Glückliche Nachbarschaft im Werden

Jenny Keller
11. Januar 2018
Das Boulevard auf dem «Westfeld». Visualisierung: Nightnurse Images

Schon als Kind hatte Felix Platter, als Arztsohn 1536 geboren, die feste Absicht, Mediziner zu werden; mit 16 Jahren ging er zum Studium nach Montpellier, kehrte nach vier Jahren Ausbildung in seine Heimatstadt Basel zurück, praktizierte als Arzt und wurde Rektor und später Professor der praktischen Medizin der Universität Basel. Zudem bekleidete er das Amt des Stadtarztes. Felix Platter war ein vielseitiger Arzt, Psychiater und Pathologe. Er gilt als Vater der Gerichtsmedizin und war als Arzt und Wissenschaftler in der Schweiz führend. Seine klinischen Werke sind nach seinem Tod mehrmals neu aufgelegt worden.

​Seit 1967 steht in Basel nahe der Burgfelder Grenze ein Spital, das den Namen dieses Mediziners trägt, das Felix-Platter-Spital. Doch das Gebäude der Architekten Fritz Rickenbacher und Walter Baumann ist weniger glücklich als sein Namensgeber (Felix, «der Glückliche» auf Lateinisch) und hat eine weitaus kürzere Strahlkraft – seinen Zenit als zeitgemässen Spitalbau hat es überschritten. Zwar wird es noch genutzt, doch der Kanton erstellt in unmittelbarer Nachbarschaft einen kleineren Neubau als Ersatz, der voraussichtlich 2019 bezogen werden kann. Nachdem sich der Schweizer Heimatschutz Basel und der Bund Schweizer Architekten Basel mit anderen Instanzen für den Erhalt des Sechzigerjahre-Gebäudes, dessen Fassade erst 2010 saniert worden war, eingesetzt haben, wird der Spital-Hauptbau mit einem «reduzierten Schutzumfang» ins Denkmalschutzverzeichnis eingetragen. Dies ermöglicht seine Umnutzung zu einem Wohnungsbau. Wir haben berichtet.

Gesamtansicht des Areals mit dem alten Felix-Platter-Spital im Hintergrund. Visualisierung: Nightnurse Images

Damit ist es in bester Gesellschaft, denn auf dem 35'000 Quadratmeter grossen «Westfeld», wie das ehemalige Felix-Platter-Areal nun hiesst, entsteht ein neues durchgrüntes Quartier mit 500 Genossenschaftswohnungen sowie Gemeinschafts- und Gewerbeflächen. Im alten Spitalgebäude werden 130 Wohnungen Platz finden, zwei Neubauten werden ab nächstem Jahr erstellt.
 
Wohnen alleine (alleine wohnen) war gestern
Seit Ikea gefragt hat: «Wohnst Du noch oder lebst Du schon?», scheint wohnen alleine nicht mehr zu genügen, wenn man eine Wohnbaugenossenschaft ist. Auf jeden Fall hat die Genossenschaft «wohnen & mehr» das Areal Ende 2015 kaufen können und ist nun für dessen Bebauung zuständig. Der Vergleich ist vielleicht müssig, denn die Städte Zürich und Basel können beide mehr, als sich ständig vergleichen zu müssen. Trotzdem erinnert «wohnen & mehr» nicht nur semantisch an «mehr als wohnen», der pionierhaften Genossenschaft von Zürich, die mit dem Hunziker-Areal weltweit auf sich aufmerksam geamcht hat. In Basel haben sich Wohngenossenschaften, Private und der Regionalverband «wohnbaugenossenschaften nordwestschweiz» zusammengeschlossen, um Kapital und Kräfte zu bündeln und bilden nun einen neuen gemeinnützigen Bauträger. Im November 2017 gab es 73 Mitglieder, davon waren 31 Genossenschaften.

2017 hat diese Übergenossenschaft «wohnen & mehr» in Zusammenarbeit mit dem Bau- und Verkehrsdepartement und Immobilien Basel-Stadt einen Studienauftrag ausgeschrieben. Neue Lebensformen (Stichwort Clusterwohnungen, Car Sharing, Wohnen im Alter, Urban Farming, you name it) sollen hier Platz finden und gelebt werden. So war auch der Architekturwettbewerb nicht ganz konventionell, und in einem so genannten «dialogischen Verfahren» wurden sieben Architektur- und Landschaftsarchitekturteams* aus insgesamt 61 Bewerbungen durch die zwölfköpfige Jury unter Vorsitz von Beat Aeberhard ausgewählt und aufgefordert, einen Projektvorschlag einzureichen. Nach mehreren Besprechungsrunden gingen Ezmann Fischer Partner und Lorenz Eugster Partner aus dem dialogischen Verfahren als Sieger hervor.

Der Quartierplatz auf dem «Westfeld». Bild: Nightnurse Images

Das Projekt des Siegerteams positioniert die zwei geforderten Gebäude (eins davon ist das LeNa-Haus der Genossenschaft «Lebenswerte Nachbarschaft») als grossen Blockrand um einen begrünten Wohnhof und setzt so gemäss Jury den zwei wuchtigen Protagonisten (altes und neues Spital) etwas entgegen. Das wesentliche Konzept von LeNa ist Lebensqualität dank gemeinschaftlich genutzten Räumen und Zusammenleben mit Austausch. Durch Abnahmeverträge mit Landwirtschaftsbetrieben und einer Gemeinschaftsgastronomie geht LeNa zudem bei der ressourcenschonenden und umweltfreundlichen Ernährung neue Wege.

Der Wohnhof und die grosszügige, öffentliche Freifläche sind laut den Bestellern die markantesten Merkmale des Westfelds: «Der Wohnhof steht als Sinnbild für das gemeinschaftliche Wohnen. Anders als bei einer typischen Basler Blockrandbebauung ist der Innenhof nicht parzelliert und damit privatisiert, sondern nachbarschaftlicher Ort der Begegnung», ist in der Mitteilung von «wohnen & mehr» zu lesen. Vom Studio bis zur Clusterwohnung, von der Alterswohnung mit Service bis zur grossen Familienwohnung ist ein vielfältiger Wohnungsmix mit effizienten Grundrissen und in verschiedenen Grössen auf dem Areal zu finden.
 
Über das Gelände soll sich ein grüner Streifen ziehen, der den Kannenfeldpark im Nordosten des Areals mit dem Bachgraben-Gebiet im Südwesten verbindet. Die Freifläche ist mit zweistöckigen Pavillongebäuden strukturiert. Der Quartiergarten auf der Parzelle des Felix-Platter-Spitals ergänzt das Freiraumangebot. Als öffentliche «Scholle» konzipiert, soll das Westfeld die Chance für Begegnung, Spiel und Aufenthalt für alle Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers bieten. Eines der zwei Personalhäuser auf dem Areal wird voraussichtlich bis ins Jahr 2024 wie bisher als Wohnheim für Flüchtlinge genutzt. Das andere wird im Rahmen der ersten Bauetappe im Jahr 2019 abgebrochen. Das ehemalige Verwaltungsgebäude bleibt erhalten und wird saniert. Der Sockel des neuen Spitalaltbaus, der einen Durchgang ins Areal bekommen soll, werde unter anderem Kinderbetreuung, Café und Veranstaltungsräume beherbergen. Als Referenz sieht man in den Unterlagen zur Medienorientierung des Westfelds die Kalkbreite in Zürich und das Unispital Basel, die als halböffentliche Gebäude mit einer «gedeckten Allmend» Vorbilder sind.
 

Modellfoto. © Enzmann Fischer Partner

* Teilnehmende Teams

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