Traditionell modern

Degelo Architekten
8. August 2024
Blick von Norden, also aus Richtung des Hauptbahnhofs und Europaplatzes, auf den Haupteingang (Foto: Achim Birnbaum)
Herr Walter, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Das Heidelberg Congress Center (HCC) bildet ein markantes Zeichen im neuen Stadtteil Bahnstadt. Als öffentliches Gebäude in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof kommt ihm eine wichtige Rolle im städtischen Kontext zu. Mit dem HCC ist ein äusserst flexibles Kongresshaus entstanden, das für verschiedene Veranstaltungsformate genutzt werden kann. Rund 3800 Personen können dort gleichzeitig an Konferenzen, Symposien, Meetings oder Barcamps teilnehmen. 

Der Grosse Saal ist zweifellos das Herzstück des komplexen Raumgefüges des HCC. Dort fällt das natürliche Licht durch elliptische Aussparungen am seitlichen Rand des Kappengewölbes, sodass der eigentlich schwere Beton wirkt, als würde sich leichter Stoff entfalten.

Durch die grobe Oberflächenbearbeitung tritt die feine gelbliche Maserung des Natursteins in den Hintergrund. (Foto: Degelo Architekten)
Foto: Achim Birnbaum
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Inspirierend für uns war an diesem Ort das Heidelberger Schloss. Sogar als Ruine ist dieses Gebäude noch beeindruckend und prägend für die ganze Stadt: Sei es aufgrund seiner Grösse oder durch seine massiven Sandsteinwände, die die Zeiten zu überdauern scheinen. Unser Ansporn war, ein Gebäude zu schaffen, das sich ebenfalls eher durch Dauerhaftigkeit auszeichnet, als aktuellen architektonischen Tendenzen zu folgen.

Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Das Gebäude ist zwar ein Solitär, wendet sich aber mit den skulpturalen Einschnitten und den Glasfronten den beiden wichtigen Plätzen zu, an denen es situiert ist. Die sehr grossen Eingänge in der geschlossenen Sandsteinfassade gleichen dem Rahmen einer Bühne, die den Blick ins Innenleben des HCC inszenieren. So kommuniziert das Gebäude unmittelbar mit dem umgebenden Stadtraum und verdichtet dessen städtischen Charakter. 

Im Erdgeschoss empfängt ein grosses Foyer die Gäste. (Foto: Achim Birnbaum)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Als Passivhaus geplant, ist das HCC fortschrittlich und architektonisch zukunftsorientiert. Zugleich knüpft sein äusseres Erscheinungsbild durch das Fassadenmaterial Sandstein aber wie gesagt auch an traditionelle Architekturen in Heidelberg an.

Eine gewisse Ambivalenz ist auch im Ausdruck der Fassaden zu finden: Das Gebäude öffnet sich mittels grosser Glasflächen zum Stadtraum, gleichzeitig präsentieren sich die Sandsteinfassaden weitgehend fensterlos und kontrastieren so mit der Transparenz der verglasten Anteile. Die Bearbeitung des Steins erfolgte sowohl in traditioneller Handarbeit als auch unter Einsatz computergesteuerter Werkzeuge. Die Verbindung all dieser Gegensätze bildet Spannungsfelder aus, die die Architektur des HCC ausmachen.

Der Grosse Saal mit Kappengewölbe und Oberlicht ist das räumliche Zentrum des neuen Kongresshauses. (Foto: Degelo Architekten)
Blick in die Flurzone des Obergeschosses (Foto: Achim Birnbaum)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Das ist sicher der Naturstein: Durch die Verwendung des regionalen Neckartäler Buntsandsteins für die Fassade verankert sich das Gebäude harmonisch im Stadtraum. Der Stein zeichnet sich durch ein reizvolles Farbspektrum aus, das von rötlich bis gelblich reicht. In Verbindung mit den Kanneluren, den ornamentalen tropfenförmigen Rundfenstern und dem Wechsel von glatten und rauen Oberflächen bietet der Sandstein als Fassadenmaterial ein reiches Farb- und Lichtspiel. 

Kanneluren und tropfenförmige Rundfenster prägen die Fassaden aus Neckartäler Buntsandstein. (Foto: Achim Birnbaum)
Die Dachterrasse kann wie ein Hof oder als Freilichttheater genutzt werden. (Foto: Degelo Architekten)
Situation (© Degelo Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (© Degelo Architekten)
Grundriss Obergeschoss (© Degelo Architekten)
Schnitt (© Degelo Architekten)
Bauwerk
Heidelberg Congress Center (HCC)
 
Standort
Czernyring 20, 69115 Heidelberg, Deutschland
 
Nutzung
Kongresszentrum 
 
Auftragsart
Wettbewerb
 
Bauherrschaft
BSG Bau- und Servicegesellschaft mbH, Heidelberg, Deutschland
 
Architektur
Degelo Architekten, Basel
Projektverantwortlicher Partner: Florian Walter
Projektleiter: Joel Heritier
 
Fachplaner 
Tragweksplaner: AWD Ingenieurgesellschaft mbH, Köln, Deutschland
Landschaftsarchitektur: Berchtold.Lenzin Landschaftsarchitekten, Basel
HLKS- und GA-Planer: Team für Technik GmbH, Karlsruhe, Deutschland
Elektroplaner: pbr Planungsbüro Rohling AG, Osnabrück, Deutschland
Bauphysik- und Akustikplaner: GN Bauphysik, Stuttgart, Deutschland
Lichtplaner: Envue Homburg Licht GmbH, Berlin, Deutschland
 
Bauleitung 
Ernst2 Architekten AG, Heidelberg, Deutschland
 
Fertigstellung
2024
 
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 110 Mio.
 
Energiestandard 
Passivhausstandard; das DGNB-Zertifikat in Gold wird angestrebt.
 
Massgeblich beteiligte Unternehmer
Betonarbeiten: Ed Züblin AG, Karlsruhe, Deutschland
Holzfenster: Schreinerei Koch GmbH, Otzberg, Deutschland
Natursteinfassade: Bamberger Natursteinwerk, Bamberg, Deutschland
Terrazzoböden: Freese Fussbodentechnik, Rudolstadt, Deutschland
 
Fotos
Achim Birnbaum und Degelo Architekten

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