Lob des Minimums
Susanna Koeberle
24. de setembre 2019
Der Sessel «seley» in den beiden Varianten 1-423 und 1-425. (Foto: Alain Bucher © horgenglarus)
Der Zürcher Designer Frédéric Dedelley entwarf für den traditionsreichen Schweizer Möbelhersteller horgenglarus einen Sessel, der mit seiner kompakten Grösse und seiner unaufgeregten Anmut schon jetzt das Zeug zum Klassiker hat.
Vier Jahre sind eine lange Zeit – oder auch nicht. Für die 1880 bei Horgen gegründete und 1902 um den Werkstandort Glarus erweiterte Möbelfabrik horgenglarus steht Schnelligkeit nicht im Vordergrund. Der Qualitätsanspruch der Holzmanufaktur zeigt sich an Klassikern wie dem «classic 1-380», einem Werkentwurf aus 1918, der sich bis heute im Sortiment des Herstellers befindet. Schon früh arbeitete der Möbelproduzent mit namhaften Gestaltern zusammen, dazu gehören Max Ernst Haefeli, Werner Max Moser oder in neuerer Zeit das Studio Hannes Wettstein. Langsam gewachsene Produkte sind für das Unternehmen also nichts Aussergewöhnliches. Nachdem das Team von horgenglarus und der Zürcher Designer Frédéric Dedelley zwei Jahre über eine mögliche Zusammenarbeit gesprochen und schon Ideen ausgetauscht hatten, entschied man sich schliesslich, Nägel mit Köpfen zu machen, wie Marco Wenger, CEO von horgenglarus, anlässlich der Lancierung des neuen Stuhls «seley» erklärte. Am Anlass gab Frédéric Dedelley Auskunft zu seinem Entwurf. Dabei sprach er ganz offen aus, dass es für ihn auch Momente des Lampenfiebers gegeben habe bei der Entwicklung eines Produktes für einen so altehrwürdigen Hersteller. Der erfahrene Gestalter liess sich davon aber nicht beirren.
Der Designer Frédéric Dedelley entwarf erstmals für horgenglarus. (Foto: Alain Bucher © horgenglarus)
Für seinen Sessel ging er von den klassischen Konstruktionsmerkmalen des Produzenten aus. Diese hängen einerseits mit der Fertigung aus Massivholz zusammen, andererseits mit dem traditionellen Holzbiegeverfahren, das bis heute von Hand vorgenommen wird. Dedelleys Idee war, einen kleinen Sessel zu entwerfen, bei dem Rücken- und Armlehne zusammen eine Art Schild bilden. Dieses sollte in erster Linie ergonomisch sein und verschiedene Sitzpositionen ermöglichen. Zugleich verleiht dieses Merkmal dem Entwurf seine zeitgenössische Ausstrahlung. Typisch für einen horgenglarus-Entwurf ist die Reduktion auf wenige Bestandteile: zwei Vorder- und zwei Hinterbeine mit einem quadratischen Querschnitt, einen Sitz sowie eine Lehne – that’s it.
Sitzpolster und Holzfarbe sind subtil aufeinander abgestimmt. (Foto: Alain Bucher © horgenglarus)
Prägend für die Wirkung des Sessels ist die Farbwahl, die sich etwas absetzt von anderen Produkten aus dem Hause. Beim Thema Farbe hatte der Designer Carte blanche. Er sei selbst etwas erstaunt gewesen, dass alle acht Vorschläge angenommen wurden. Der Sessel wird in Buche, Eiche und Nussbaum angeboten. Aber eben auch in acht offenporig lackierten Seidenmattfarben wie etwa einem sonnigen Gelb oder einem schlichten Weiss. Die Abstimmung mit der Farbe des Sitzpolsters (dieses ist mit einem dehnbaren Wollstoff bespannt) ist ebenfalls gelungen. Zum wunderschönen, erdigen Rotton (mein persönlicher Favorit) gab Dedelley im Gespräch eine kleine Anekdote zum Besten: Er habe sich am Rot des Citroën BX orientiert, das sich offenbar trotz anfänglicher Skepsis als äusserst erfolgreich erwies. Dasselbe wünschen wir auch «seley».