Atmosphären gestalten
Lanzrein+Partner Architekten
18. luglio 2019
Warteraum mit alter Betondecke, neuen Eichenholzfurnier-Lamellen und Servicekern aus zementgebundenen Spanplatten (Foto: SQWER AG)
Lanzrein+Partner Architekten haben ins Burgzentrum Thun, ein Bürobau aus den 1970er-Jahren, eine unkonventionelle Arztpraxis eingebaut. Bruno Stettler und Daniel C. Suter stellen sich unseren Fragen.
Ort Burgstrasse 18, 3600, Thun BE
Auftragsart Direktauftrag
Bauherrschaft Markus Zeller und Andreas Meier, Psychiatrie und Psychotherapie, Thun
Architektur Lanzrein+Partner Architekten AG, Thun: Daniel C. Suter, Bruno Stettler, Markus Frutiger, Rachel Klein, Thomas Baumann, Stefan Pritz, Sabrina Spreng
Fachplaner Akustik: Gartenmann Engineering AG, Bern | HLKS-Ingenieur: H + K Planungs AG, Thun
Jahr der Fertigstellung 2018
Gebäudekosten CHF 0,6 Mio.
Kunst am Bau Deborah Zimmermann, Thun: «Pusteblume» ist ein Empfangsbild auf Glas.
Massgeblich beteiligte Unternehmer Fenster: Jampen Söhne AG, Seftigen BE | Gipser und Maler: Peter Spring AG, Thun-Gwatt | Schreiner: Oesch Innenausbau AG, Steffisburg BE
Fotos SQWER AG, Thun
Das Ziel und in gleichem Masse die Herausforderung war, in einen Bürokomplex aus den 1970er-Jahren eine Gemeinschaftspraxis für Psychiatrie und Psychotherapie einzubauen, die keine typische Praxis- oder Klinik-Atmosphäre ausstrahlen sollte. Die bestehenden Büroräumlichkeiten wiesen abgehängte Decken auf, die Standardweiss verputzt waren wie die Wände, über denen durchgehenden, zwingend zu erhaltenden Lüftungsleitungen verlaufen. Deshalb betrug die Raumhöhe nur knapp 2,3 Meter. Es ging darum, durch den Umbau Grosszügigkeit und einen neuen, stimmigen architektonischen Ausdruck für die neue Nutzung zu finden.
Empfang mit Pusteblumen-Bild von Deborah Zimmermann (Foto: SQWER AG)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?Auf Reisen inspirieren uns oft Räume, die unfertig wirken, in denen man sich fast noch auf der Baustelle wähnt und glaubt, allen Ecken und Kanten die Geschichte des jeweiligen Gebäudes ablesen zu können. Wir haben uns vorgestellt, dass sich Menschen, die selbst mit einer inneren «Baustelle» ankommen, in einem unfertigen Empfangsraum vielleicht entspannter auf eine Behandlungssitzung vorbereiten können. Unsere Bauherren fanden diesen Gedanken spannend und wollten dieses Konzept im Empfangs- und Warteraum umsetzen. Heute, nach einem halben Jahr Betrieb, schätzen sie aus therapeutischer Sicht zudem, dass die Räume bei ihren Patient*innen stets Emotionen evozieren. Bei den meisten sind es freudige («Endlich keine Klinik-Atmosphäre mehr!»), bei andern aber auch ablehnende Gefühle («Das müssen Sie aber noch fertig bauen!»).
Das folierte Glas mit zwei Pusteblumen beim Empfang entstand aus der Notwendigkeit heraus, für das Sekretariat sowohl Aussicht und Lichteinfall als auch Sichtschutz sicherzustellen. Das Motiv der Pusteblumen bildet verschiedene Themen wie Vergänglichkeit, Loslassen, aber auch Neuanfang ab. Die Idee dazu stammt von Rachel Klein, einer ehemaligen Mitarbeiterin unseres Büros. Deborah Zimmermann, eine begabte Hochbauzeichnerin und frühere Arbeitskollegin von Bruno Stettler, hat das Bild für uns gemalt.
Zugang zu den Behandlungsräumen und dem Pausenraum (Foto: SQWER AG)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?Die Bausubstanz des 1970er-Jahre-Gebäudes wurde unverändert erhalten und im Empfangs- und Warteraum weitgehend freigelegt. Dadurch werden die Spuren der Vergangenheit erlebbar mit allem, was zum Bauen und zu modernen Gebäuden dazugehört: Beton- und Grundputzflächen mit Baustellennotizen, Flickstellen im Unterlagsboden, das «Nervensystem» des Hauses mit seinen Leitungen für Wasser, Heizung, Strom, Lüftung und Klimageräte sowie verschiedene Schichten aus Gips, Holz, Blech und Glas. In den Behandlungsräumen ändert sich dann die Stimmung: Sie wird dank Parkett und Einbauten aus Eichenholz, leicht abgedunkeltem Verputz und Leinenvorhängen persönlicher, geborgener und wohnlicher.
Behandlungsraum mit Eichenparkett und leicht abgedunkelten, erdfarbenen Wänden (Foto: SQWER AG)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?Die Bauherren erwähnten mehrmals, dass sie die bestehenden Lüftungsleitungen schön fänden. So entschieden wir uns gemeinsam dafür, nicht alles zu verkleiden. Dies erforderte auch etwas Mut – man kann sich das Resultat nicht so einfach mit einer Visualisierung vor Augen und führen und sagen, wie es genau wird. Mehr als einmal haben wir auf der Baustelle innegehalten und unser Konzept hinterfragt. Doch wir sind heute froh, es konsequent umgesetzt zu haben. Die positiven Rückmeldungen der Fachärzte bestätigen, dass sich ein gewisses Risiko und eine unkonventionelle Architektur lohnen.
Alte Betondecke, Verputzreste und neue Lamellen aus Eichenholzfurnier (Foto: SQWER AG)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?Neben den belassenen Materialien haben wir im Empfangsbereich mit vertikalen Lamellen aus furniertem Eichenholz für die Trennwände und zementgebundenen Spanplatten für den Servicekern gearbeitet. In den Behandlungsräumen macht die Kombination von Eichenholz, erdfarben gestrichenem Verputz und den sanft-violetten Leinenvorhängen die angenehme Raumstimmung aus – dort fühlen sich übrigens bis jetzt, laut unseren Bauherren, alle Patient*innen wohl.