Bijoux im Hinterhof

lehnertomaselliarchitekten
18. Juli 2024
Den Eingang zum neuen Foyer an der Schulgasse ziert die originale Beschriftung aus dem Jahr 1956. (Foto: Marc Eggimann)
Herr Tomaselli, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Das Marabu hat einen besonderen Charme. Der Bau ist einer der letzten geschichtsträchtigen Zeitzeugen im Ortskern der Gemeinde Gelterkinden. Aus denkmalpflegerischer Sicht war sein Erhalt sehr wichtig. Das Gebäude ist als kommunal schützenswert eingestuft und war bei Projektbeginn praktisch unverändert im Originalzustand erhalten. Die Anlage besteht aus dem 1822 errichteten Vorderhaus an der Schulgasse, in dem sich früher eine Schule befand, und dem Kino, das in den 1950er-Jahren im Schulhof gebaut worden war.

Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Unser Ziel war es, die Architektur der 1950er-Jahre zu erhalten. Alle Eingriffe sind darum maximal rücksichtsvoll erfolgt.

Das neue Foyer im Vorderhaus verfügt über einen Barbereich, der im Stil der 50er-Jahre gestaltet ist. (Foto: Marc Eggimann)
Der Aufgang zum Balkon im früheren Kinofoyer ist mit einer Marabu-Malerei geschmückt. (Foto: Marc Eggimann)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Wie bereits angetönt, ist das Kinogebäude im Hinterhof versteckt und von der Schulgasse aus nicht zu sehen. Dank des neuen Foyers im Vorderhaus tritt es nun jedoch an der Strasse in Erscheinung. Das Marabu gewinnt so an Präsenz in Gelterkindens Dorfkern. Wahrnehmung und Bedeutsamkeit des Kinos im Ort und in der ganzen Region wurden durch den Umbau gestärkt.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzenden den Entwurf beeinflusst?


In der Anfangsphase des Projekts, also zwischen 2015 und 2020, war der Verein Marabu unser Auftraggeber. Ab 2020 übernahm die Stiftung Marabu – Kulturzentrum für das Oberbaselbiet diese Aufgabe. 

Wir lernten das Gebäude immer besser kennen und verstehen. Unseren ursprünglichen Entwurf entwickelten wir kontinuierlich weiter. Auch die Anforderungen des Vereins als Nutzer haben sich im Laufe des Projekts verändert, wobei das Ziel, die langfristige Nutzbarkeit des Marabu sicherzustellen, von Anfang an verfolgt wurde. Mit der Gründung der Stiftung im Jahr 2020 wurde die Vertretung der Bauherrschaft professioneller, aber auch komplexer. Es galt nun, die Wünsche und Erwartungen verschiedener Interessengruppen zu berücksichtigen. Während des gesamten Entwurfs- und Bauprozesses war der Umgang mit den limitierten finanziellen Ressourcen eine sehr grosse Herausforderung.

Blick von der Bühne zum Balkon des Kinosaals (Foto: Marc Eggimann)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Beim Umbau des Marabu mussten besondere Herausforderungen gelöst werden: Den bestehenden Gewölbekeller haben wir funktional in das neue Raumkonzept integriert. So wurde aus dem ehemaligen Tankraum der Ölheizung eine Künstlergarderobe. Für die Schnittstellen zwischen den Bauten aus verschiedenen Epochen konnten wir gute Lösungen finden. Die gesamte Dachkonstruktion über dem Kinosaal ist ersetzt worden – bei gleichzeitigem Erhalt der schützenswerten Innendecke.

Bühne und Bühnentechnik wurden im Zuge des Umbaus erneuert. (Foto: Marc Eggimann)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Umbauten sind eine besondere Herausforderung für Architekten und verändern ihre Arbeitsweise. Die sorgfältige Analyse des Bestands und der Bausubstanz, aber auch der Architektursprache ist dabei sehr wichtig. Wir nehmen diese Herausforderung gerne an, das Um- und Weiterbauen macht einen grossen Teil unserer Arbeit aus. Mit dem Kino Marabu ist es uns gelungen, einen weiteren Zeitzeugen mit sorgfältigen Eingriffen zu erhalten.

Im einstigen Tankraum der Ölheizung ist neu die Künstlergarderobe eingerichtet. (Foto: Marc Eggimann)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Trotz der Lage im Dorfkern konnten wir uns mit der kantonalen Denkmalpflege darauf verständigen, dass Fotovoltaikmodule auf den nicht sichtbaren Dachflächen installiert werden dürfen. Ausserdem konnte durch den Ersatz der Dachkonstruktion die Gebäudehülle des Kinobaus im Hinterhof komplett energetisch saniert werden.

Situation (© lehnertomaselliarchitekten)
Grundriss Erdgeschoss (© lehnertomaselliarchitekten)
Schnitt (© lehnertomaselliarchitekten)
Bauwerk
An- und Umbau Kulturraum Marabu
 
Standort
Schulgasse 5 und 5a, 4460 Gelterkinden
 
Nutzung
Verschiedene Veranstaltungen wie Konzerte, Kinovorführungen und Theatervorstellungen
 
Auftragsart
Studienauftrag
 
Bauherrschaft
Stiftung Marabu – Kulturzentrum für das Oberbaselbiet
 
Architektur
Lehner + Tomaselli AG, Sissach
Damiana Imhof (Projektleitung), Angelo Tomaselli, Cedric Senn und Claudia Furtner
 
Fertigstellung
2023
 
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 3.9 Mio.
 
Gebäudekosten BKP 2
CHF 3.1 Mio.
 
Auszeichnung
Auszeichnung für gute Baukultur des Baselbieter Heimatschutzes, 2023
 
Fotos
Marc Eggimann, Basel

Verwandte Artikel

Vorgestelltes Projekt

CH Architekten AG

Neubau Baggenstos

Andere Artikel in dieser Kategorie

Alle unter einem Dach
vor einer Woche
Warten auf Francesco
vor 2 Wochen
Traditionell modern
vor 3 Wochen
Drei Giebel
vor einem Monat
Lernen in der Seifenfabrik
vor einem Monat