Das ist der Incidental Space

Jenny Keller
27. Mai 2016
Neue Technologien ohne die Ästhetik des CAAD. Bild: jk

Architektur mit Architektur ausstellen. Das war der Ansatz von Christian Kerez, der den Schweizer Beitrag an der diesjährigen Architekturbiennale verantwortet. Nun können wir sehen, was das konkret bedeutet  – und sehen erst einmal keine Architektur. Wir haben eine durchaus ästhetische, aber etwas leere Hülle vor uns stehen, die aus Glasfaser verstärktem Beton besteht (das müssen wir nachlesen) und einen Raum aufspannt, dessen Form durch die Tragstruktur gegeben ist. Einer Skulptur gleich steht diese helle Hülle im Schweizer Pavillon, der angenehm leer ist. Technisch anspruchsvolle Prozesse und der Zufall gestalteten diesen Raum, der kein Verweis auf bestehende Architektur sein soll, sondern eine abstrakte Form darstellt. Man kann den Raum betreten, das Erlebnis hat etwas für sich, aber es hallt nicht sehr lange nach.

Bruno Giacomettis Pavillon, der wie ein kleines Kunstmuseum konzipiert wurde, ist gekonnt bespielt, dies dank der Kunsthistorikerin und Kuratorin Sandra Oehy. Frei nach dem Grundsatz, dass Regeln nur brechen kann, wer sie kennt, hängt im Skulpturensaal eine Tapete mit Nahaufnahmen der Kerezschen Hülle, und im Gemäldesaal steht die Skulptur. Dazwischen, im Grafikraum, prangt der Titel «Incidental Space». Und dort sind die Fragmente der im Nachhinein skalierten Betonschalungen ausgestellt.

Der tapezierte Skulpturensaal. Bild: tg
Eine zurückhaltende Intervention. Bild: tg

Auch wenn sich das Überthema von Alejandro Aravena («Reporting from the Front») mehrfach deuten lässt, ist der Schweizer Beitrag weit von anderen Beiträgen entfernt. Dass jemand wie Kerez sich von Aravenas Überthema nicht gross beeinflussen liess, war zu vermuten. Auf die Interdisziplinarität der Architekturproduktion wolle er aufmerksam machen – das sei die Front, mit der man tagtäglich zu tun habe.

Christian Kerez suchte und fand eine neue architektonische Lösung, indem er sich von Zwängen befreite und mit freiem Blick einen Entwurf gestaltete. Das Echo auf sein zufälliges Raumgebilde war positiv, bewundert wurde dessen Radikalität. Doch uns beschämt diese Haltung ein wenig, denn die Hightech-Bauweise ist für Kerez keine angewandte Forschung, sondern zufälliges Instrument, Spielerei. Selbst er kann sich nicht vorstellen, dass solcherlei Räume in Zukunft en masse gebaut werden. Das ist schade angesichts der verschleuderten Energie und Mittel. So etwas kann man sich auch nur in der reichen Schweiz erlauben, wenn man gute Beziehungen zu einer Forschungsstätte wie der ETH hat.

Man merkt: Die Schweiz hat andere Probleme als der Rest der Welt. Unsere Architekturproduktion ist auf einem anderen Niveau. Das ist oft zum Vorteil der Schweizer Architektur, aber manchmal etwas am Kontext vorbei.

Im Innern des Raumgebildes. Bild: jk
Stillleben mit Landi-Stühlen. Es ist zwar kein sakraler Raum, die Schuhe muss man aber ausziehen, wenn man die Skulptur betreten will. Bild: jk

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