Der Platz ist voll
Jenny Keller
2. d’octubre 2014
So sieht es momentan aus auf dem Sechseläutenplatz - Bild © zff.com
Zürichs neuer Platz und der erste, der diesen Namen verdient, hat ein Problem: Man sieht den Sechseläutenplatz selten ohne Festzelt oder Ähnliches. Der grosse und wirklich schöne Valser Quarzitboden ist meist bedeckt und Grund dafür ist die «Eventisierung» unserer Gesellschaft. Ein Eröffnungsfest, zwei Zirkusse, die Leichtathletik-EM (der violette Strich durch die ganze Stadt markiert noch immer die kürzeste Marathon-Strecke!), ein Zelt des Zurich Film Festivals und wahrscheinlich noch vieles mehr haben seit der Eröffnung des grössten Platzes der Schweiz den Platz auf dem Platz rar gemacht.
Ist der Platz halbbvoll oder halbleer? Im Nutzungskonzept des Tiefbauamts steht zwar, dass der Platz an 180 Tagen im Jahr der Bevölkerung zur Verfügung stehen muss und davon kommen 120 Tage im Sommerhalbjahr zu liegen. Wir haben anlässlich der Eröffnung geschwärmt und damals noch geschrieben, dass «der Sechseläutenplatz zu einem grossen Teil des Jahres in seiner ganzen Grösse und Weite als Platz in seiner ureigenen Bedeutung der Stadt zu Verfügung stehen wird.» Das stimmt so nicht. Wenn man pessimistischer oder realistischer veranlagt wäre, hätte man sich schnell ausrechnen können, dass 180 unbelegte Tage im Jahr auch bedeutet, dass der Platz ein ganzes halbes Jahr verstellt ist!
Dieses Sommerhalbjahr gab es am Bellevue sogar nur 97 leere Tage statt deren 120. Das ist eindeutig zu wenig. Darüber hat sich auch der Intendant des Opernhauses, Andreas Homoki, gestört, der die Nähe des Zirkus Monti zu seinem Premièrenpublikum nicht schätzte – nachzulesen in der NZZ am Sonntag von letzter Woche. Doch ob es nun die Drehorgelmusik eines Zirkus’, der Dulix-Gestank einer Sportveranstaltung oder der grüne Teppich des Filmfestivals ist, an dem man sich stört: Unser Leben wird zunehmend «eventisiert», eine Veranstaltung jagt die nächste, und die Stadtverwaltungen, ob links oder rechts, scheinen sich an der Kommerzialisierung ihrer Stadt nicht zu stören, so lange die Kasse am Ende des Jahres stimmt. Insofern ist der Vorstoss des Opernhaus-Intendants als Anregung für eine Diskussion über das Thema zu begrüssen, auch wenn er sich mit seiner wohl etwas elitären Klage und seinem Luxusproblem nicht nur Freunde gemacht haben dürfte.