Viele Menschen können mit dem Begriff Baukultur wenig anfangen – das möchte der Verein Archijeunes ändern
Elias Baumgarten
16. Februar 2021
Foto: Elias Baumgarten
Mit ihrem Buch «Elemente einer baukulturellen Allgemeinbildung» vermittelt die Gruppe Grundwissen. Dessen Übersichtlichkeit und die Qualität der 16 Beiträge gefallen – eine Leseempfehlung.
«Baukultur», schreibt das Bundesamt für Kultur, «umfasst alle menschlichen Tätigkeiten, welche den gebauten Lebensraum verändern». Unsere gebaute Umwelt geht alle etwas an, sie hat einen direkten Einfluss auf die Lebensqualität jedes einzelnen. Und doch steht es um die baukulturelle Bildung hierzulande nicht zum Besten. Viele Menschen haben nur eine schwache Vorstellung von dem abstrakten Begriff Baukultur. Das soll sich ändern: Der Verein Archijeunes möchte ihn zum Leben erwecken. Die Gruppe, die vom Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein SIA und dem Bund Schweizer Architekten BSA getragen wird, engagiert sich dafür, baukulturelle Bildung im schweizerischen Bildungscurriculum zu verankern. Ihr Buch «Elemente einer baukulturellen Allgemeinbildung» versteht sie als Grundlagenwerk. Es soll Lehrer*innen unserer Volksschulen, aber auch der pädagogischen Hochschulen und Kunsthochschulen ins Thema einführen. Dazu möchten die Macher*innen Laien Grundwissen vermittelt. Profitieren können, das sei ausdrücklich unterstrichen, aber auch Bauexpert*innen: Sie erhalten in 16 interessanten Beiträgen Einblicke in andere Disziplinen von der Raumplanung über die Architektur bis hin zur Denkmalpflege. Architekturgeschichte und -theorie werden dabei genauso behandelt wie beispielsweise die Digitalisierung der Bauwirtschaft, der Klimaschutz oder die Projektentwicklung.
Foto: Elias Baumgarten
Foto: Elias Baumgarten
Die Autor*innen setzen ihre jeweilige Disziplin in Bezug zum Begriff Baukultur. Es gelingt ihnen, auf wenigen Seiten sehr viel Wissen zu teilen – und das in allgemein verständlicher Sprache. Fotoessays von Sebastian Stadler bereichern das von Samuel Bänziger, Rosario Florio und Larissa Kasper ansprechend gestaltete Buch. Die eingeschobenen Bildstrecken unterteilen den dichten Inhalt in angenehme Portionen. Die Verwendung verschiedener Papiere verstärkt diese Wirkung. Ein Highlight in Sachen Leserfreundlichkeit sind die prägnanten Leads der Kulturjournalistin Karin Salm. Sie sind allen Beiträgen vorangestellt und ermöglichen einen schnellen Überblick. Wer es noch flotter möchte, überfliegt die Wortgruppen, mit denen Salm die Artikel spielerisch auf den Punkt bringt.
Foto: Elias Baumgarten
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Doch lassen Sie sich dadurch nicht verleiten, auf die konzentrierte Lektüre der Texte zu verzichten – es wäre schade. Alle sind sehr lesenswert, und es ist eigentlich nicht fair, einen Aufsatz besonders hervorzuheben – doch Benjamin Dillenburgers Beitrag «Digitales Bauen» hat mir bei der Lektüre besonders gut gefallen. Mit Leichtigkeit und grosser Detailschärfe erläutert er die Geschichte der Digitalisierung der Baubranche und gibt einen spannenden, wenn auch recht optimistischen Ausblick in die Zukunft, der auf Chancen fixiert und Risiken leider ausklammert. Wichtige Grundbegriffe erklärt Dillenburger einfach und klar, dazu räumt er quasi im Vorbeigehen mit etlichen Missverständnissen auf. Die Vermittlung von Grundwissen gelingt hier – wie in der ganzen Publikation – hervorragend. Man fühlt sich nach der Lektüre motiviert, selbständig weiter zu recherchieren. Das rote Büchlein verdient sehr, Teil Ihrer Bibliothek zu werden.