Behaglichkeit ist nicht kompliziert
OEKOFACTA GmbH
2. Dezember 2021
Eingangsbereich der Tenne (Foto: Philipp Stäheli)
Für eine Familie hat Saikal Zhunushova ein Flarzhaus in Bauma umgebaut. Ihr Erstlingswerk gewinne seine Stärke aus seiner Einfachheit, erklärt die Architektin.
Saikal, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Es handelt sich um ein historisches Gebäude, das im Inventar der Kulturobjekte Bauma eingetragen ist. Die Tragstruktur war in gutem Originalzustand und sollte unverändert bleiben. Die niedrigen Geschosshöhen sollten mit der vertikalen Erschliessung (regelmässige Aufteilung der Tritthöhe) zusammenpassen.
Das Gebäude ist ein Flarz. Bei dieser alten Typologie sind mehrere Wohneinheiten ähnlich wie bei einem modernen Reihenhaus direkt aneinandergebaut. Das Haus ist darum zu zwei Seiten von Brandwänden begrenzt. Die juristische Grenzlinie zu den links und rechts anschliessenden Gebäudeteilen verläuft durch die Tragkonstruktion. Auch konnten wir Infrastrukturen wie Stromkasten, Kanalisationsleitungen und dergleichen wegen der speziellen Konfiguration nicht einfach ändern. Kurzum, wir mussten uns mit den Besitzern der beiden Wohneinheiten links und rechts gut absprechen und deren Einverständnis einholen.
Küche mit Fensterbank aus Schieferplatten (Foto: Philipp Stäheli)
Kinderzimmer im Obergeschoss (Foto: Philipp Stäheli)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?
Die Geschichte der Flarzhäuser war die erste Inspiration für die Umsetzung des Nutzungsprogramms. Die Einfachheit der Nutzung und des Ausbaus lag in der Geschichte des Hauses begründet.
Schon früher war wichtig, den Ofen zentral im Haus zu positionieren. Daran hat sich durch die neuen Nutzer nichts geändert. Seit dem Umbau ist der Ofen im Zentrum des erweiterten Wohnbereichs platziert.
Kinderzimmer im Dachgeschoss (Foto: Philipp Stäheli)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Die Bauschaft ist eng mit dem Ort verbunden. An den ersten Besprechungen habe ich mit der Familie über das Klima am Bauplatz gesprochen. Sie erzählte, dass dort oft die Sonne scheint und es praktisch nie Nebel hat. Das Haus ist auch optimal Ost-Süd ausgerichtet. Diese Gegebenheiten waren sehr wichtig für die Raumaufteilung und für die Wahl der Materialien – zum Beispiel entschieden sie darüber, wo die Küche sein soll oder weshalb deren Fensterbank aus dunklem Schieferstein besteht: Das Material, das wir auch für den Boden verwendet haben, dient als Speichermasse, die im Winter als passiver Kollektor die einfallende Sonnenenergie aufnimmt. Die Steine sind in der Tenne direkt auf Splitt verlegt, es gibt keinen Unterlagsboden. So kann die aufsteigende Feuchtigkeit in den Raum verdunsten. Was dabei zu viel ist, wird vom Lehmputz an den Wänden aufgenommen. So entsteht ein angenehmes Raumklima.
Treppenaufgang ins Dachgeschoss mit Abstellkammer (Foto: Philipp Stäheli)
Detail der Treppe aus Eiche (Foto: Philipp Stäheli)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?
Schon an den ersten Besprechungen wurde klar, dass meine Bauschaft eine einfache Nutzung wünscht. Das Haus sollte leicht und günstig zu unterhalten sein. Der Entwurf sollte einer klaren, nachvollziehbaren Logik folgen. Die Bauschaft wollte mit dem Ofen heizen und im selben Feuer auch Brot backen. Sie wünschte keine komplizierte Technik. Die Küche war für sie sehr wichtig. Sie kennt sich ausserdem gut mit natürlichen Baumaterialien aus. Es war nicht schwer, ihr die bauphysikalischen Zusammenhänge zu erklären. Sehr früh entdeckten wir auch unsere gemeinsame Vorliebe für unbearbeitete, echte, rohe Materialien und für einfache Lösungen. Wir haben grosses Vertrauen in die bauphysikalischen Eigenschaften von Naturbaustoffen.
Sichtbezug zwischen Ober- und Dachgeschoss (Foto: Philipp Stäheli)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?
Sehr lange hatten wir vor, den Bau in Elementbauweise zu realisieren. Dann reifte jedoch die Erkenntnis, dass es sehr aufwendig bis gar unmöglich werden würde, die grossformatigen Elemente in die bestehende Struktur einzubringen, ohne dabei die alte Konstruktion zu verletzten. Alle Böden haben wir daraufhin aus massivem 10 Zentimeter dicken Brettschichtholz mit Nut und Kamm aufgebaut. Das Treppenhaus wurde vor Ort in Rahmenbauweise erstellt.
Der Ofen bildet das Zentrum des Hauses. (Foto: Philipp Stäheli)
Detail der Ofenummantelung aus Naturstein (Foto: Philipp Stäheli)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?
Ja, die öffentliche Diskussion um die Energiekrise hat sehr geholfen, die offene Verglasung im Erdgeschoss, die für das passivsolare Heizen nötig ist, beim Heimatschutz durchzusetzen. Wäre das nicht gelungen, hätten wir eine Holzschalung vor die Verglasung setzen müssen, wie es sonst üblich ist. Mit einfachen Sonnenstand-Renderings habe ich dargestellt, wie die Sonne in der Übergangszeit und im Winter auf den Schieferboden scheint, wodurch viel Heizenergie eingespart wird. Auch die aktuelle Tendenz zur Einfachheit hat bei der Verwirklichung des Projekts geholfen und seine Akzeptanz erhöht.
Alte Tragbalken und neue Böden aus Brettschichtholz (Foto: Philipp Stäheli)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?
Ich denke, unbearbeitete Naturmaterialien wie Holz, Lehm und Naturstein sind das Wesentliche an diesem Bauwerk. Sie ergänzen einander und schaffen ein angenehmes Raumklima – ohne technisch komplizierte Lüftungs- und Heizungssysteme. Mit ihnen zu arbeiten, ermöglicht eine sehr einfache Bauweise, die jedoch eine grosse Wirkung hat und ein Haus zum Wohnhaus macht.
Situation
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss Obergeschoss
Grundriss Dachgeschoss
Längsschnitt
Querschnitte
Umbau Flarzteil
Standort
Bauma
Nutzung
Einfamilienhaus
Auftragsart
Direktauftrag
Bauherrschaft
Privat
Architektur
OEKOFACTA GmbH, Winterthur
Saikal Zhunushova
Fachplaner
Denkmalpflege: Heinz Pantli, Verfahrensberater Denkmalpflege, Winterthur
Bauphysik: Helen Arni, BWS Bauphysik, Winterthur ZH
Jahr der Fertigstellung
2019
Gebäudevolumen
686 m3
Energiestandard
Entspricht dem Minergie-P, jedoch wurde kein Zertifikat beantragt.
Kunst am Bau
Kurt Furrer, Bauma: Ofenummantelung aus Naturstein Serpentine
Massgeblich beteiligte Unternehmer
Hafner (Ofenbauer): Hübscher Ofenbau GmbH, Waltalingen
Zimmerei: Brogle GmbH, Sennhof
Fenster: Keller Fensterbau-Schreinerei AG, Bazenheid
Schreinerarbeiten: Freihaus GmbH, Kreuzlingen
Fotos
Philipp Stäheli
Saikal Zhunushova im Interview über ihre Haltung und ihren Werdegang als Architektin
Die Holzbau-Unternehmerin Katharina Lehmann beschäftigt der Klimawandel. Sie hält Umweltschutz auch ökonomisch für sinnvoll.