Lichtsymphonie

Thomas Geuder
12. 六月 2013
Das «Daeyang Gallery and House» ist eingebettet in eine sehr heterogene und kleinteilige Bebauungsstruktur. (Foto: In ho Lee)

Soviel schon einmal vorweg: Als vom winterlichen Trübnass geplagter Mitteleuropäer freut sich Otto Normalbewohner über jeden Sonnenstrahl, der seine Haut erreicht – am liebsten am Strand liegend mit einem bunten Cocktail in der Hand. Da das bei ihm leider nicht allzu oft vorkommt, tut es gerne auch ein schöner Kaffee im gemütlichen Strassencafé. Man gönnt sich ja sonst nichts! Was draussen allerdings eine Form von Freiheit bedeutet, kann im Gebäude schnell zur Last werden. Dann nämlich etwa, wenn das direkte Sonnenlicht dem Raum zwar Helligkeit gibt, jedoch wie ein Spot nur kleine Flächen ausleuchtet und andere im Schatten lässt. Diese müssen dann – wenn es ganz blöd kommt – mit künstlichem Licht zusätzlich erhellt werden. Ökonomisch ist das nicht, denkt sich Otto. Dabei wäre doch oftmals genug Sonnenkraft da, um den ganzen Raum natürlich zu beleuchten. Man müsste das einfallende Licht nur besser verteilen!

Die Aussenwände des Sockelgeschosses tragen ein Negativmuster aus der Bewehrung mit Bambusstangen. (Foto: In ho Lee)

Sonnenschutzsysteme in Gestalt von raffiniert geformten Horizontal-Lamellen können das schon lange. Sie schützen den Raum vor direkter Sonneneinstrahlung und reflektieren das Sonnenlicht gleichzeitig an die Decke, wodurch der Raum indirekt mit natürlichem Licht versorgt wird. Der Vorteil bei diesen Systemen ist, dass man den Blick nach draussen grösstenteils erhält, wenn auch etwas eingeschränkt durch das horizontale Raster. Ein Nachteil ist, dass diese Art von Sonnenschutz meist aus mechanischen Teilen besteht, die vor allem aussen auf der Fassade angebracht hohen Belastungen durch Wind und Wetter ausgesetzt sind und deswegen nicht selten regelmässig repariert werden müssen. Freude kommt da beim Finanzcontrolling des Eigentümers ganz bestimmt nicht auf.

Eine Wasserbecken verbindet im oberen Geschoss die drei Parvillons zu einem Ensemble. Der kleinste Pavillon fungiert als Eingang zur Galerie. (Foto: In ho Lee)

Wenn die Transparenz nicht ganz so wichtig ist, sondern es hauptsächlich um die Versorgung mit natürlichem Licht geht, dann kann das Kapillarsystem Kapilux des unterfränkischen Herstellers Okalux eine gute Alternative sein. Unzählige transluzente (oder wahlweise weisse) Kapillarröhrchen streuen bei diesem Produkt das Tageslicht und werfen es gleichzeitig tief in den Raum. Das Licht, das den Raum sonst nur partiell beleuchten würde, erhellt den Raum nun diffus gleichmässig. Gleichzeitig bietet das System Schutz vor zu viel UV-Strahlung, ohne dabei aber das Farbspektrum merklich zu beeinflussen. Die beleuchteten Dinge behalten also ihre natürliche Farbigkeit. Fast schon ein positiver Nebeneffekt sind die sehr guten Wärmedämm- und Schallschutzeigenschaften der Kapillarplatten. Und das Schöne ist: In seiner Planung muss der Architekt im Prinzip keine besonderen Vorkehrungen treffen, denn das System ist als Einlage in den Scheibenzwischenraum entworfen und kann in Zweischeiben- oder in Dreischeibenverglasungen untergebracht werden. Unseren Tierfreund Otto freut allerdings am meisten, dass beim transluzenten Kapilux keine Vögel mehr lebensbedrohliche Flugmanöver starten werden.

Durch das durch die Lichtschlitze in der Decke einfallende Licht wird der Raum abhängig von der Tageszeit inszeniert. (Foto: Iwan Baan)

Den Architekten Steven Holl könnte man getrost als Fan von Kapillarsystemen bezeichnen. Bereits bei seiner «Cité d‘Ocean et du Surf» in Biarritz/Frankreich (2011) oder dem «Nelson-Atkins Museum of Art» in Kansas City / USA (2007) kam das Material zum Einsatz. 2012 nun hat er das Material im «Daeyang Gallery & House» im südkoreanischen Seoul wieder eingesetzt. Das Gebäude befindet sich in Hanglage, wobei aus städtebaulichen Gründen kein hohes Gebäude möglich war. In den oberen Geschossen besteht das Gebäude aus drei Pavillons, in denen sich ein der Wohnraum, ein Veranstaltungsraum und der Eingangsbereich für die Ausstellung befinden. Die grösseren Verkehrsflächen befinden sich beim «Daeyang Gallery & House» im Untergeschoss. Es verbindet alle drei Baukörper miteinander. Um das Untergeschoss möglichst natürlich zu beleuchten, hat Steven Holl insgesamt 55 Lichtschlitzen in den Decken entworfen, durch die viel Sonnenlicht hinunter fallen kann. Teilweise und gezielt sind deren Gläser mit den Kapillarplatten Kapilux T gefüllt, um das Tageslicht blendfrei und gleichmässig hinunterzuschicken – und gleichzeitig den Kunstlichtbedarf zu verringern. Licht und Raum gehen hier eine besondere Beziehung ein, bei dem ein ständiges Spiel zwischen transluzent und transparent entsteht. Die Räume erhalten durch das Wechselspiel des natürlichen Lichts stetig einen anderen, spannungsvollen Charakter.

Nicht alle Lichtschlitze wurden mit Kapilux gefüllt. So schafft Steven Holl ein Spiel aus Licht/Schatten und einer guten Ausleuchtung durch natürliches Licht. (Foto: In ho Lee)
Das Sockelgeschoss bietet ausreichend Platz zum Beispiel für gelegentliche klassische Konzerte. (Foto: In ho Lee)
Beams of Light“ beschreibt Steven Holl seine Inszenierung, die die „stillen Räume“ der oberen und unteren Etage durch Licht aktiviert.(Foto: In ho Lee)
Nahaufnahme eines Lichtschlitzes, der mit Kapilux bestückt ist. (Foto: In ho Lee)
Kapilux gibt es in drei Ausführungen: Die Typenbezeichnung T steht für eine Kapillarplatte aus transparentem Material, W bedeutet weiss eingefärbtes Material (auch andere Farben möglich). Beim Typ WS handelt es sich um weiß eingefärbtes Material mit geneigter Kapillarachse. (Foto: Okalux)
Die lichtstreuenden Isoliergläser von Okalux leuchten Räume ohne Schlagschatten tief und gleichmässig aus. Konventionelle Isoliergläser sorgen ausschliesslich in Fassadennähe für eine intensive Ausleuchtung und bilden dort Schlagschatten.. (Quelle: Okalux)
Bei einem Winkel von -30° gegen die Einfallsrichtung beträgt die Lichtintensität 60 %. (Quelle: Okalux)
Die Kapillar-Systeme bieten UV-Schutz bis 390 nm. (Quelle: Okalux)
Die Geometrie des Gebäudes ist inspiriert durch eine Skizze einer Partitur des Komponisten Istvan Anhalt, die «Symphony of Modules», die in dem Buch «Notations» von John Cage entdeckt wurde. (Foto: Iwan Baan)
Grundriss Obergeschoss
Grundriss Sockel-/Untergeschoss
Die charmanten Entwurfsskizzen von Steven Holl möchten wir Ihnen natürlich nicht vorenthalten. (Quelle: Steven Holl Architects)
OKALUX GmbH Marktheidenfeld, D
Hersteller-Kompetenz Kapilux T
Projekt Daeyang Gallery & House, Seoul, KR
Architekt Steven Holl Architects, New York, US mit E.rae Architects, Seoul, KR
Bauherr Daeyang Shipping Co. Ltd., Seoul, KR
Lichtplanung L'Observatoire International, New York, US
Fertigstellung 2012
Fotonachweis In ho Lee, Iwan Baan, Steven Holl Architects, OKALUX

Symphony of Modules, Istvan Anhalt

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