Stabübergabe in der Baumuster-Centrale

Juho Nyberg
3. de desembre 2015
Materialien zum Be-Greifen in der Baumuster-Centrale. (Alle Bilder: SBCZ)

Im Jahr 1935 als «Demonstrative Propagandastelle des Baugewerbes» gegründet, hat die Baumuster-Centrale Zürich (SBCZ) seither die Entwicklung und Möglichkeiten des Bauens in vielfältiger, weil stets aktueller Weise begleitet und dokumentiert.
 
Bei Eröffnung in illustrer Gegend zwischen Börse und dem Hotel Baur au Lac an der Talstrasse gelegen, positionierte sich die SBCZ sogleich als Anlaufstelle für Fachleute. Im Gegensatz zu den verschickten Prospekten verschiedener Hersteller, die nur zufällig im genau richtigen Moment den Planenden erreichten, sollte die Baumuster-Centrale im konkreten Bedarfsfall präzise Auskunft geben.
Im Sog des wirtschaftlichen Aufschwungs der Nachkriegsjahre entwickelte sich auch die SBCZ weiter und wandelte sich von einer Baufach-Ausstellung zu einer dem breiteren Publikum zugänglichen permanenten «Baumesse», deren Angebot bereitwillig angenommen wurde, ist doch aus jener Zeit überliefert von mehreren Zehntausend Besuchern jährlich die Rede.
 
Dennoch liess das Interesse des Fachpublikums im Laufe der Jahre mehr und mehr nach. 2008 übernahm Werner K. Rüegger als neuer Geschäftsleiter die Geschicke der SBCZ. Noch an der Talstrasse 9 begann Rüegger sogleich mit der Neupositionierung, um sie wieder in den Fokus der Fachleute zu rücken.

Der Brownbag-Lunch hat sich als Informationsplattform etabliert. Bild: SBCZ

Informative Mittagessen
An der Talstrasse begonnen, wurde die Neuausrichtung nach dem Umzug 2010 an den heutigen Standort, die Weberstrasse 4, vollendet. Der Umzug markiert einen Meilenstein in der Geschichte der Baumuster-Centrale. Begleitend zur neu organisierten Materialbibliothek wurden verschiedene weitere Formate zur Wissensvermittlung entwickelt: Die beliebten Brownbag-Lunches informieren seit über fünf Jahren anhand konkreter Projekte über neue Produkte und Techniken und begrüssen bis zu 250 Besucher. In lockerem Rahmen eines gemeinsamen Pic-Nics über Mittag können Interessierte Erfahrungen aus erster Hand erhalten im Umgang mit neuen, teils exotischen Werkstoffen. Mit Architekten, Produzenten und Planern sind zumeist alle von der Idee über den Prototyp bis hin zur konkreten Anwendung Involvierten vertreten. Die Glaubwürdigkeit wird durch den Einbezug von Planenden und Kreativen erreicht. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema ist erlaubt, ja sogar erwünscht. Weiter vertiefen lassen sie sich oft in einem persönlichen Gespräch nach dem offiziellen Ende des Brownbag-Lunches.
 
Längerfristige Inspiration versprechen die Wechselausstellungen, die jeweils mit Vorträgen zum Thema eingeläutet werden. Beide Serien werden seit gut zwei Jahren vom Wettinger Architekten Stefan Baumberger verantwortet, der per nächsten Februar die Leitung der gesamten Baumuster-Centrale übernehmen wird. Von einem Generationenwechsel zu sprechen, wäre jedoch nicht wirklich zutreffend. Dank der oben erwähnten Veranstaltungen wie auch natürlich der nun optimal ausgespielten Kernkompetenz des SBCZ hat sie sich ihren Platz in der Fachwelt gesichert. Der Standort an der Weberstrasse hat sich als Glücksfall erwiesen, sind doch zahlreiche Architektur- und Ingenieurbüros in der Nähe angesiedelt. Die Abgrenzung gegenüber Ausstellungen wie etwa der Bauarena, wo Hersteller mit fertig eingerichteten Küchen und Bädern die Endverbraucher, sprich Laien, umgarnen, ist so auch räumlich manifest.
 

Stefan Baumberger übernimmt die Leitung der SBCZ per Februar 2016. Bild: SBCZ

Baustoffe kuratieren
Auch innerstädtisch angesiedelte Showrooms sind für Baumberger keine Konkurrenz, wie er gelassen erklärt. Anstelle potemkinscher Küchen und Bäder, die ja eine vollständige Welt abbilden, erhebt er für sich keinen Anspruch auf Vollständigkeit des Gezeigten – dafür aber sehr wohl einen Anspruch auf Relevanz.

In der unaufhaltsamen Innovationsflut gilt es den Überblick zu bewahren, dafür ist hier die Fachstelle. Prototypische Konstruktionen und Baustoffe werden sorgsam kuratiert, die licht gestalteten Reihen an grosszügig bemessenen Mustern gleichen einem Schaulager. Und wie ein Museum, soll auch die Baumuster-Centrale Überraschendes und Inspirierendes bieten. Bei aller möglichen Digitalisierung ist eine physische Ausstellung nicht ersetzen. Geruch, Haptik, Gewicht von Materialien können nur anhand eines wirklichen Musters erlebt, gespürt, gefühlt, gerochen werden. Daneben erwähnt Baumberger auch die serendipity, die im Internet von vorn herein nicht stattfinden kann, weil immer raffiniertere Algorithmen immer genauer berechnen wollen, was wir eigentlich suchen. Dabei geht die Möglichkeit einer glücklichen zufälligen, weil unbeabsichtigten Entdeckung verloren, die ein Projekt ebenso beeinflussen und in eine neue Richtung lenken kann, wie eine beim Feierabendbier unter Freunden oder auf einem Wochenendspaziergang entstandene Idee.
 

Holzbau und 3D-Druck illustrieren das breite Spektrum der gezeigten Werkstoffe. Bild: SBCZ

Als Gegenbeispiel verweist Stefan Baumberger auf einen Prototyp einer Stütze, die im 3D-Druckverfahren an der ETH Zürich hergestellt worden ist. Was wie ein wildes Bündel Lianen wirkt, ist in Tat und Wahrheit das Ergebnis eines Berechnungsmodells. Derzeit noch als inspirierendes Modell ausgestellt, werden solche Strukturen in nicht allzu langer Zeit Einzug halten in den Alltag des Bauens: Spezial wird Standard, davon ist Baumberger überzeugt.
 
Derweil wird das Potential der Computer anderweitig genutzt. «Das Internet ist die Gegenwart, nicht die Zukunft», sagt Baumberger. Die Besucher erhalten auf der Seite der Baumuster-Centrale weiterführende Informationen zu den ausgestellten Materialien, Links zu den Herstellern und zu Referenzobjekten. Auch die Verlinkung zu anderen Seiten ist enorm wichtig. Ein gelungenes Beispiel ist die Zusammenarbeit mit mtextur.ch, die auch digitale Texturen der Materialien zur Verfügung stellen.
 
Weitere Zusammenarbeiten stehen an: Die nächste zum Thema «Holz: Schutz und Erscheinung» ist in Zusammenarbeit mit LIGNUM Schweiz erarbeitet worden, wird am 10. Dezember mit drei Vorträgen eröffnet und dauert bis Ende Januar 2016.

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