Ersatzneubauten Lüssihof
Upgrade für ein denkmalgeschütztes Zuger Gehöft
Graber Pulver Architekten
23. mayo 2018
Ersatzneubauten und zwei denkmalgeschützte Wohngebäude aus dem 17. Jahrhundert. Bild: Georg Aerni
Graber Pulver Architekten haben kürzlich auf einem denkmalgeschützten Gehöft in Zug zwei Ersatzneubauten erstellt. Thomas Pulver beantwortet unsere Fragen.
Ort Lüssiweg 49/51, 6300 Zug
Nutzung Heizzentrale, Remise (6PP), Büroräumlichkeiten, Schreinerei mit Restaurationsatelier Auftragsart Direktauftrag
Bauherrschaft privat
Architektur Graber Pulver Architekten AG, Zürich | Reto Züger (PL), Raphaël Dunant, Yvonne Urscheler; Leopold Jaegerhuber, Samuel Wüst
Fachplaner Massivbauingenieur: Gruner Berchtold Eicher AG, Zug | Haustechnikplaner: Hans Abicht AG, Zug | Holzbauingenieur/Bauphysiker/Akustiker: Pirmin Jung Ingenieure für Holzbau AG, Rain LU | Verkehrsplaner: Gruner Berchtold Eicher AG, Zug | Elektroplaner: Speri & Bütler AG, Cham ZG
Bauleitung Widmer Partner Baurealisation AG, Zug
Jahr der Fertigstellung 2017
Gesamtkosten BKP 1–9 CHF 3,93 Mio.
Gebäudekosten BKP 2 CHF 3,4 Mio.
Gebäudevolumen 4'300 m3 (SIA 416)
Kubikmeterpreis 786 CHF/m3 Energiestandard Holzschnitzelheizung 150kW und 50kW, Aufdachanlage, 60,4 m2 auf drei Feldern verteilt
Massgeblich beteiligte Unternehmer Baumeister: Landis Bau AG, Zug | Geologie: Dr. von Moos AG, Zürich | Zimmermannsarbeiten: Xaver Keiser AG, Zug | Fenster: Keiser Fensterbau, Oberwil b. Zug ZG | Schreinerarbeiten: Holzatelier Keiser AG, Zug | Plattenbeläge: Sidler Zug AG, Oberwil b. Zug ZG | Maler: Hannes Nussbaumer Malergeschäft, Baar ZG
Fotos Georg Aerni, Zürich
Rhomboide Fensteröffnung am Ateliergebäude. Bild: Georg Aerni
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Im historisch bedeutsamen, längst inventarisierten Ensemble eines Zuger Gehöftes mit zwei denkmalgeschützten Wohngebäuden aus dem 17. Jahrhundert gilt es eine alte Holzremise und eine Militärbaracke aus den 1960er-Jahren zu ersetzen. Um den langfristigen Bestand der Gebäudegruppe zu ermöglichen, werden von Seite der Denkmalpflege Erneuerungen und Änderungen «unter Erhalt von Charakter und Erscheinungsbild des Hofes» gestattet. Der Bauherr benötigt ein neues Schreinereigebäude und beabsichtigt, für die gesamte bzw. auch die benachbarte Gebäudegruppe eine Remise mit der zentralen Holzschnitzelheizung zu erstellen.
Im Vordergrund die Remise mit markantem Betonkamin. Bild: Georg Aerni
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Zwei rhomboide Fensteröffnungen werden präzise in die Giebelseiten des Ateliergebäudes eingeschnitten und blicken wie zwei Augen in die Landschaft des Zugerlandes. Nachts wirken sie wie überdimensionierte Schaufenster und gewähren Einblick in den schiffartigen Dachraum, in welchem zukünftig historische Holzmöbel restauriert und zu neuem Leben erweckt werden sollen. Zweiter wichtiger Baustein bildet die Remise mit dem Betonkamin, der sich aus dem hohen Sockel – in Anlehnung an die erdgeschossigen, weiss getünchten Sockel des Bestandes – in die Vertikale entwickelt. Die Referenz bildet hier das «Ofenhaus», Heizzentrale und prägender Gebäudetyp zahlreicher historischer Gebäudeanlagen.
Markant abgefangener Dachüberstand am Gebäudezwischenraum. Bild: Georg Aerni
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Das historische Ensemble mitten im Grün der Obstwiesen prägt den Entwurfsansatz für die Neubauten wesentlich. Unser Vorschlag reiht die neuen Gebäude unter weit ausladenden Satteldächern – analog zum Bestand – entlang der historischen Verbindungsstrasse zwischen Lüssiweg und Göblistrasse auf. Die Qualität der entstehenden Aussenräume sowohl als Zufahrt wie als Werkplatz für den Schreinereibetrieb ist ebenso wie die gewählte präzise Konstruktion und Detaillierung von Bedeutung.
Blick von der Schreinerei zur Remise. Bild: Georg Aerni
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?
Die Vorgaben waren geprägt von klaren Vorstellungen bezüglich der betrieblichen Abläufe – daraus eine stimmige, angemessene Architektur zu finden, war unser Beitrag. Räumliche Prämisse ist bei beiden Bauten der stützenfreie Dachraum: ein hoher Büro- und Aufenthaltsbereich in der Remise/Heizzentrale, ein mit Dachoblichtern versehenes Restaurationsatelier über der Schreinerei. Aus dieser Vorgabe wird – in enger Zusammenarbeit zwischen Architekt und Holzbauingenieur – die Dachkonstruktion als Zwei-Gelenk-Rahmen mit biegesteifer Firstausbildung entwickelt.
Schiffartiger Dachraum im OG des Holzateliers. Bild: Georg Aerni
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?
Holz in zeitgemässer Konstruktion. Das Holztragwerk besteht aus Dachelementen, Geschossdecken, Unterzügen, tragenden Wandscheiben und Stützen. Dächer und Geschossdecken sind als Scheiben ausgebildet. Diese Scheiben sollen Horizontallasten aus Wind- und Erdbebeneinwirkungen in die aussteifenden Wände einleiten. Die Deckenlasten über den Erdgeschossen werden punktuell über Stützen vertikal abgetragen. Ins Tragwerk integrierte gedämmte Holzrahmenbauwände bilden die Innen- und Aussenwände. Die Holzfassade wird als offene, horizontale Rhomboidschalung in Weisstanne ausgeführt. Die offene Ausführung verlangt eine präzise konstruktiv-entwerferische Konzeption und eine genaue Detailplanung insbesondere im Bereich der Übergänge zu wasserführenden Schichten. Neben Holz sind Beton und Kupfer (für die Spenglerabschlüsse) weitere prägende Materialien.