Wohnhaus Deitingen
vis-à-vis
luna productions
27. March 2019
Bild: Mark Drotsky
luna productions hat letztes Jahr ein Mehrfamilienhaus in Deitingen bei Solothurn fertiggestellt. Nadja und Lukas Frei stellen sich unseren Fragen.
Ort Hofuhrenstrasse 12, 4543 Deitingen, SO
Auftragsart Direktauftrag
Bauherrschaft privat
Architektur luna productions, Deitingen SO, Nadja und Lukas Frei
Fachplaner spi Planer und Ingenieure AG, Derendingen SO, Studer Gebäudetechnik AG, Feldbrunnen SO
Jahr der Fertigstellung 2018
Massgeblich beteiligte Unternehmer Baumeister: Bernasconi Bau AG, Luterbach SO | Zimmermann: Schärli Holzbau AG, Wangenried BE | Schreiner: Schreinerei Gebr. Frei AG, Deitingen SO
Fotos Mark Drotsky
Bild: Mark Drotsky
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?Aus räumlich architektonischer Sicht war die heterogene, dörfliche Umgebung spannend. Im Quartier gibt es zwar verschiedenste Nutzungen, aber keine Mehrfamilienhäuser. So galt es der Kleinteiligkeit der benachbarten Einfamilienhäusern Rechnung zu tragen und gleichzeitig in einen Dialog mit den benachbarten Gewerbegebäuden einer Schreinerei zu treten.
Die Herausforderung lag darin, der bestehenden Situation und dem Wunsch der Bauherrschaft nach möglichst viel Wohnraum gerecht zu werden. Für uns war nebenbei die direkte Nachbarschaft des Bauplatzes vis-à-vis von unserem Büro nicht alltäglich.
Die wichtigste Inspirationsquelle war die ländliche beziehungsweise dörfliche Baukultur vergangener Zeiten mit ihrem enormen Identifikationswert: Die ursprüngliche Dorfarchitektur mit den grossen, jedoch zurückhaltenden Bauernhäusern und Ökonomiegebäuden, die durch halbprivate Vorplätze und Höfe als Ankunfts- und Begegnungsort geprägt sind.
Es ging uns um Einfachheit und Pragmatismus; unser Ziel war eine selbstverständliche, nachvollziehbare Bauweise, die sich in gewachsene Strukturen einfügt ohne den Bestand zu konkurrenzieren oder gar abzuwerten und doch den Ort schärft und auszeichnet. Eine tragende Rolle spielten hierbei die regionale Bautradition und Handwerkskunst sowie die Verwendung ortstypischer Materialien.
Bild: Mark Drotsky
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?Da der Bauplatz gleichzeitig auch unsere Nachbarschaft ist, war die Auseinandersetzung mit diesem besonders intensiv. Der Neubau bildet den Abschluss der gebauten Struktur und definiert über die Strasse hinweg mit der gegenüberliegenden Schreinerei und den benachbarten Wohnbauten einen gemeinsamen Hof. Er ist ein Begegnungsraum für die ganze Nachbarschaft. Von der Strasse abgekehrt entsteht ein sehr privater Aussenraum am Bach mit Blick in die Natur. Durch das Aufbrechen und Abwinkeln des Volumens entstehen Räume und Proportionen, die der Umgebung entsprechen. Rohe Materialien dominieren und werden sichtbar altern. Im Laufe der Zeit soll der Bau so immer mehr zu einem Teil seiner natürlichen Umgebung werden.
Bild: Mark Drotsky
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?Der Wunsch der Schreinerei als Bauherrschaft beim Neubau möglichst viel selbst mit zu arbeiten hat die Konstruktion beeinflusst. Das Gebäude wurde in Mischbauweise (Massiv- und Holzbau) konzipiert. Die Aussenwände der beiden Wohnkuben sind aus Kalksandstein gemauert und aussen gedämmt. Bekleidet wurden sie schliesslich mit einer sägerohen Fichtenschalung. Bei den nichttragenden Innenwänden handelt es sich um Holzständerkonstruktionen, die mit Fichtenriemen beplankt sind. Dies ermöglichte der Bauherrschaft ein hohes Mass an Eigenleistung – unabhängig von Witterung und Bauprogramm.
Der Baumbestand auf dem Grundstück sollte soweit als möglich erhalten werden. Der Umstand, dass ein Kirschbaum mit seiner Krone die Dachkonstruktion tangierte und daher weichen musste, hat zu einem zentralen Element des Baus geführt: dem Baum unter dem Dach. Er wurde gefällt und und nur wenige Meter weiter als Stütze wieder aufgerichtet. Er trägt mit seinen Ästen das Dach.
Bild: Mark Drotsky
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?Wir leben und arbeiten in einem Dorf – aus Überzeugung, dass es unbedingt nötig ist, sich auch hier mit Architektur und eben Dorf- statt Städtebau zu beschäftigen. Was sind die Qualitäten des Lebens auf dem Land und wie können wir sie durch raumverändernde Eingriffe steigern? Mit diesen Fragen setzen wir uns auseinander und versuchen uns, durch unsere eigenen Erfahrungen, der Antwort anzunähern. Das Wohnhaus in Deitingen ist, als erster grösserer Neubau, das Resultat dieser langjährigen Studien und der gewonnen Erkenntnisse zum Thema dörfliches Bauen.
Bild: Mark Drotsky
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?Das Haus wurde nach baubiologischen Grundsätzen konzipiert. Die Materialwahl ist differenziert. Die Baustoffe wurden wann immer möglich roh oder mit schadstoffarmen Anstrichen (Kalkfarbe) versehen verbaut und auf Schweizer Holz und Rohstoffe gesetzt. Die Elektroverteilung und -erschliessung wurde so geplant, dass sich keine Leitungen unter den Schlafräumen befinden und die Wohn- und Schlafräume stromfrei geschaltet werden können. Wir hoffen, dass solche Tendenzen, entgegen der aktuellen Entwicklung zu Energielabeln mit aufwändiger Gebäudetechnik, wieder vermehrt Eingang in die Bauproduktion finden.