Der Baum der Architekten
Manuel Pestalozzi
4. May 2016
Bild: Gandiablasco
Er spendet Licht statt Schatten und trägt LED statt Früchte. Der arbol arquitectónico wurde von einem Büro aus Valencia entworfen. Die Bilder zum Architektenbaum sind wunderschön, doch bei näherem Betrachten kommen uns schweizerische Analogien in den Sinn, die nicht wirklich zu dieser luxuriösen Beleuchtung passen wollen.
Der Gestaltungsdrang treibt gelegentlich seltsame Blüten, denken wir uns, die wir einer steten Flut von Meldungen über Innovationen ausgesetzt sind. Frisch daran erinnert hat uns eine Meldung, die aus der iberischen Halbinsel eingetroffen ist. Sie betrifft die «colección BLAU» der Firma Gandiablasco. Diese hat ihren Sitz in Valencia. Dort spricht man Valenciano, eine eigenständige Sprache, die man keinesfalls mit Katalanisch verwechseln sollte. Doch zumindest eines haben die beiden Idiome gemeinsam: Wenn sie ihr Wort «blau» auf Deutsch übersetzen, kommt «blau» heraus.
Gandiablasco stellte ursprünglich Decken her, begann sich anschliessend in Richtung Spannteppiche zu bewegen und ist mittlerweile bei den Gartenmöbeln angelangt. Einher mit dieser Entwicklung ging ein gestalterischer Ehrgeiz: Die Liegestühle, Sessel, Sofas, Tische und Pergolen zeichnen sich durch klare, minimalistische Linien und stereometrische Formen aus. Sie huldigen einer opulenten Version der Villa des International Style, wie sie weltweit in einschlägigen Hochglanzpublikationen gefeiert wird. Die «colección BLAU» möchte in Anlehnung an solchen Residenzen für Komfort unter freiem Himmel sorgen.
Der arbol arquitectónico, Spanisch für architektonischer Baum oder, auf Valenciano, arbre arquitectònic, wurde von den Fran Silvestre Arquitectos aus Valencia entworfen. Er ergänzt die «colección BLAU» um eine humoristische Note – auf jeden Fall für diesen Redaktor. Auf ihn wirkt die Imitation eines organischen Gewächses traurig und kümmerlich, selbst wenn Skizzen eines Picasso oder Skulpturen eines Giacometti Pate gestanden haben sollten. Spontan denkt er an einen ruinierten «Stewi», und das scheint ihm zu bewiesen, dass der kulturelle Hintergrund des Betrachters bei aller Internationalität nicht so leicht aus den Augen verloren werden sollte.