Richtig gesetzt

Clou Architekt:innen
27. junio 2024
Aus der Ferne zeigt sich, wie die Ökonomiegebäude um das sogenannte «Menzihaus» am Rand des unter Ortsbildschutz stehenden Weilers Lützelsee angeordnet sind. (Foto: Andreas Graber)
Herr Feurer, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Im Bauplatz – ein unglaublich idyllischer Ort mit grossem Potenzial und noch grösseren Hürden: Ortsbildschutz, Bauen im Bestand und ausserhalb der Bauzone, Besucherströme, Waldabstand sowie Natur- und Landschaftsschutz, um nur einige zu nennen. Hinzu kam die für Architekt*innen eher seltene Bauaufgabe respektive Nutzung: Wir mussten uns mit einer Jauchegrube auseinandersetzen, mit einem Hebedrehkran, einem Schwemmkanal und ganz grundsätzlich mit der Laufhofhaltung.

Bemerkenswert war die hohe Bereitschaft der Auftraggebenden, sich zeitgenössischen Bauthemen zu stellen: der Wiederverwendung von Abbruchmaterialien vor Ort, dem Versuch, eine neue Nutzung für alte Bauteile zu finden, oder dem Wagnis, den Prototyp einer PV-Anlage ohne Unterdach zu entwickeln.

Der Neubau mit Satteldach und eingefärbter PV-Anlage integriert sich typologisch und hinsichtlich seines Massstabs sehr gut in die ortstypische Bebauungsstruktur. (Foto: Andreas Graber)
Blick auf den Hofkiosk am neuen Hofplatz, der vom Ensemble gefasst wird. (Foto: Andreas Graber)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Wir haben die umliegende vernakuläre Architektur und die gewachsenen Ortsstrukturen sehr genau studiert, um das passende Volumen mit vertrautem Ausdruck und der richtigen Setzung für diesen sensiblen Ort zu finden. Uns interessierte aber auch, wie ein Objekt von innen und aussen sowie bei Tag und Nacht unterschiedlich wirken kann. Zudem ist bei uns das Material Holz immer wieder Thema. Wir möchten seine Immanenz ausreizen. Kann man mit Holz weben? Welche Formen und Materialverbindungen lässt es zu? Können sich Glas und Holz auf Augenhöhe treffen? Wir orientierten uns an geflochtenen landwirtschaftlichen Erntekörben oder auch an der Stimmung auf Heuböden, wo das Licht durch die zufällig angeordneten Lücken der Fassade in den Innenraum fällt.

Die neue Remise wurde komplett als Holzbau errichtet. (Foto: Andreas Graber)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Von der ersten Sekunde an haben wir den Ort mit seinen Menschen und mit seinen kulturellen Eigenschaften intensiv mit in den Prozess eingebunden. Im Nachhinein hat sich diese Herangehensweise als richtig herausgestellt: Wenn ortsansässige Bekannte plötzlich nicht nur über die neuartige PV-Anlage reden, sondern auch über die gute Setzung, über das Ortsbild oder darüber, dass das Projekt ein Vorbild für weitere Landwirtschaftsbauten sei, dann macht uns das glücklich. Schliesslich wollen wir, dass so über Architektur geredet wird. Neben dem Projekt an sich ist das sicherlich auch das Verdienst der Pächterfamilie, die mit einer unglaublich offenen Art auf die Anwohnerinnen und Anwohner, die Besuchenden, aber auch die beteiligten Unternehmen zugegangen ist, von denen viele aus der Region kommen. Der inhärente Wert der Erweiterung hat sich in der Gegend herumgesprochen. Wir haben schon unzählige reale Likes erhalten!

Blick ins Innere der Remise (Foto: Andreas Graber)
Die semipermeable Hülle der Remise sorgt für eine gute Belichtung und Belüftung. (Foto: Andreas Graber)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Aufgrund aktueller Tendenzen und persönlicher Überzeugungen sind wesentliche Projektänderungen nur aus Überlegungen zur Nachhaltigkeit entstanden. Die Bereitschaft der Bauenden hat uns ermöglicht, diverse Themen innerhalb des Projekts zu erforschen. Beispielsweise wurde das Silo zum Grauwassertank und der alte Schopf zum Werkstattboden; das Gefängnis-WC wurde zur Bauernhof-Toilette umgestaltet. Zu guter Letzt haben wir anstelle eines klassischen Ziegeldaches auf der Remise ein prototypisches, lichtdurchlässiges PV-Dach ohne Unterdach erstellt. In einem Zug sparen und produzieren wir so Strom. Die Ideen für alle diese Änderungen sind im Diskurs mit den beteiligten Personen entstanden und widerspiegeln perfekt, was wir unter interdisziplinärer Zusammenarbeit auf allen Ebenen verstehen. 

Die Remise in der Dämmerung (Foto: Andreas Graber)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Zusätzlich zu unseren grossen Wohnsiedlungen beschäftigen wir uns immer wieder auch intensiv mit kleineren Projekten, um innerhalb unseres Büros einen möglichst grossen Spannungsbogen zu erzeugen. Neben den Ökonomiegebäuden Lützelsee durften wir bereits einen weiteren land- und forstwirtschaftlichen Bau realisieren: die Brennholzlagerhalle Dübendorf, unser Erstlingswerk. Beide Projekte haben Ähnlichkeiten und verwandte Themen: Sie liegen ausserhalb der Bauzone am Rande beliebter Naherholungsgebiete, naturbelassenes Fichtenholz ist jeweils das tragende Element und beide sind mehr als nur reine Funktionsbauten. 

Hier wurde der Bestand umgestaltet: Clou Architekt:innen verlängerten den vorhandenen Stallanbau. (Foto: Andreas Graber)
Schwarzplan (© Clou Architekt:innen)
Grundriss Erdgeschoss (© Clou Architekt:innen)
Grundriss Obergeschoss (© Clou Architekt:innen)
Schnitt (© Clou Architekt:innen)
Nordwestansicht (© Clou Architekt:innen)
Südostansicht (© Clou Architekt:innen)
Bauwerk
Ökonomiegebäude Lützelsee
 
Standort
Lützelsee 2, 8634 Hombrechtikon
 
Nutzung
Landwirtschaftliche Anlage
 
Auftragsart
Planerwahlverfahren
 
Bauherrschaft
Kanton Zürich, Natur- und Heimatschutzfonds, Zürich
Vertreten durch die Baudirektion des Kantons Zürich, Hochbauamt, Baubereich A
 
Architektur
Clou Architekt:innen AG, Zürich
Andreas Feurer, Lukas Wolfensberger, Franziska Lüthi, Adriana Wehle und Jana Bohnenblust
 
Fachplaner
Indermühle Bauingenieure GmbH, Thun
Lukas Baumann AG – Beratender Bauingenieur ETH/SIA, Bremgarten
Brunner Elektro-Engineering GmbH, Bubikon
MD-Plan GmbH, Pfäffikon
TNC Engineering AG, Feldmeilen
 
Fertigstellung
2023
 
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 3.3 Mio.
 
Gebäudekosten BKP 2
CHF 3.1 Mio.
 
Gebäudevolumen
8470 m3
 
Kubikmeterpreis
390 CHF/m3
 
Kunst am Bau
Urs-P. Twellmann, Schlosswil: «transform», Skulptur aus Holzscheiben und Beton
 
Massgeblich beteiligte Unternehmer
Holzbau: wdHOLZBAU AG, Hombrechtikon
Baumeisterarbeiten: Stucki Bauunternehmung AG, Wetzikon
Spenglerarbeiten: Jung & Partner Bauspenglerei AG, Dübendorf   
Elektro: Edwin Kunz AG, Grüningen
PV-Remise: Popp Metallbau AG, Rüti, und Schubiger Energie Dämmtechnik, Uznach
PV-Bestand: ch-Solar AG, Dürnten
Sanitäranlagen: A. Schleh AG, Wetzikon
Jauchegrube: Odermatt Umwelttechnik AG, Niederwil
Hebeeinrichtungen: Kamer Technik GmbH, Bäch
Gipserarbeiten: Soltermann Baut GmbH, Meilen
Stalleinrichtungen: Meier & Hürlimann AG, Mönchaltorf
Metallbau: STOOP METALLBAU AG, Fällanden
Schreinerarbeiten: Holz und Jenes GmbH, Wetzikon
Plattenarbeiten: TreschPlus GmbH, Dübendorf
Malerarbeiten: Martin Ott Malerarbeiten, Dübendorf
Gartenbau: Daniel Witzig Gartenbau, Feldbach
 
Fotos
Andreas Graber, Zürich

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