Wolkenwohnen

Ana Otero Architektur
6. Oktober 2022
Auf der Südseite sind die beiden Häuser um einen sonnigen Gemeinschaftsplatz gruppiert. (Foto: Andreas Buschmann)
Frau Otero, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Die beiden polygonalen Punkthäuser sind sehr kompakte und effiziente Gebäude: Ein einziges Treppenhaus erschliesst drei beziehungsweise sogar fünf Wohnungen pro Geschoss. Durch die polygonalen, von organischen Formen der Natur abgeleiteten Grundrisse wird nicht nur eine optimale Belichtung und Orientierung aller Wohnungen ermöglicht, vielmehr erhalten auch alle Wohnräume eine ungeahnte Grosszügigkeit und Vielfältigkeit. Bei der Ausgestaltung der Räume haben wir den Menschen und seine Bewegung im Raum in den Vordergrund gestellt.

Diese polygonale Architektursprache haben wir mit einem stimmigen Farbkonzept sowie durch die Verwendung von Ornamenten ergänzt. Unserer Suche nach Schönheit und dem Besonderen ausgerechnet bei einem genossenschaftlichen Wohnungsbau liegt die Idee zugrunde, dass jeder Mensch wertvoll ist und besonderes Wohnen für alle möglich sein und gefördert werden sollte.

Zusammenspiel der Gebäude mit dem wilden Schmetterlingsgarten (Foto: Andreas Buschmann)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Die Inspiration für die Ausgestaltung der Gebäude war die Expressivität der Wolken, ihre geometrischen Konstellationen und Zwischenräume. So ist eine neue Architektursprache entstanden, abgeleitet von und im Dialog mit den in der Natur vorhanden mathematischen und geometrischen Prinzipien der einzelnen Elemente der Wolken. Hinsichtlich der räumlichen Abfolge in jeder Wohnung ist zudem die polygonale Suche nach Ergänzung und Dialog zwischen den Zimmern und dem Wohnbereich mit der einer Wolkenformation vergleichbar. Im Detail sind die Formprinzipien der Wolkenelemente vertieft ausgearbeitet und zwar mittels Fragmentierung ins immer kleiner Werdende, abgleitet von den gleichen geometrischen Prinzipien: von der gesamten Gebäudeform bis hin zu den kleinsten Gebäudeteilen wie den Badezimmerplatten oder den Ornamenten der Balkongeländer.

Licht- und Schattenspiele im Wohnzimmer (Foto: Andreas Buschmann)
Die polygonale Architektursprache der Gebäude wird durch ornamentale Elemente wie die Balkongeländer ergänzt. (Foto: Andreas Buschmann)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Die beiden Ersatzneubauten mit 35 Wohnungen befinden sich in Zürich-Affoltern am Übergang zwischen Stadt und Landschaft. Diese besondere Lage am Siedlungsrand spiegelt sich in der Setzung, Verformung und dem architektonischen Ausdruck der Gebäude wider. Auch die Aussenraumgestaltung von Johannes von Pechmann orientiert sich an dieser Dualität, indem Blumenwiese, Staudengarten und Obstbäume von der Naturseite um die Gebäude herum in die Siedlung hineinfliessen, während sich die beiden Gebäude auf ihrer dem Siedlungsraum zugewandten Südseite um einen klar gestalteten Gemeinschaftsplatz gruppieren.

Ein stimmiges Farbkonzept verbindet Innen- und Aussenräume. (Foto: Andreas Buschmann)
Wie gliedern sich die Gebäude in die Reihe der Entwürfe Ihres Büros ein?


Das Projekt «Wolkengespräch» und zahlreiche Wettbewerbsbeiträge meines Büros sind Teil einer Suche nach einer Architektur, die alle Sinne berührt und zugleich den harmonischen Zusammenklang zwischen den Bewegungen des Körpers und seiner sinnlichen Wahrnehmung ermöglicht. Um dies zu erreichen, suchen wir nach Formen und Atmosphären, welche die architektonische Erfahrung verstärken und Emotionen unterstützen.

Dieselben mathematischen Verhältnisse, welche in der Musik Konsonanzen erzeugen und als Wohlklänge empfunden werden, finden in meinen polygonalen Geometrien ihre räumliche Übersetzung. Mit meiner Architektursprache bin ich stets auf der Suche nach harmonischen Geometrien, Formen und Proportionen, die Zusammenklänge hervorbringen, die Sinne erwecken und gleichzeitig die Grenzen zwischen Sinnlichkeit und Verstand, zwischen Zeit und Raum verwischen lassen. So entstehen Räume, in denen sich die Menschen wirklich geborgen und wohl fühlen.

Farbige Glasbausteine verwandeln die kompakten Treppenkerne in stimmungsvolle Orte der Begegnung. (Foto: Andreas Buschmann)
Welches Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


In Analogie zur Natur und dem nahen Wald dient Holz als konstruktives und gestalterisches Hauptmaterial: Auf einem das jeweilige Gebäude monolithartig im Untergrund verankernden Betonsockel befinden sich leichte Fassaden mit vertikaler Holzschalung und durchgehenden Lisenen, die auf die Bäume des nahen Waldes verweisen. Zudem dienen die Lisenen dazu, den Gebäuden mit ihren vielfältig gestalteten Fassaden einen einheitlichen Rhythmus zu verleihen und die Gebäudegeometrie zu stärken.

Schwarzplan
Grundriss Regelgeschoss
Schnitt
Bauwerk
Wohnüberbauung «Wolkengespräch»
 
Standort
Riedenhaldenstrasse 96 / 98, 8046 Zürich
 
Nutzung
2 Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 35 Wohnungen
 
Auftragsart
Offener Wettbewerb, 1. Preis
 
Bauherrschaft
Baugenossenschaft Waidmatt
 
Architektur
Ana Otero Architektur GmbH, Zürich
 
Fachplaner 
Landschaftsarchitektur: Johannes von Pechmann Stadtlandschaft, Zürich
Holzbauingenieur: Pirmin Jung, Rain
 
Bauleitung 
ffbk, Zürich
 
Jahr der Fertigstellung
2022
 
Gesamtkosten BKP 1–9 
CHF 14,8 Mio.
 
Gebäudevolumen
14337 m3
 
Energiestandard 
Minergie Standard (keine Zertifizierung)
  
Massgeblich beteiligte Unternehmer 
Holzbau: Tschopp Holzbau, Hochdorf
Glasbausteine: Semadeni Glasbeton, Horgen
 
Fotos
Andreas Buschmann

Vorgestelltes Projekt

fsp Architekten AG

Lokwerk Aufstockung Winterthur

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