Der andere Bilbao-Effekt
Juho Nyberg
14. November 2013
Aller Laster Anfang: Torre de Collserola (Bild: commons.wikimedia.org)
Die Krise der spanischen Wirtschaft kann auch als eine Geschichte der architektonischen Träume des Landes gelesen werden.
Die Wirtschaftskrise ist fünf Jahre nach ihrem Ausbruch zwar nicht mehr allgegenwärtig in den Nachrichten, doch ausgestanden ist sie noch lange nicht – besonders in südeuropäischen Staaten. Gelegentliche Blindbewerbungen spanischer Architekten hierzulande zeugen davon, dass ihre berufliche Zukunft in ihrer Heimat nicht rosig ist. Dabei galt die Architektur dort lange als die Boombranche schlechthin.
Bilbao-Effekt oder Grundnahrungsmittel für arbeitslose Architekten? (Bild: PSA)
Erste sichtbare Zeichen des Booms waren vor gut 20 Jahren das zu die Olympischen Sommerspielen 1992 fertiggestellte Torre De Collserola auf Barcelonas Hausberg Tibidabo und Calatravas zeitgleich vollendeter Turm auf dem Montjuïc. Die Baumeister erlangten Popstar-Status und die breite Masse fing an, sich in bislang ungekanntem Masse für Architektur zu interessieren. Von dort war es nur noch ein kleiner Schritt zum 1997 eröffneten Guggenheim-Museum in Bilbao, das leicht erkennbar sich (auch) architekturfernen Kreisen als Pilgerstätte und Ikone anbot und von diesen dankbar angenommen wurde.
Währenddessen entwickelte sich in ganz Spanien ein bis anhin ungekannter Architekturboom: Die Zahl der Architekturschulen hat sich bis heute mehr als verzehnfacht, auf 800 Spanier kommt ein Architekt. Zum Vergleich: Gemäss Architectural Record beträgt das Verhältnis im übrigen Europa 1:1500. Vielerorts wurde versucht, dem Vorbild Bilbaos nachzueifern und mit öffentlichen Bauten Impulse zu setzen und Identifikation zu stiften. Diese Absicht gelang nicht immer. Davon zeugen etwa der Flughafen Ciudad Real - 2008 eröffnet, 2012 geschlossen - oder Valencia mit der Stadt der Künste und der Wissenschaften oder der Jachthafen, bekannt durch den America's Cup 2007 und heute Kulisse für ein Formel-1-Rennen.
Mittlerweile ist gemäss Architekt Luis Fernandez-Galiano die Zahl der jährlich erstellten Wohnungen von 800'000 auf 80'000 geschrumpft. Unter den verbliebenen Architekten hat ein Umdenken eingesetzt. An der letztjährigen Architekturbiennale wurden unter dem Titel «Spain mon amour» 15 zeitgenössische Projekte aus Spanien gezeigt. Die Beschreibung des dazu publizierten Buches bezeichnet die Ausstellung als das Feiern einer Periode, ihrer Architekten und Gebäude, aber auch als Elegie an eine Zeit, die zu einem Ende gekommen ist und schliesst mit Aufforderung, die Zukunft auf eine andere Art zu denken.