Er war ein Pionier der Industriearchäologie. Nun ist Hans-Peter Bärtschi gestorben
Manuel Pestalozzi
7. Februar 2022
Hans-Peter Bärtschi, hier fotografiert im Jahr 1982, erforschte die Spuren der Industrialisierung in der Schweiz und vermittelte seine Erkenntnisse auf vielseitige Weise. (Foto: Hans-Peter Bärtschi, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv)
Der Winterthurer Architekt hat unsere Wahrnehmung der Schweizer Landschaft massgeblich mitgeprägt. Hans-Peter Bärtschi hinterlässt Industrielehrpfade, Ausstellungen und eine umfangreiche Fotosammlung.
Hans-Peter Bärtschi stand radikal für seine Anliegen ein. 1950 in Winterthur als Kind einer Arbeiterfamilie geboren, studierte er an der ETH Zürich Architektur und diplomierte bei Aldo Rossi (1931–1997) und Dolf Schnebli (1928–2009). Er engagierte sich als Student intensiv politisch und wurde als Maoist überwacht. Schon damals befasste er sich mit den Auswirkungen der Industrialisierung auf die Siedlungslandschaft. Er forschte auf diesem Gebiet am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur der ETH Zürich (gta). 1980 dissertierte er zum Thema «Industrialisierung, Eisenbahnschlachten und Städtebau – die Entwicklung des Zürcher Industrie- und Arbeiterstadtteils Aussersihl. Ein vergleichender Beitrag zur Architektur- und Technikgeschichte» bei den Wirtschafts- und Städtebauhistorikern Jean-François Bergier (1931–2009) und Paul Hofer (1909–1995). Die im gta Verlag publizierte Arbeit bietet nicht nur viele Einsichten, sie ist auch eine fesselnde Lektüre. Bis heute ist sie lesenswert und aktuell geblieben.
1979 gründete Hans-Peter Bärtschi zusammen mit seiner Frau Sylvia Bärtschi-Baumann, die Sozialwissenschaftlerin war, in Winterthur das Büro Arias (Architektur Industriearchäologie Stadtentwicklung). Er war nicht nur als Berater, Publizist und Vermittler tätig, sondern blieb immer auch Aktivist; er mischte sich ein, wenn es darum ging, bauliche Zeugen der Industrialisierung vor der Zerstörung zu retten und angemessen zu würdigen. «Ohne Hans-Peter Bärtschi gäbe es die alten Maschinen in der Nagelfabrik Winterthur nicht mehr, ebenso wenig das Spinnerei-Ensemble Neuthal bei Bauma», schreibt Martin Gmür in einem Nachruf. Bärtschis Anliegen war es stets, der Nachwelt die Industrialisierung und ihre Auswirkungen auf die Schweizer Natur- und Kulturlandschaft verständlich zu machen. Besonders zu erwähnen sind die verschiedenen Industrielehrpfade, an deren Aufbau er grossen Anteil hatte. Sie erinnern daran, dass hierzulande die urbanisierte Landschaft eine lange Geschichte hat, die häufig die aktuelle Bautätigkeit mitprägt.
Ich durfte Hans-Peter Bärtschi zweimal begegnen: Das erste Mal, als er Architekturstudierende durch die Gegend um den Platzspitz in Zürich führte und auf bauliche Zeugnisse aus der Zeit der Industrialisierung hinwies, die ohne Vorwissen nicht gleich als solche erkennbar sind – beispielsweise massive Sockel am Flussbord der Limmat, über die einst Transportriemen zur Kraftübertragung geleitet wurden. Und nach meinem Studium hatte ich mit ihm in Winterthur ein anregendes Gespräch in seinem Büro. Seine Arbeit hat mich zeitlebens sehr interessiert und fasziniert. Er hat einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung eines weniger beachteten Teils der Schweizer Baugeschichte geleistet. Er war ein Pionier der Industriearchäologie.
Hans-Peter Bärtschi hatte mit den Spätfolgen eines Velounfalls zu kämpfen, an denen er nun gestorben ist. Bereits vor einigen Jahren wurde die Fotosammlung des Vielgereisten mit mehreren 100000 Aufnahmen der ETH Zürich übergeben. Dieser Schatz ist auf e-pics.ethz.ch zugänglich.