Unter einem Dach
SEILERLINHART
19. Juni 2019
Foto: Rasmus Norlander
SEILERLINHART haben voriges Jahr ein altes Wohnhaus saniert und erweitert. Der Bau stammt aus dem Jahr 1722. Patrik Seiler stellt sich unseren Fragen.
Ort Ziegelhüttenstrasse 3a, 6060 Sarnen, OW
Auftragsart Direktauftrag
Bauherrschaft privat
Architektur Seiler Linhart Architekten BSA SIA
Jahr der Fertigstellung 2018
Gesamtkosten CHF 1.60 Mio.
Gebäudekosten CHF 1.25 Mio.
Gebäudevolumen 1'100 m3 (SIA 116) bzw. 397 m3 (SIA 416)
Kubikmeterpreis 1'040 CHF pro m3
Auszeichnung Bauen im Bestand, Respekt und Perspektive Award, Anerkennungspreis, Deutsche Bauzeitung
Fotos Rasmus Norlander
Nordfassade mit Hauptzugang (Foto: Rasmus Norlander)
Neuer hölzerner Südanbau (Foto: Rasmus Norlander)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?Hervorzuheben ist die Entstehungsgeschichte und dabei im Speziellen die schillernde Figur des Bauherrn – dem Jesuitenpater Johann Baptist Dillier. Nach Jahren im Jesuitenorden in Italien kehrte er in seine Schweizer Heimat zurück und eröffnete 1709 ein privat betriebenes Seminar in Sarnen, welches als Vorläufer der heutigen Kantonsschule gilt.
Für die Student*innen des Seminars errichtete er 1722 unweit vom Sarner See ein Schul- und Wohnhaus. Der historisch bedeutende Bau wurde während dem 19. und 20. Jahrhundert wiederholt umgebaut und verändert. Bei der nun realisierten Sanierung und Erweiterung ging es darum, die architektonischen Qualitäten des Hauses wieder sichtbar zu machen und es qualitätsvoll auszubauen.
Die Stube (Foto: Rasmus Norlander)
Welche Ideen liegen diesem Projekt zugrunde?Der Umbau entstand unter dem Motto der «ergänzenden Wiederherstellung». Dabei ging es weder um eine spurenverwischende Restitution noch um eine pathetische Alt-Neu-Rhetorik und auch nicht um eine detailverliebte Fragmentierung räumlicher Einheiten. Das Ziel war vielmehr, in der Logik des Gebäudes selbstverständlich weiterzubauen. Trotz der vorhandenen Vielfalt an Formen und Oberflächentexturen bleiben die Eingriffe untereinander verbunden.
Erschliessungszone im Altbau (Foto: Rasmus Norlander)
Die neue Dachkammer (Foto: Rasmus Norlander)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?Der Ort hat das Projekt massgebend und auf verschiedenen Ebenen bestimmt. Auf dorfbaulicher Ebene war es uns wichtig, den bestehenden, historischen Zugang zum Haus durch einen üppig bewachsenen Vorgarten zu erhalten und sämtliche notwendigen baulichen Erweiterungen auf der Rückseite des Hauses zu platzieren. Auf Hausebene erinnert die Art und Weise wie das Gebäude durch eine feingliedrige hölzerne Raumschicht erweitert wurde an Nebengebäude und Holzschuppen, welche man bei traditionellen Gebäuden vor Ort vielfach vorfindet. Auf Detailebene schliesslich kamen lokale Materialien und Handwerkstechniken zum Einsatz.
Foto: Rasmus Norlander
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?Bei jedem unserer Bauten findet ein intensiver Dialog mit der Bauherrschaft wie auch den Planern statt. Wir versuchen in einem iterativen Prozess auf die unterschiedlichen Bedürfnisse aller einzugehen. Die Arbeit mit Varianten, die der Bauherrschaft vorgelegt werden, unterstützt diese Methodik und animiert diese, sich mit der Gestaltung ihrer zukünftigen Räume auseinanderzusetzen.
Die neue Wohnküche (Foto: Rasmus Norlander)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?Wir versuchen unseren Häusern Bedeutung zu verleihen, indem wir Vorhandenes aufgreifen, stärken und damit der Geschichte des jeweiligen Ortes ein weiteres Kapitel hinzufügen. Wir möchten Tradition und Gegenwart in unseren Arbeiten miteinander verbinden, wobei diese atmosphärisch dicht und bis ins Detail präzise ausgearbeitet sind. Auch bei diesem Projekt haben wir dieses Ziel verfolgt und von Anfang an versucht, das Haus nicht als alleinstehendes Objekt, sondern als Teil einer dörflichen sowie gesellschaftlichen Gesamtkonstellation zu begreifen.