Passstücke am Postplatz
Leutwyler Partner Architekten AG
6. February 2019
Metallfassade – Poststrasse 2. Bild: Beat Bühler
Leutwyler Partner Architekten haben kürzlich ein Mehrfamilienhaus mit Bürobau und öffentlichem Parkhaus am Postplatz in Zug fertiggestellt. Erich Leutwyler stellt sich unseren acht Fragen.
Ort Poststrasse 2 / 4a und 4b
Auftragsart Direktauftrag 2009
Bauherrschaft Immobilien Zug AG - 6300 Zug - ZG
Architektur Leutwyler Partner Architekten AG, Zug | Generalplaner: Erich Leutwyler, Urs Balmer, Pirmin Grüter, Marco Matter, Malte Kosensky
Jahr der Fertigstellung 2018
Gesamtkosten BKP 1–9 42 Mio. CHF
Gebäudekosten BKP 2 31 Mio. CHF
Gebäudevolumen SIA 416 51'965 m3
Energiestandard Poststrasse 2 - Minergie
Massgeblich beteiligte Unternehmer Baugrube / Baumeister: ARGE Postplatz - Landis Bau AG / Implenia AG / JMS Risi AG | Fassadenbauer: Ernst Schweizer AG
Fotos Beat Bühler
Natursteinfassade – Poststrasse 4a. Bild: Beat Bühler
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?Das Potenzial dieser städtebaulich bedeutenden Lage im Übergang von der historischen Altstadt zur Neustadt, wird auf der Ebene der vermittelnden Bauvolumen, der belebenden Nutzungsarten, der öffentlichen Aussenräume wie auch der Verkehrsinfrastruktur (öffentliches Parkhaus und Zugang Stadtbahnhaltestelle) genutzt. Die Bauten transformieren den ehemaligen Hinterhof (das eigentliche Baugrundstück) zu einem repräsentativem Stadtbaustein und schaffen gleichzeitig die Voraussetzungen für die Aufwertung der Umgebung (u. a. indem oberirdische Parkplätze aufgehoben werden können).
Dem Projekt liegt die Überzeugung zugrunde, dass eine bauliche Intervention nicht Selbstzweck sein könne, sondern mehr als ein Stadtbaustein verstanden werden müsse, dessen Aufgabe es sei, die städtischen Strukturen als Ganzes zu klären. Neu- und Altbauten sollen sich gegenseitig, in zurückhaltender Art, stärken. Bisher verborgene Potentiale sollen herausgeschält und räumlich geklärt werden. In unserem Fall werden die fragmentierten Räume um die historische Hauptpost geklärt. Die Gebäudezeilen der Schanz (historische Stadtmauer) und der Poststrasse werden vervollständigt und fassen dadurch den Postplatz besser.
Innenhof – Poststrasse 2 / 4a und 4b. Bild: Beat Bühler
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt? (kulturell, topografisch etc.)Die Gebäude beziehen sich auf die jeweiligen spezifischen Situationen, sei dies die gekrümmte Rampe zum Bahndamm hin der abgedrehten Schanz (ehemalige Stadtmauer) oder die Poststrasse mit ihren historischen Gebäuden und mit dem Auftakt, respektive Abschluss, der alten Hauptpost. Der Ausdruck der drei Gebäude (Fassadenstruktur und Materialisierung) orientiert sich an den jeweiligen spezifischen Nachbarn. Damit fügt sich das eigentliche Grossprojekt unauffällig in den Kontext am Postplatz ein und stärkt städtebaulich diesen wichtigen Zuger Ort zwischen Alt- und Neustadt.
Der Baukörper an der Poststrasse beispielsweise interpretiert Themen wie das Fensterformat, die Fassadengliederung und die haptische Materialisierung der Westfassade der alten Hauptpost auf eine reduzierte Weise neu, so wurde der Sockel aus Kirchheimer Muschelkalk mit 2cm einkerbenden Horizontalfugen und der Hauptkörper aus Trosselfels mit 10mm Fugen gestaltet.
Dadurch dass ich als Architekt auch der Projektentwickler und Mitinvestor war, konnten wir das Projekt, jedoch in enger Abstimmung mit der Stadtbildkommission und der Denkmalpflege, weitgehend selber bestimmen. Anders als üblich konnten wir auf diese Weise jene Nutzer ins Boot holen, welche die hochwertige Materialisierung, die Architektur und die zentrale Lage schätzten sowie die entsprechende Zahlungsbereitschaft und Eignung hierfür vorweisen konnten.
4 ½ Zimmerwohnung 7.OG – Poststrasse 4b. Bild: Beat Bühler
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?Das Potential dieses Ortes sahen wir erstmals im Jahre 2002, als wir verhinderten, dass eine geplante Passerelle über die damals von der Post logistisch genutzten Hinterhofbauten realisiert wurde. Schon damals war voraussehbar, dass die Post an diesem Standort ihre Flächenbedürfnisse reduzieren wird und entsprechend haben wir die Projektentwicklung in Richtung heutiger Nutzung initiiert.
Über eine Umzonung, einen Bebauungsplan und den Kredit für das Parkhaus wurden nach 2008 die planungsrechtlichen und politischen Grundlagen gelegt. Anschliessend hat die federführende Immobilien Zug AG die bis dahin unter den Post Immobilien laufenden Projektteile übernommen, die Baubewilligung vorangetrieben und für den Büroteil sowie drei der vier Parkgeschosse die Endinvestoren vertraglich angebunden. Danach erfolgte die Realisierung aller Gebäude durch die Immobilien Zug AG.
Das Projekt bezieht sich, wie andere Projekte in unserem Büro auch, spezifisch auf den Ort mit seinen individuellen Eigenschaften. Die präzise Setzung der Gebäudekörper, wie auch die hochwertige Materialisierung, schaffen eine zurückhaltende Präsenz. Eine angenehme Stimmung konnten wir dank der verwendeten hochwertigen Materialien und der jeweils spezifischen Fassadenkonstruktionen erreichen.
Das Projekt vereint eine Vielzahl von sich im Büro über die Jahre angesammelten Kompetenzen, von Infrastrukturbauten der SBB bis zum exklusiven Wohnungsbau. Neben den gestalterischen und bautechnischen Bereichen, waren wir auch in weiteren Funktionen involviert, sei dies als Generalplaner, als Projektentwickler und letztendlich auch als Mitinvestor. Dies entspricht auch unserem umfassenden Rollenverständnis des Architekten, welches er sich dank seiner Kompetenzen durchaus wieder vermehrt als zentrale Rolle auch in komplexen Projekten aneignen sollte. Auf Grund der Verknappung der verfügbaren Grundstücke an begehrten Lagen, aber auch weil für die raumplanerische Nachhaltigkeit die Verdichtung, Transformation und Nutzungsänderung im Bestand zukünftig an Bedeutung gewinnen wird, setzen wir uns vermehrt auch mit denkmalgeschützten Bauten auseinander. Dabei schätzen wir die Herausforderung, sich auf die Geschichte eines Gebäudes und eines Ortes einzulassen, diese aber auch als Inspiration für eine dem Ort und der Aufgabe gerechten Gestaltung zu nutzen. Die Tatsachse, dass wir nun auch für die Umnutzung und Instandsetzung der alten Hauptpost beauftragt wurden, setzt einen erfreulichen Schlussstein für die jahrelange Verbundenheit mit dem Postplatz in Zug.
2 ½ Zimmerwohnung 2.OG – Poststrass 4a. Bild: Beat Bühler
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?Die sich ständig weiterentwickelnden technischen und normativen Rahmenbedingungen auf einen lang andauernden Planungsprozess immer wieder zu adaptieren und mitzudenken, ist sicherlich eine der grossen Herausforderungen unserer Zeit.
Generell arbeiten wir in unserem Büro und auch am Postplatz mit den verschiedensten, letztendlich aber bewährten, zeitgemässen Konstruktionen. Die aktuellen gestalterischen Tendenzen in der Schweiz haben wir während der Arbeit am Postplatz immer wieder reflektiert, ohne uns jedoch von modischen Strömungen verleiten zu lassen.
Innenhof – Poststrasse 2 / 4a und 4b / Postplatz 1. Bild: Beat Bühler
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?Im Tiefbau bestand die Herausforderung die vier Untergeschosse der Tiefgarage bei den anspruchsvollen örtlichen Verhältnissen zu realisieren. Dies konnte durch eine Schlitzwand in Ortbeton gelöst werden. Diese hat eine statische und abdichtende Funktion. Die Oberfläche wurde im Endzustand abgefräst, um ein homogenes Oberflächenbild zu erreichen. Sie ist in der Einstellhalle ein bestimmtes Element geblieben. Für die Hochbauten war das Zusammenspiel der mineralischen Fassadenmaterialien in einer hellen grau-beigen Farbnuancierung mit den dunklen Metalloberflächen prägend. Die Natursteinfassade entlang der Poststrasse wurde in den Obergeschossen mit einem geschliffenen Trosselfels Naturstein verkleidet. Das hohe Sockelgeschoss nimmt dank des Kirchheimer Muschelkalk Bezug auf die benachbarten Häuser und führt die klassische Gliederung der Bauten fort.
Metallfassade des Gebäude Poststrasse 2
Die geschwungene Fassade des drei-geschossigen Gebäudes hat mit den umlaufenden Glasfaserbetonbändern auf Höhe der Geschossdecken eine starke horizontale Betonung. Als Kontrast zu den hellgrauen Betonelementen sind die Fensterschichten aus dreiteiligen, raumhohen Verglasungen und bräunlich eloxierten Metallprofilen erstellt worden. Rückspringende Nischen mit Lüftungsflügeln zwischen den Verglasungen geben der Fassade eine untergeordnete vertikale Ausrichtung und Tiefe. Die vorgehängte Fassadenkonstruktion umhüllt repetitiv das gesamte Gebäude.