Memphis in Basel – der Novartis Pavillon von Michele de Lucchi
Ulf Meyer
18. mayo 2022
Foto © Novartis
Mit dem Bau, der dank einer Medienfassade fröhlich-bunt leuchten kann, beginnt die Öffnung des Novartis-Campus für die Öffentlichkeit. Das verdient Lob. Doch Architektur und Ausstellung ernten zu Recht Kritik.
Als «verbotene Stadt» wird der Novartis-Campus in Basel zuweilen beschrieben, weil das riesige innerstädtische Firmengelände normalerweise für die Öffentlichkeit unzugänglich ist. Zuletzt hatte der Pharmakonzern mit Bauten von Diener & Diener, SANAA und Herzog & de Meuron sein Interesse an der Architektur bewiesen – allerdings vor allem zur Freude der eigenen Mitarbeitenden. Nun steht ein rundes, schillerndes Ausstellungs- und Veranstaltungszentrum vor dem Campus. Es soll das weithin sichtbare Zeichen einer neuen Offenheit sein. Die Lokalpresse wertet das Bauwerk als «Abschied vom Campus-Gedanken und Neustart gegenüber Basel».
Der «Donut» wurde von Michele de Lucchi entworfen und wirkt mit seiner schuppenartigen PV-Fassade aus der Ferne wie eine abgestellte, glänzende koreanische Keramikvase. Erst bei näherem Hinsehen zeigen sich das feine Diagrid der Fassade und die Details. Der hohle Ring des Gebäudes kann über einen wie eine «promenade architecturale» inszenierten Pfad durch den umliegenden Garten erwandert werden und zeigt erst dann seine Räumlichkeit. De Lucchi, der auch als Designer bekannt ist, hatte im Wettbewerb 6a architects aus London, Shigeru Ban aus Tokyo und Smiljan Radic aus Chile ausgestochen.
Foto © Novartis
Freude an Farben und FormenSein Pavillon wird entlang der Voltastrasse jeden Tag von Tausenden Autofahrern bei der Fahrt in die Stadt wahrgenommen. De Lucchi hat die Fassade aus Metall und Glas mit Photovoltaikzellen und 30000 LED-Leuchten bestückt, die mit Solarstrom betrieben werden. Abends leuchtet die Medienfassade in bunten Farben – eine Erinnerung an die Farb- und Formfreude der Memphis-Designer, zu denen der Entwerfer des Pavillons einst zählte.
Die multimediale Ausstellung «Wonders of Medicine» soll Themen aus der Medizin dem Publikum näherbringen. Im Erdgeschoss befinden sich ein Café, ein Veranstaltungsraum und ein Raum für Schulklassen. Die Ausstellung in der Bel Etage besteht aus vier Themenwelten, die unter anderem den menschlichen Körper, das Gesundheitswesen und die Rolle von Pharmaunternehmen beleuchten. Als Auftakt des Rundgangs im Obergeschoss dient ein Filmsaal im Mezzanine. Die Ausstellung richtet sich an ein Publikum ab zwölf Jahren und wurde gemeinsam vom Atelier Brückner aus Stuttgart und dem Basler Studio für mediale Architekturen iArt entworfen. Besucher*innen werden mit Audiogeräten durch die Ausstellung begleitet.
Foto © Novartis
Lobenswerte Öffnung und berechtigte KritikWichtiger als der bunte Pavillon selbst ist die Öffnung der «verbotenen Stadt» des Pharmakonzerns, die nun begonnen hat: In der ersten Phase wurden Start-ups, Inkubatoren, Institute, Unternehmen und Partner auf dem Gelände angesiedelt. In der zweiten Phase wird der Campus – zumindest während der Arbeitszeiten – endlich für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
In Basel wurde Kritik an dem Entwurf artikuliert, sowohl in der Tags- und Fachpresse als auch in der Architektenschaft. Das Gebäude wurde als «Marketingarchitektur» und «Fremdkörper» tituliert. Auch eine «absurde Blüte falsch verstandener Nachhaltigkeit und Technologiegläubigkeit» wurde es geheissen. All dies ist wahr. In das Milieu der streng-eleganten Basler Architektur passt der bunte, schillernde Bau aus Italien tatsächlich nur schwerlich.
Allerdings nutzten die ungleich feineren Bauten nebenan von SANAA aus Tokyo oder den Lokalmatadoren Herzog & de Meuron bisher Architekturliebhabern noch weniger, weil die Preziosen «hinter Gittern» waren. Problematischer als die Architektur ist eigentlich die Ausstellung, die, wie erwähnt, mit «Wonders of Medicine» übertitelt ist. Ein Wunder ist die Medizin ganz sicher nicht, sondern das Resultat von Forschung und Wissenschaft. Und die Corona-Pandemie hat zuletzt, aber nicht zuerst gezeigt, welche wichtigen Aspekte zu präsentieren und diskutieren wären, die nicht von Konzerninteressen geleitet sein sollten.