Salvisberg-Pilgerstätte

Manuel Pestalozzi
21. junio 2016
Bild: maipo.net

Architekturwallfahrt nach Piesteritz? Eine solche unternahmen Männer und Frauen aus dem bayrischen Garching anlässlich ihrer Gemeindereise durch neue Bundesländer. Und prompt wurde der Redaktor im Internet auf diese an sich banale Mitteilung aufmerksam. Neben Namen wie Johann Sebastian Bach, Felix, Mendelssohn Bartholdy, Richard Wagner, Robert Schumann und Edvard Grieg in der Station Musikstadt Leipzig tauchte im Artikel plötzlich der Namen Salvisberg auf. Offenbar hatte die von ihm mit entworfene Arbeitersiedlung, «die heute grösste autofreie Wohnsiedlung Deutschlands», ein Ortsteil der Lutherstadt Wittenberg in Sachsen-Anhalt, auf die Reisenden einen besonders grossen Eindruck gemacht.
 
Otto Rudolf Salvisberg war ein unglaublich begabter und produktiver Architekt. Bevor er Berns Uni ausbaute, in Zürich den skulpturalen Fernheizkamin der ETH entwarf und Hausarchitekt des Chemieunternehmens Roche wurde, arbeitete er sich in Berlin zum arrivierten Architekten hoch. So war er an der Siedlung «Onkel Toms Hütte» beteiligt und realisierte die «Weisse Stadt» in Berlin-Reinickendorf, heute ein UNESCO-Welterbe.
 
Die Piesteritzer Werkssiedlung entstand von 1916 bis 1919 als Gartenstadt. Als Architekt nennt de.wikipedia.org neben Salvisberg den eigentlich weit bekannteren Paul Schmitthenner. Gebaut wurde sie für die rund 2000 Beschäftigten des angrenzenden Stickstoffwerks. Die sehr dörflich wirkende Siedung wurde 1986 in die Denkmalliste der DDR aufgenommen und als Expo-Projekt im Jahr 2000 vollständig saniert. Die Siedlung besteht aus 363 Reihenhäusern oder etwas grösseren Einfamilienhäusern. Sie umfasst eine katholische Kirche, ein Rathaus (heute als Gymnasium genutzt), ein Kauf- und Vereinshaus, eine Schule. In einem Damenheim wohnten früher die unverheirateten Sekretärinnen.
 
Wittenberg befindet sich nur ca. 20 Kilometer von Dessau entfernt, ein Besuch der Siedlung sollte sich daher gut mit einem Besuch des Bauhaus kombinieren lassen.

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