Mehrfamilienwohnhaus
Ballet Mechanique
Manuel Herz Architekten
30. November 2017
Blick auf Westfassade. Bild: Roger Frei
Manuel Herz Architekten haben kürzlich ein Mehrfamilienhaus in Zürich Seefeld fertiggestellt. Unseren sechs Fragen stellt sich Manuel Herz.
Name des Bauwerks ChemicalMoonBaby
Nutzung Mehrfamilienwohnhaus
Ort Lindenstrasse 21, 8008, Zürich
Auftragsart Privater Wettbewerb
Bauherrschaft Privat
Architektur Manuel Herz Architekten, Basel | Mitarbeit: Stefan Schöch (Projektleitung), Penny Alevizou
Fachplaner Bauherrenvertretung: Odinga Picenoni Hagen AG, Uster, ZH | Baumanagement: Bühler & Oettli AG, Zürich | Bauingenieur, Fassadenplanung: Dr. Lüchinger+Meyer Bauingenieure AG, Zürich | HLKS Planung: MAS Engineering GmbH, Glattbrugg
Jahr der Fertigstellung 2017
Massgeblich beteiligte Unternehmer Baumeister: Jenny & Co AG, Ennenda, GL | Fassade: SFL Technologies, Stallhofen, Austria | Schreiner: Johann Rasshofer Schreinerei, Gmund, Deutschland |Metallbau: Schneebeli Metallbau, Zürich
Gebäudevolumen 2450 m3 (SIA 416)
Fotos Roger Frei
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Die Bauaufgabe war eigentlich eine recht alltägliche: Ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohnungen auf einem unbebauten Grundstück in einem gewachsenen Wohnquartier zu errichten. Aber die Bauherrin war eine sehr besondere Person, sodass ich das Potenzial sah, eine unkonventionelle Antwort auf diese Bauaufgabe zu geben. Grundsätzlich ging es mir bei dem Gebäude darum, mit den hervorragenden Qualitäten der Schweizer Baukultur – die Präzision des Handwerks, die Planungskultur etc. – ein Gebäude zu entwerfen, das gleichzeitig auch wiederum untypisch für die Schweizer Architektur ist.
Die Fassadenelemente erzeugen einen geschützten Aussenraum auf den Balkonen. Bild: Roger Frei
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Als ich die Bauherrin das erste Mal traf, zeigte sie mir nebenbei eine Skulptur: ein Tisch, der in sich zusammenfiel, wenn seine vier Beine einknicken, und der sich dann selber wieder aufrichten kann. Diese, etwas unbeholfene Kinetik war faszinierend. Dieser «Geist in der Maschine», also die Eigenschaft, dass etwas Mechanisches fast so etwas wie eine Persönlichkeit haben kann, hat mich beeinflusst.Mit den öffnenden und schliessenden Fassadenelementen ist das Gebäude aber auch eine Hommage an den grossen skulpturalen Baum der vorher an dessen Stelle auf dem Grundstück stand.
Die farbigen Innenseiten der Fassadenelemente schimmern in den Oberflächen der Innenräume. Bild: Roger Frei
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Der Bau befindet sich in einem kleinen Gebiet mit städtischen Villen der Gründerzeit, die alle einen quadratischen Grundriss aufweisen. Diese Grundfigur greift der Entwurf auf, und entwickelt daraus ein Gebäude, das – wenn die Fassade geschlossen ist – eine strenge quadratische Geometrie hat, oder sich wortwörtlich zu einer komplexen Formensprache entfalten kann. Eine andere Referenz ist sicherlich auch das Heidi Weber Museum von Le Corbusier, dass nur hundert Meter entfernt liegt. Dessen pavillon-artige Leichtigkeit, seine Farbigkeit und die Kombination von Stahlbau und Beton, waren auch Einflüsse.
Treppenhaus. Bild: Roger Frei
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?
Nachdem das Büro einen kleinen privaten Wettbewerb für sich hat entscheiden können, begann ein Planungsprozess, bei dem die Bauherrin uns durch eine grosszügige Offenheit viel Freiraum gab – gleichzeitig hat sie an wesentlichen Punkten mit einer präzisen Bestimmtheit das Projekt mitgeprägt. Wichtiger aber war noch ein anderer Aspekt: Selten habe ich eine Bauherrin erlebt, die soviel Mut hatte. Das war für das Projekt ganz entscheidend. Vermutlich hätte fast jeder andere Bauherr versucht, die bewegliche Fassade zu vereinfachen, oder im Sinne einer angeblichen Planungs- und Kostensicherheit zu streichen. Das die Bauherrin daran geglaubt und festgehalten hat, rechne ich ihr extrem hoch an.
Balkondiagramme
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?
Ich hoffe, dass sich meine Architektur nicht durch eine einheitliche, oder deutlich wiedererkennbare Formensprache definiert. Der Zürcher Neubau sieht ganz anders aus als beispielsweise meine Mainzer Synagoge. Gleichzeitig gibt es gemeinsame Interessen: Da ist zum einen der Versuch, die Fassade eines Gebäudes so zu verstehen, dass sie mehr als nur Gebäudehülle sein kann, und eine sich verändernde, aber auch eine symbolische und kommunikative Kraft haben kann. Ein anderes Thema, das man in Zürich, aber auch bei mehreren meiner Bauten sehen kann, ist das Hinterfragen von Regelwerken und Konventionen. Dabei geht es mir aber nicht um ein bewusstes «Anders-sein», sondern um die Frage, ob gebaute Architektur einen (gesellschaftlichen) Diskurs auslösen kann.
Balkonvarianten
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?
Insgesamt betrachtet zeichnet sich der fertige Bau durch eine sehr hohe Qualität des Handwerks aus, insbesondere beim Sichtbeton und den Schreinerarbeiten. Schwierig war es, eine Firma zu finden, die die beweglichen Fassadenelemente ausführen konnte. Nach langem Suchen in mehreren Ländern fanden wir nur zwei Firmen, die uns eine formen- und funktionsgerechte Ausführung zusichern konnten, von denen wir dann in einer Ausschreibung eine ausgewählt haben. Interessant – und vielleicht bezeichnend – war, dass diese Firma nicht aus der klassischen Baubranche, sondern aus dem Anlagen- und Maschinenbau kommt. Mit Hilfe eines Prototyps mussten sie uns (und den Behörden der Stadt Zürich) zuerst beweisen, dass die Balkone wirklich funktionieren, bevor die Fassade dann realisiert werden konnte. Das war schon eine grosse Herausforderung.
Situation
Erdgeschoss
Obergeschoss
Ansicht West geschlossen
Ansicht West offen
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