Kunst statt Kuh
Susanna Koeberle
30. Dezember 2017
Die Stalla Madulain zeigt Kunst in einer ehemaligen Scheune. Bild: Stalla Madulain
Die «Stalla Madulain» zeigt Arbeiten von Not Vital. Dieser bespielt den Ort mit präzis platzierten Werken.
Kunst in der Scheune? Und das im schicken Oberengadin? Eine durchaus ungewöhnliche Kombination. Die durchaus ihren Reiz hat. Seit drei Jahren zeigen die beiden im Engadin verwurzelten Cousins Chasper Schmidlin (der Zürcher Architekt ist unter anderem zuständig für den Umbau des Muzeum Susch, dessen Eröffnung 2018 erwartet wird) und Gian Tumasch Appenzeller Kunst in einer ehemaligen Scheune. Die «Stalla Madulain» hat ihren festen Platz in der Agenda des kunstaffinen Tals erobert. Und ist erfrischend anders als die üblichen Kunstlocations in der Gegend – im wörtlichen Sinne. Die von den beiden Kunstliebhabern restaurierten Räumlichkeiten sind unbeheizt, so dass niemand in Versuchung gerät, in 12 Zentimeter hohen High Heels und ohne Socken die Vernissage zu besuchen. Zur Eröffnung der Einzelausstellung des international agierenden Bündner Künstlers Not Vital kamen die Leute dennoch in Scharen. Allerdings war das Publikum deutlich heterogener als bei anderen Kunstevents, die zurzeit grad Hochsaison haben. Auch der Meister persönlich war vor Ort und unterhielt sich sichtlich gut gelaunt mit den Gästen. Wie so vielen Kreativen war dem Querdenker der Erfolg zuerst im Ausland beschieden, erst dieses Jahr wurde ihm die Ehre einer grossen Museumsausstellung im Bündner Kunstmuseum Chur zuteil.
Not Vital ist stark mit dem Engadin verwurzelt, war aber schon immer ein Nomade. Bild: Stalla Madulain
Not Vital bespielt die «Stalla» mit eigens für den Ort gefertigten Werken, dabei spürt man deutlich seine Affinität zur Örtlichkeit. Die unterschiedlichen Arbeiten reagieren auf Architektur und Umgebung, indem sie diese weiterdenken und zugleich in ihrer Eigenheit belassen. Wie etwa die Arbeit «S-Chala» (Rätoromanisch für Treppe), die den Abstand zwischen Scheune und Nachbarhaus zum Ausgangspunkt nimmt. Die verspiegelte Treppenskulptur aus Chromstahl wird zum Fremdkörper, der dem gesichtslosen Zwischenraum eine neue Präsenz verleiht. Und vielleicht auch als augenzwinkernder Verweis auf das Shiny-Shiny-Universum der Kunstwelt zu verstehen ist. Humor ist jedenfalls eine der Waffen, die der Bündner Künstler gerne einsetzt, allerdings ohne dabei eingleisig oder platt zu sein. In seinen Arbeiten gelingt der Balanceakt zwischen Lesbarkeit und Verfremdung - es ist eine Kunst, die eine direkte Sprache spricht. Die das Vorhandene nimmt, zerlegt und neu erdichtet. Etwa wenn Vital eine handgeschmiedete Box aus Silber zum Portraits seines Landsmanns und Kollegen Alberto Giacometti erklärt. Mehr soll nicht verraten werden. Selber hingehen – und warm anziehen!