Öffentlichkeit schaffen und Druck aufsetzen – Countdown 2030 reicht Petition ein
Elias Baumgarten
29. November 2022
Der Wandel zu einer zukunftsfähigen Baukultur muss jetzt gelingen. Der Verein Countdown 2030 setzt sich dafür ein. Nun haben die Aktivist*innen eine Petition eingereicht. (Foto © Countdown 2030)
Das Bauen spielt eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Klimawandel, doch die Politik nimmt sich des Themas bisher zu wenig an und eine gesamtgesellschaftliche Debatte ist noch nicht im Gange. Das möchten die Aktivist*innen des Vereins ändern.
Immer mehr Menschen sind wegen der Klimakrise in Sorge. Sie diskutieren über Mobilität und Ernährung, versuchen Energie zu sparen, meiden Plastik oder bemühen sich, weniger zu fliegen. Architekt*innen berichten erfreut, dass einige Bauherrschaften ökologisch nachhaltige Gestaltungen einfordern. Auch sind in der Schweiz zuletzt etliche hervorragende Umbauten entstanden, gestaltet oft von jungen Architekturschaffenden. Und in Sachen Kreislaufwirtschaft sind international beachtete Vorzeigeprojekte realisiert worden, etwa die Aufstockung einer Lagerhalle auf dem Sulzer-Areal in Winterthur von baubüro in situ. Wir sind also auf einem guten Weg – mitnichten: Hierzulande entstehen pro Sekunde 500 Kilogramm Bauabfall. Ein Drittel der Schweizer Treibhausgasemissionen rühren von unserer Bautätigkeit her. Die vorhandenen Gesetze mögen gut gemeint sein, doch sie fördern eine zukunftsfähige Baukultur nicht. Es fehlt beispielsweise eine Betrachtung der Gesamtenergiebilanz von Erstellung und Betrieb. Abseits der Fachwelt wissen noch viel zu wenige Menschen näher über die Bedeutung der Baubranche für den Klimawandel Bescheid. Eine gesamtgesellschaftliche Debatte über das Bauen ist noch nicht in Gang gekommen. Man gewinnt leider den Eindruck, die Politik habe kaum Interesse daran, den Menschen zu sagen, dass man nur noch in Ausnahmefällen neu bauen sollte.
Die Petition des Vereins Countdown 2030 wurde im Rahmen der Ausstellung «Die Schweiz: Ein Abriss» im Schweizerischen Architekturmuseum zur Unterschrift aufgelegt. (Foto: Tom Bisig)
Um Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken und die Politik zum Handeln zu bewegen, hat der Verein Countdown 2030 die Petition «Fertig mit dem Abrisswahn – Zukunftsfähig Bauen Jetzt!» gestartet. Die Aktivist*innen fordern darin, den Abriss zur Ausnahme zu machen. Fehlanreize müssten beseitigt werden, und es brauche klare Zielvorgaben für alle Bauten. Das Bauen im Bestand sei zu bevorzugen, und die öffentliche Hand müsse als Vorbild vorangehen. Das Papier wurde online und im Rahmen der Schau «Die Schweiz: Ein Abriss» im Schweizerischen Architekturmuseum (dessen Team sich übrigens mit seiner politischen Themensetzung sehr für eine ökologisch und sozial nachhaltige Architektur engagiert) von insgesamt 10'999 Personen unterzeichnet. Am Montag überreichten die Aktivist*innen die Petition in Bern Bundesrat und Parlament.
Dass innerhalb von zwölf Wochen so viele Unterschriften zusammenkamen, noch dazu ohne organisierte Kampagne und ohne eine politische Organisation im Rücken, ist starkes Signal an die Politik. Sie sollte das unbequeme Thema alsbald angehen, auch wenn dem mächtige Interessen entgegenstehen mögen.
Friederike Kluge und Meik Rehrmann, die zu den Gründer*innen des Vereins Countdown 2030 gehören, diskutierten im Rahmen unserer Artikelserie «D-A-CH-Gespräche» mit Martin Haas aus Deutschland und Verena Konrad aus Österreich über eine zukunftsfähige Baukultur. Martin Haas ist Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, Verena Konrad leitet das Vorarlberger Architektur Institut.
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