Ein interessanter Neubau, den man nicht gerne betreten möchte – die Stadtzürcher Kriminalabteilung
Manuel Pestalozzi
3. November 2021
Die Chance zur Aufwertung des Aussenraums wurde genutzt: Zwischen dem Gebäude und dem Mühleweg entstand ein kleiner Park. (Foto © Bruno Augsburger, Zürich)
Nach dreijähriger Bauzeit ist der eher unscheinbare Solitär mit eleganten Details fertig. In den nüchternen, zuweilen fast grimmig anmutenden Räumen, die von Sichtbeton und Metall geprägt sind, arbeiten ab 2022 über 350 Menschen.
Am gestrigen 2. November hatten Vertreter*innen der Presse anlässlich eines Rundgangs die Gelegenheit, ein Gebäude zu besuchen, das man eigentlich gar nicht gerne von innen sehen möchte: den Neubau der Stadtzürcher Kriminalabteilung. Es gebe wohl keine andere Gemeindepolizei mit eigenem Kripo-Gebäude, meinte der stolze Kommandant Daniel Blumer. Der Neubau steht auf einer relativ schmalen und vormals noch unbebauten Parzelle und gliedert sich gut in die Umgebung mit ihren vielen Bürobauten ein. Der Bauplatz liegt an der Förrlibuckstrasse und genau gegenüber der Zürcher Hochschule der Künste auf dem Toni-Areal. In den Augen der Verantwortlichen ist das eine hervorragende Lage: zentral und nahe am Ort des Geschehens.
Sichtbeton dominiert auch den Pausenbereich im Atrium des 1. Obergeschosses. Die betonierten Bauteile bestehen zu 56 Prozent aus Recyclingbeton. (Foto © Bruno Augsburger, Zürich)
Kein Polizeibunker, doch «angriffsfest»Das Projekt entstammt einer Gesamtleistungsstudie im selektiven Verfahren. Aus dem Wettbewerb war ein Team aus Penzel Valier und der Firma Erne siegreich hervorgegangen. Realisiert wurde der Bau mit einem Totalunternehmervertrag durch Erne. Der Vorsteher des zuständigen Hochbaudepartements, Stadtrat André Odermatt, zeigte sich an der Presseführung mit dieser Vorgehensweise zufrieden.
Im Grundriss hat der siebengeschossige Bau die Form eines langgezogenen Sechsecks mit einer relativ schmalen Eingangsfront an der Förrlibuckstrasse. Westlich des Solitärs wurde entlang dem Mühleweg, der den Fuss- und Veloverkehr direkt zum Hardturmsteg über die Limmat führt, ein kleiner Park angelegt. Östlich von ihm befindet sich ein durchlässiger Hofraum, den sich das neue Gebäude mit seinen Nachbarn teilt. Dass die Kriminalabteilung von allen Seiten frei zugänglich ist, mag überraschen, weil sich in dem Bau zwölf Haftzellen befinden. Doch man habe bewusst den Eindruck einer «geschlossenen Burg» vermeiden und sich nicht von der Umgebung abschotten wollen, so die Verantwortlichen. Befreiungsversuche werden trotzdem schwerlich Erfolg haben, denn das Gebäude ist «angriffsfest» ausgelegt. Mit seinen Bandfenstern und den im Profil geschwungenen Betonbrüstungen unterscheidet es sich indes wenig bis gar nicht von den unmittelbaren Nachbarbauten. Entsprechend diskret gliedert es sich in den Kontext ein.
In der Tiefgarage gibt es Räume, in denen bei einer «Grosslage» bis zu 140 Personen eingesperrt werden können. Die Garage kann bei hohem Grundwasser geflutet werden, in die Metallschienen beidseits der Tore lassen sich Sperren einschieben. (Foto: Manuel Pestalozzi)
Das Raumprogramm umfasst Büros und Nebenräume für die Ermittlungs- und Fahndungsdienste, den Kriminaldauerdienst, die Leitung und die Administration. Hinzu kommen die Infrastruktur für die Gefangenen und weitere betrieblich notwendige Räumlichkeiten. Im Erdgeschoss – eigentlich aus Sicherheitsgründen ein Hochparterre – sind die Räume für Polizeieinsätze und die Erfassung mit Abstandsräumen, der Kriminaldauerdienst, Arrestzellen, ein Beratungs- und Schauraum des Kommissariats Prävention sowie der Empfang und einige Warteräume angeordnet. In den übrigen Geschossen befinden sich Büros, Räume für Einvernahmen, Sitzungszimmer, Lager, das Archiv, Garderoben, Duschen, sanitäre Anlagen, die Werkstatt sowie Putz- und Technikräume. Im Attikageschoss stehen der Belegschaft eine Cafeteria mit Mahlzeitenservice und ein Vortragsraum zur Verfügung, auf der Dachterrasse lässt sich die Aussicht ins pulsierende Quartier geniessen.
Eine der Arrestzellen (Foto © Bruno Augsburger, Zürich)
Gelungene Details und TristesseDie Architektur des 80 Millionen Franken teuren Bauwerks wartet zwar durchaus mit einigen eleganten Details auf, entspricht aber insgesamt einem nüchternen Zweckbau und präsentiert sich auffällig farbarm. Sichtbeton prägt das Ambiente, die kalten Metallflächen bei den Zellen und Verhörzimmern sind in Braun oder Dunkelgrün beschichtet. Das Haus scheint vollkommen auf Effizienz und den schnellen «Personenumschlag» getrimmt – niemand wird dort mehr als einen Tag festgehalten, zehn Beschuldigte sollen durchschnittlich pro Tag vorgeführt werden. Hoffentlich wird das beinahe grimmige «Understatement» zumindest für alle jene, die in dem Haus täglich einer schwierigen, sehr beanspruchenden Arbeit nachgehen, keine zusätzliche Belastung.
Die Cafeteria im Attikageschoss zeigt sich heller und freundlicher als der übrige Bau. (Foto © Bruno Augsburger, Zürich)
Künstlerische Auseinandersetzung mit der PolizeiarbeitZu einem Bau dieser Art gehört hierzulande ein Kunstprojekt. In diesem Fall befasst es sich mit der Funktion des Bauwerks und will diese hinterfragen. Vor dem Einzug der Kriminalabteilung erhält die Öffentlichkeit über eine Kunstausstellung einmalige Einblicke in das Haus. Sie findet vom 4. bis zum 7. November 2021 statt und ist die einzige Möglichkeit, das Haus sozusagen freiwillig von innen zu sehen. Der Kurator Adam Szymczyk ermöglicht dem Gebäude ein Vorleben als Haus der Kunst, bevor es zum Haus der Polizei wird. «Andere Stimmen, andere Räume: Eine Ausstellung als Erinnerung für eine Zukunft» heisst sein prozessual angelegtes Kunst-und-Bau-Projekt. Von ihm eingeladene Kunstschaffende setzen sich mit dem Gebäude und seiner Nutzung auseinander.
Musik in der Beton-Zelle: Thomas Rohrer, Saadet Türköz und Charles Hart spielen für die Ausstellung «Andere Stimmen, andere Räume» auf. (Foto © Melanie Hofmann, Zürich)
Der Gedanke dahinter: Durch die Stimmen der Kunst eröffnen sich andere Räume, um über Polizeiarbeit und Justiz nachzudenken. Die Zürcher Künstlerin Melanie Hofmann dokumentiert das Projekt mit der Kamera. Ihre Arbeiten sollen dauerhaft im Gebäude verbleiben.