Angewandte Physik
Jenny Keller
9. Mai 2016
Bild: Tastelab
In einem temporären Pavillon auf der Polyterrasse vor Sempers ETH-Hauptgebäude wird im Mai modernistische Küche aufgetischt. Dahinter steht eine ETH-Physikerin mit ihren Alumni-Kollegen.
Das temporäre Restaurant «Tastelab» ist während des Monats Mai geöffnet und könnte selbst die arriviertesten Gastronomen neidisch machen: Die Polyterrasse mitten im Zentrum Zürichs ist ein begehrter und selten bespielter Standort, hat eine traumhafte Sicht über die Stadt Zürich und auf den See – und wurde nun von der ETH Susanne Tobler zur Verfügung gestellt, die während eines Monats dort ihre modernistische* Küche anbietet.
Susanne Tobler, die selbst an der ETH Physik studiert hat, nutzte ihr Netzwerk und konnte mit vier anderen Alumni die ETH davon überzeugen, ihr den Bauplatz, die «heilige Polyterrasse», wie sie selbst sagt, für einen Monat zu übergeben. Nicht zuletzt, weil sie als Studentin viele Partys mitorganisiert hat und damit scheinbar gut in Erinnerung geblieben ist bei den zuständigen Stellen. Die einmalige Lage hat auch die jungen KLR Architekten aus Fribourg zu ihrem Entwurf für das Pop-up-Restaurant inspiriert: Zwei Trichter öffnen sich zu den beiden Aussichten, dem See und dem Limmattal. Daraus entwickeln sich vier Arme, welche die Küche, den Empfang mit Bar und zwei Speisesäle aufnehmen. Die auf ein Podest gehobene Konstruktion besteht aus recycelten Standard-Elementen: einem Skelett, das eigentlich ein Baustellengerüst ist, einer Hülle aus geschrumpfter Verpackungsfolie und einer Innenverkleidung aus gebrauchten Holzplanken. Die stattliche Raumhöhe von vier bis neun Metern – auch im Schnitt finden wir die Trichterform wieder – sorgt dafür, dass man sich nicht wie in einem Zelt auf einem Open-Air fühlt.
Im Rahmen eines Siebengängers, eines modernistischen Lunchs oder Brunchs, der am Wochenende serviert wird, kann man die einmalige Atmosphäre selbst erleben (einen Platz reservieren man sich ausser zum Lunch online) und testen, ob Physikerinnen die besseren Köchinnen sind. Susanne Tobler sagt dazu ganz trocken, die Wissenschaft helfe ihr, zuverlässige Resultate zu erlangen. Darum geht es beim Kochen (für Gäste) ja grundsätzlich.
www.tastelab.ch
*Etwas Stilkunde der Küche am Rande: Die modernistische Küche ist so benannt nach dem stilprägenden Buch The Modernist Cuisine, deren Autoren wissenschaftliche Erkenntnisse in die Küche einfliessen liessen und mit Utensilien wie Wasserbad oder Zentrifuge das Kochen post Molekularküche neu erfanden.