Besser Selbermachen?
Jenny Keller
26. März 2015
Christian Horisberger 2012, Enzo Mari 1974, Sibylle Stoeckli 2012. Bild: Laura Pregger, © Depot Basel
Im Schaudepot des Museums für Gestaltung in Zürich kann man noch bis zum 31. Mai selbst Hand anlegen. Und dabei darüber nachdenken, weshalb Selbstgemachtes besser sein soll als Gekauftes.
Letzte Woche wurde «Do It Yourself Design», die aktuelle Ausstellung im Museum für Gestaltung auf dem Toni-Areal in Zürich, eröffnet. Die Ausstellungsmacherinnen und –macher – es handelt sich um eine Kooperation des Museums für Gestaltung mit dem MAK in Wien – zeigen die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des «Do It Yourself Designs», kurz DIYD. Architekten könnten es nicht besser wissen: Gemäss der Losung «everybody is a designer» kommen Bauherren mit fertigen Entwürfen zur ersten Sitzung, oder kontaktieren den Experten erst, wenn beim eigenhändigen Umbauen etwas schiefgegangen ist. Architekten sind aber auch selbst die besseren Designer und statten nicht selten das (erste) Büro mit eigenen Tisch-, Regal-, und sonstigen Entwürfen aus. Also sollte man sich das Phänomen «Do It Yourself» (DIY) einmal genauer ansehen.
Van Bo Le-Mentzel, 100 Sec Lamp, 2010, Nachbau Museum für Gestaltung Zürich. Bild: Umberto Romito © ZHdK
Die historische Entwicklung des DIY beginnt in den 1960er- und 1970er-Jahren als Antwort auf die klassische Moderne und stellt einen Befreiungsversuch von der «guten Form» dar, lernt man zu Beginn der Ausstellung. Doch schon 1912 wurden in der Zeitschrift «Suburban Life» Anleitungen zum Streichen der eigenen vier Wände abgedruckt. Die Ausstellung gliedert das Phänomen in vier Bereiche: In Kategorien wie «Was ist Do It Yourself?», «Design für Do It yourself», «Konsument & Prosumer» sowie «Nachhaltigkeit» wird DIY im Bereich des Möbeldesigns und der Innenraumgestaltung mit von der Werkstatt des Museums hergestellten Möbeln dar- und ausgestellt. Im ersten Bereich liegen allerlei Zeitschriften auf, die man heute scheinbar an den Kiosken kaufen kann, in denen Bau- und Backanleitungen oder Strickmuster zu finden sind. Hier wird klar: DIY, hat den gesamten Lebensbereich und mehr als bloss «Garten, Bau und Hobby» erfasst.
Susi und Ueli Berger, 5-Minuten-Stuhl, 1970, Nachbau Museum für Gestaltung Zürich. Bild: Umberto Romito © ZHdK
Im Bereich des selbstgemachten Möbeldesigns herrscht eine klare Formensprache. Die Entwürfe sind eckig und kantig, bei den Farben dominiert Beige und Hellgelb. Das liegt daran, dass vor allem Span-, OSB- und MDF-Platten verarbeitet wurden, die preisgünstig und in jedem Baumarkt zu haben sind. So sind die beiden Fünf-Minuten-Stühle von Ueli und Susi Berger (1970) – die von der Museumswerkstatt ebenfalls nachgebaut worden sind – zwar materielle und formale Exoten, aber wichtige Zeugen der Vergangenheit von DIY in der Schweiz.
Van Bo Le-Mentzel, Hartz IV Möbel, 2010–2012, Bild: Daniela Gellner
Im Zentrum der Ausstellung steht ein beinahe komplettes «Zimmer», eingerichtet mit «Hartz-IV-Möbeln», eine Erfindung des Berliner Architekten Van Bo Le-Mentzel. Sein «24-Euro-Sessel» zum Beispiel soll «möglichst vielen Menschen Zugang zu hochwertiger Gestaltung mit gesunden Materialien und die Freude an zeitlosen Alltagsdingen ermöglichen», ist auf der Website des Gestalters zu lesen. Der Sessel sei ausserdem inspiriert von der «Unaufgeregtheit des Do-It-Yourself-Möbels ‹Crate Chair› von Gerrit Rietveld (1938), die Proportionen eines Armchairs von Erich Dieckmann (1928), den Purismus des Wassily-Club-Sessels von Marcel Breuer (1925) und die Filigranität des Barcelona Chairs von Mies Van der Rohe (1929)».
So weit so gut. Doch irgendwie beschleicht einen das Gefühl, dass auch bei diesem bestimmt sehr ehrenhaften Bestreben nach einer Demokratisierung der Möbelproduktion die gute Form vorherrscht und die Gestalter den armen Leuten, die nicht nur das Geld nicht haben, sondern es halt auch nicht besser wissen, das richtige Design aufoktroyieren wollen.
Bild aus der Ausstellung.
Wir sind an der Hochschule für Gestaltung, deshalb fragt die Ausstellung auch nach dem Platz des etablierten Gestalters beim Phänomen Selbermachen, ob DIY Auswirkungen habe auf den Designprozess als solchen und wie Designerinnen und Designer darauf reagieren.
Der «Stool around the World» beispielsweise – entwickelt vom Fab Lab Zürich – wird in sechs Varianten in der Ausstellung gezeigt. Hat man per Zufall eine CNC-Fräse zur Hand, oder ein Fab Lab in der Nähe, kann mit dem frei verfügbaren Schnittmuster und etwas Vorwissen so ein Schemeli einfach nachgebaut werden.
Andreas Bhend, Frosta X 2.0, 2014. Bild © Andreas Bhend
Der Produktdesigner Andreas Bhend hat «Ikea gehackt» und aus dem Hocker «Frosta» von Ikea verschiedene andere Möbel konstruiert. Auf seiner Website können die Bauanleitungen, die Schritt für Schritt zeigen, wie der Umbau in ein Wandregal, einen Kleiderständer oder einen Beistelltisch funktioniert, heruntergeladen werden. Das Ganze hat selbst beinahe Performance-Qualitäten, und man darf gespannt sein, was Bhend zusammen mit interessierten Besucherinnen und Besuchern am 6. Mai an seinem Workshop «Do It Differently» noch weiteres aus einem Hocker hervorholt.
Neben einer offenen Werkstatt, die in die Ausstellung integriert und während der Öffnungszeiten zugänglich ist, gibt es an speziellen Terminen die Möglichkeit, selbst etwas Grösseres herzustellen. Unter kundiger Anleitung eines Experten.
FROSTA XYZ from Andreas Bhend on Vimeo.
Trailer from the project t Ikea Hack Frosta XYZ.
It's a stop-motion video and shows the three different hacks made out of the stool Frosta from Ikea.
Find more on my portfolio: coroflot.com/andreas_bhend
Or find the manuals to buil the hacks: issuu.com/andreasbhend
Die Ausstellung spannt mit diesen Vermittlungsangeboten einen schönen Bogen von der
der Vergangenheit der DIY-Bewegung in die aktuelle Gegenwart. Doch die DIY-Bewegung wird nicht nur positiv bewertet. In einem Manifest-artig geschriebenen Statement «Don’t do it yourself» schreibt Lis Anne Auerbach gegen die «beschissene Heimwerkerei, haufenweise kaum benutzte Werkzeuge, übriggebliebene Verbrauchsmaterialien und unvollendete Projekte» an. Auerbach ist der Meinung, dass beim DIY nur eine weitere Gelegenheit zum Einkaufen vorliegt und findet, man solle wieder in Menschen statt in Material investieren. Leider ist das Büchlein in der Ausstellung unverständlicherweise in seine Druckfahnen zerstückelt und aufgehängt worden, und man muss den interessanten Text auf anstrengende Weise lesen, indem man von Seite zu Seite springt – hier hätten die Ausstellungsmacher das DIY vielleicht auch bleiben lassen sollen. Bestellen kann man es zum Glück selbst, und zwar online unter www.adocs.de/buecher.