Raumkunst
Susanna Koeberle
10. April 2018
«Die Zelle», Kunsthalle Bern, 2018, Installationsansicht
Die Kunsthalle Bern zeigt in der Ausstellung «Die Zelle» Werke mit einer Neigung zum Einrichtungsgegenstand. Sie nehmen auch Bezug auf die Architektur des hundertjährigen Baus.
Die Kunsthalle Bern wurde vor 100 Jahren eröffnet. Den runden Geburtstag feiert die Institution mit verschiedenen Ausstellungen und Veranstaltungen. Einstieg ins Jubiläumsjahr bildet die Ende Februar eröffnete Gruppenausstellung «Die Zelle», die von Valérie Knoll (Direktorin des Kunsthalle) kuratiert wurde. Die rund fünfzig Arbeiten von achtzehn Künstlerinnen und Künstlern sehen aus wie Einrichtungsgegenstände, die allerdings ihre Funktion verloren haben, und nehmen teilweise explizit auf die Räumlichkeiten des 1918 erbauten Hauses Bezug. Die tempelartige, klassizistische Architektur der Kunsthalle Bern orientiert sich nicht am Funktionalismus des Bauhauses, sondern erinnert mit ihren wohnlich wirkenden Innenräumen vielmehr an ein traditionelles, bourgeoises Interieur; zur Zeit der Eröffnung der Institution war es sogar üblich, Teppiche und Mobiliar in die Räume zu placieren. Dennoch bilden die sieben Ausstellungsräume einzelne «Zellen», sind sie als Räumlichkeiten zur Präsentation von Kunst gekennzeichnet, als museale Räume – und grenzen sich damit von der Aussenwelt ab.
Die ornamentalen Details wie etwa die hellen Heizkörper oder die verzierten Glasdecken finden in einzelnen Werken ihren Widerhall. Dadurch entsteht ein produktives Zwiegespräch zwischen Raum und Objekt. Die ausgestellten Arbeiten spielen mit der Spannung zwischen Innen und Aussen, Raum und Körper, Alltag und Kunst, skulpturalem Objekt und Möbelstück, Museum und Wohnraum. Wie etwa die Arbeiten des Berner Künstlers Manuel Burgener. Die Glastischchen sind zugleich auch Leuchten und wohl kaum funktionsfähig. Oder seine raumfüllende Arbeit, die so aussieht wie ein heruntergefallener Balken. Durch seine Materialisierung aus Plexiglas wirkt er allerdings merkwürdig entfremdet. Die Fragilität der Arbeit verweist wiederum auf die Glasdecke. Bei Edit Oberholz verwandelt sich ein Stück Armierungseisen in eine improvisierte Garderobe und Cosima von Bonin stülpt gleichsam die äussere Haut des Gebäudes nach Innen, wenn sie einen Balkon kurzerhand im «Aare Saal» platziert. Dieser heisst so, weil es der einzige Raum mit Sichtbezug nach Aussen ist.
Die Werke unterlaufen unseren Hang zu eindeutigen Zuweisungen und werfen damit auch die Frage nach der Beurteilung und Einordnung von Kunst auf. Ab wann sind ein Stuhl, ein Tisch oder ein Regal Kunst? Wann ist eine Einrichtung im öffentlichen Raum eine künstlerische Installation? Zugleich könnte die Schau auch als Hommage an den aussergewöhnlichen Charakter dieses Baus gelesen werden. Sind Ausstellungsräume etwa selbst Kunst?