäudeteile mit der Landschaft zu einem vielschichtig erlebbaren Ensemble.
Warmes Holz: Die Zimmer des Wohnturmes sind als vorgefertigte Module direkt in die selbsttragende Hülle aus Ortbeton eingebaut. (Foto: Roger Frei)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?
Wir wählten für den Wohnturm eine Holz-Modulbauweise, bei der die vorgefertigten Zimmer in die Betonhülle des Turmes eingelassen wurden. Wir fragten uns, wie man Handwerk im Hinblick auf eine Vorfabrikation fernab der Baustelle partiell industrialisieren kann. Stichwörter wie Präzision und Geschwindigkeit spielen dabei eine grosse Rolle. Die ausführende Firma ERNE Holzbau hat im Modulbau viel Erfahrung. Zusammen mit uns entwickelte sie das Projekt zur Ausführungsreife weiter.
Der Betonbau ist quasi die Schutzhülle, die sich um die Zimmer schmiegt. Vollständig vorfabrizierte Wohnmodule aus verleimten Brettsperrholztafeln und innenseitig angebrachten Dreischichtplatten wurden mit einem Kran in die selbsttragende Fassade hineingestellt. Dies war überaus effizient: Der Einbau aller 77 Einheiten samt 171 Betten – 27 mehr als zuvor – ging innerhalb von nur drei Wochen über die Bühne.
Beton war bis anhin gleichsam die dominante Stimme im Chor der Materialien und bleibt es auch weiterhin. Wir haben die von Betonelementen geprägte Sprache des Bestands durch vor Ort gegossenen Beton ergänzt. Fensterelemente mit kräftigen Metalleinfassungen ergänzen den Betonbau zu einem neuen Ganzen. So haben wir versucht, die bestehende Formen- und Materialsprache aufzunehmen und zeitgemäss weiterzuentwickeln.
Situation
Grundriss 1. Untergeschoss
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss 1. Obergeschoss
Schnitt 1
Schnitt 2
Sportzentrum Kerenzerberg
Standort
Panoramastrasse 8, 8757 Filzbach
Nutzung
Sportzentrum
Auftragsart
Wettbewerb
Bauherrschaft
Sportamt Kanton Zürich, c/o Hochbauamt Kanton Zürich
Architektur
Burkard Meyer Architekten BSA, Baden
Verantwortlicher Partner: Oliver Dufner
Gesamtprojektleiter: Urs Riniker
Beteiligte Mitarbeiter*innen: Gernot Westfeld, Werner Knecht, Isabel Baquero Cruz, Lea Meier, Alissa Semadeni und Iwan Salzmann
Bauleitung
Güttinger Baumanagement AG, Glarus (GL)
Hanspeter Blunschi und Urs Güttinger
Fertigstellung
2021
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 49 Mio.
Gebäudekosten BKP 2
CHF 42,03 Mio.
Gebäudevolumen
53'422 m3
Kubikmeterpreis
787 CHF / m3
Energiestandard
Minergie
Kunst am Bau
Nic Hess’ Arbeit «All Inclusive» erstreckt sich über die zwei Räume des Restaurants «Sportpanorama». Stilisierte Figuren, die als Klebefolien aufgebracht wurden, symbolisieren dabei einzelne Sportarten wie Hochsprung, Bowling oder Gewichtheben.
Massgeblich beteiligte Unternehmer
Landschaftsarchitektur: Vogt Landschaftsarchitekten, Zürich
Bauingenieur: Synaxis AG, Zürich
Elektroingenieur: HKG Engineering AG, Rotkreuz
HLKS-Planer: Kalt + Halbeisen Ingenieurbüro AG, Zürich
Brandschutzplaner: ProteQ GmbH, Schaffhausen
Bauphysik: Wichser Akustik & Bauphysik, Zürich
Signaletik: HinderSchlatterFeuz Grafik, Zürich
Auszeichnung
Best Architects 2023
Fotos
Roger Frei, Zürich