Lass es uns mit der Bronzezeit probieren
Ulf Meyer
27. mayo 2020
Die Fassade des Teehauses soll aus karbonisiertem Holz bestehen. Die ersten Versuche fanden schon Ende 2019 erfolgreich statt. (Foto © Stiftung Insel Hombroich)
Die deutsche Stiftung Insel Hombroich zeigt ab September 2020 die erste monographische Ausstellung über den japanischen Architekten Terunobu Fujimori. Auf dem Areal der ehemaligen NATO-Basis bei Neuss entsteht ein Teehaus nach seinen Plänen.
Der Architekt und Theoretiker Terunobu Fujimori bestimmt die japanische Architektur derzeit mit. Er ist kenntnisreich, charmant, aber auch eigenwillig. In Deutschland wird sein Architekturverständnis bald erstmals umfassend präsentiert: In der Architekturabteilung des Museums Insel Hombroich wird mit «Terunobu Fujimori. Ein Stein Teehaus und andere Architekturen» die erste monographische Schau zum Werk des japanischen Exzentrikers eingeweiht. Die Stiftung Insel Hombroich errichtet rechtzeitig ein aufgeständertes Teehaus auf der ehemalige NATO-Raketenstation südlich von Neuss, Deutschlands wohl aufregendstem Kunst-Ort.
Aus seinem Interesse an historischer und prä-historischer Architektur in Japan ist Fujimori zu dem Schluss gekommen, dass man die Moderne einstampfen und es mit der Architektur der Bronzezeit noch einmal versuchen sollte. Seine klobigen Teehäuser und Gebäude sehen aus wie aus einem Fred-Feuerstein-Film, gemischt mit Asterix-, Ghibli- und Schlumpfhausen-Elementen. Schon in der epochalen, von Fujimori erdachten Ausstellung «Japan in Architecture» hatte er sein Vorbild für das Teehaus in Hombroich nachbilden lassen – das «Tai-an Cha-chitsu» von Sen no Rikyu, dem prägenden Teemeister des 16. Jahrhunderts. Dieser Teeraum, nur zwei Tatami-Matten gross, gilt als Paradebeispiel der Wabi-Ästhetik.
Einen eleganten Teeraum mit Reisstroh-Matten sollte man in Hombroich allerdings nicht erwarten: Fujimoris Entwurf für das Rheinland sieht vielmehr ein cartoonisch-infantiles Teehaus im Stil der «Yellow Submarine» vor. Fujimori bezeichnet sich selbst als architektonischen «Freestyler». Seine radikale Alternative zur zeitgenössischen Architektur setzt auf traditionelle Techniken und Materialien wie sie genutzt wurden bevor Japan sich in der Meiji-Zeit erstmals dem Westen gegenüber öffnete. Aufbauend auf Arata Isozakis bahnbrechendem Buch «Japan-ness in Architecture» will Fujimori eine Wende in der Baukunst einleiten – weg von einer rationalen und kalten Moderne hin zu einer mysteriösen, «einheimischen» Architektur aus dem Märchenbuch. Vielleicht ist Fujimoris Totalabsage an die Moderne, sein Unbehagen gegenüber der Globalisierung und die unverblümte Romantisierung der Vergangenheit nicht das Werk eines humorvollen Architektur-Rentners ohne eigenes Büro, sondern hoch politisch. Denn sie passt in ein Land mit einer nationalistischen Regierung, das politisch und wirtschaftlich von seinen Nachbarn zunehmend übertrumpft wird und sich zurückzieht. Fujimoris blindes Vertrauen auf die Kraft der vernakulären Baukunst gleicht deshalb einer Übersprungshandlung in einem gnadenlos durchurbanisierten Land wie Japan.
Für den Bau eines Teehauses seien nur zwei Dinge nötig, so Fujimori, nämlich «Geld und Bildung». Zwar ist beides in Hombroich vorhanden, doch passt sein Entwurf in den Kontext der strengen Klinker-Architekturen dort? Stilistisch wohl nicht, aber in seiner Suche nach dem Primitiven. Denn die Rückwärts-Avantgarde, die Fujimori anführt, knüpft an die Sakoku-seisaku genannte Abschliessungspolitik an, die das Tokugawa-Shogunat ab Mitte des 17. Jahrhunderts Japan befahl und damit das Land völlig vom Ausland isolierte. Im Zeitalter der Krise des Multilateralismus würde Fujimori am liebsten in die Jomon- und Yayoi-Zeit zurückgehen – vergleichbar mit dem Vorschlag, in Europa noch einmal bei den Traditionen vor der Römer-Zeit anzusetzen. Fujimori suchte schon bei seinem ersten Bauauftrag für ein regionales Geschichtsmuseum bei Nagano «etwas ausserhalb der Architekturgeschichte». Dieser Ansatz hat eine Entsprechung in der Baugeschichte: Japans berühmtestes Gebäude, der Ise-Schrein, nahm den archaischen und einfachen Baustil, Shinmei-zukuri genannt, vor 2000 Jahren bereits vorweg.
Adresse: Raketenstation Hombroich, 41472 Neuss (Deutschland)