Des Hochhaus‘ neue Kleider

Thomas Geuder
12. 九月 2012
Für die Fassade des WestendGate-Hochhauses entwickelten Just/Burgeff Architekten eine individuelle Lösung, die die Wirkung der ursprünglichen Fassade in eine zeitgenössische Formsprache übersetzt. (Foto: Eibe Sönnecken)

Eine Fassade – das vergisst man als Betrachter leider allzu schnell – hat viele Ansprüche zu erfüllen. Vordergründig betrachtet ist sie schlicht das Bauelement, das einem Gebäude sein Aussehen, sein Gesicht, ja: seinen Charakter verleiht und damit sein städtebauliches Umfeld beeinflusst. Den Innenraum soll die Fassade vor Wind und Wetter schützen – auch das leuchtet ein. Technologische Entwicklungen in den letzten (sagen wir einmal) zehn Jahren aber haben aus der energetisch passiven Grenze zwischen drinnen und draussen ein Bauteil gemacht, das auch aktiv zur Energie-Erzeugung beitragen kann. Damit wird die Fassade zu einem der anspruchsvollste Bauteile in einem Gebäude, bei dem auf kleinem Raum viel Knowhow verpackt ist. Ganz nebenbei trifft bei der modernen Fassade ausserdem zusammen, was sich seit der industriellen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts eigentlich immer weiter voneinander entfernt hat: die Architektur und das Ingenieurswesen. Für den Ingenieur ist mittlerweile vieles an technischer Ausstattung und Raffinesse in der Aussenhaut eines Gebäudes vorstellbar. Doch trotz aller technischen Machbarkeiten und energetischen Sinnhaftigkeiten muss eine Fassade – und damit wären wir wieder am Anfang unseres Diskurses – dem Auge gefallen und einem Gebäude ein gutes Gewandt sein. Kleider machen Leute, Fassaden machen Gebäude.

Blick vom Frankfurter Messeturm aus: Das Hochhaus befindet sich direkt am Grünstreifen der Friedrich-Ebert- und der Ludwig-Erhard-Anlage. (Foto: Eibe Sönnecken)

Wichtiger noch als beim Einfamilienhaus ist die Fassadengestaltung eines Hochhauses, denn diese wirkt nicht nur prägend für die unmittelbare Umgebung, sondern als weithin sichbare Landmarke oft für einen ganzen Stadtteil. So auch bei dem WestendGate-Hochhaus in Frankfurt/Main, das mit einer Höhe von 159 Metern und 47 Stockwerken Mitte der 1970er-Jahre kurzzeitig sogar das höchste Gebäude Deutschlands war: Bei dessen architektonischer wie energetischer Sanierung wussten die Architekten Malte Just und Till Burgeff aus Frankfurt/Main, dass das im Volksmund «Marriott-Hochhaus» genannte Gebäude in seinem alten Gewand längst zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden ist, das man nicht einfach beliebig umgestalten konnte. Ein zentraler Baustein ihrer Planung war deswegen die Renovierung der Fassade, die nicht nur energetisch für die Zukunft fit gemacht, sondern auch optisch ein neues, die Wirkung der ursprünglichen Fassade bewahrendes Gesicht erhalten sollte. Standard-Produkte konnten an diesem prominenten Ort mit dem Messe-Haupteingang, der Ludwig-Erhard-Anlage und der zum Bahnhof führenden grünen Achse der Friedrich-Ebert-Anlage in nächster Nähe keine Lösung sein. So haben die Architekten eine Fassade entwickelt und zusammen mit dem Fassadenhersteller Lindner realisiert, die fernab jeglicher vordefinierten Produktpaletten für diesen Bau ausschliesslich aus individuellen Lösungen besteht.

Am Fusse des Gebäudes wurde im Zuge der Renovierung auch ein neues Vordach realisiert, das mit seiner organischen, baumartigen Struktur und den luftgefüllten, durchsichtigen ETFE-Folienkissen den Blick auf die neue Fassade bewahrt. (Foto: Eibe Sönnecken)

Reduce, Reuse, Recycle – das Motto des Deutschen Pavillons auf der diesjährigen Architektur-Biennale in Venedig (über die wir im eMagazin #36|12 berichtet haben) trifft nachträglich gesehen auch auf die Sanierung des WestendGate-Hochhaus zu: Die alten Brüstungsgläser, durch die die Fassade ursprünglich sehr statisch und glatt wirkte, wurden demontiert und fachgerecht entsorgt. Stattdessen wurden neue Brüstungsbleche eingesetzt, die in der Addition und durch die mit dem Sonnenstand variierende Licht- und Schattenwirkung eine dynamische Struktur in der Fassadenansicht generieren. Die senkrechten Pilaster wurden mit wärmegedämmten Profilen überbaut, die gleichzeitig als Schlittenführung für die Befahranlagen fungieren. Mehrere tausend Quadratmeter der Blechverkleidung wurden ausserdem gekennzeichnet, demontiert, neu lackiert und wieder an ursprünglicher Position angebracht. Neu hinzu kamen auch 10.500 Solarzellen mit insgesamt bis zu 22 kW Spitzenleistung, die massgeblich darzu beitragen, dass das Gebäude nach Fertigstellung 36 % weniger Primärenergie verbraucht als zuvor und somit jährlich fast 2.500 Tonnen CO2-Emissionen einspart – ein Resultat, das der Europäischen Kommission die Green-Building-Zertifizierung wert war.

Bei entsprechender Sonneneinstrahlung schön zu sehen: Die neue Blechverkleidung in der Fassade ist von den Architekten so gestaltet, dass sich in der Summe eine Wellenform ergibt. (Foto: Eibe Sönnecken)
Die Sanierungsarbeiten an den Fassaden wurden von fahrbaren Bühnen aus erledigt, sodass im Gebäude der Betrieb weiter laufen konnte. (Foto: Eibe Sönnecken)
Fassadendetail (Abbildung: Just Burgeff Architekten)
Auf die Pilaster in der ursprünglichen Fassade wurden die neuen Profile montiert, die gleichzeitig auch als Führung für die Schlitten der Befahranlagen fungieren.(Foto: Eibe Sönnecken)
Konstruktionszeichnung Pilaster mit alten und neuen Bauteilen. (Abbildung: Lindner)
Süd-West-Ansicht
Schnitt
Grundriss Erdgeschoss
Standard-Grundriss
Lindner Group KG
Arnstorf, D

Projekt
Sanierung des WestendGate-Hochhauses
Frankfurt/Main, D

Hersteller-Kompetenz
Neueinbau gedämmte Brüstungsbleche
Ausbau, Neubeschichtung, Wiedereinbau Blechfassade und Lüftungslamellenfelder
Streckmetallfassade
Pfosten-Riegel-Fassade
Pilasterbekleidung

Architektur
Just/Burgeff Architekten
Frankfurt/Main, D

Bauherr
Aberdeen Immobilien
Frankfurt/Main, D

Fertigstellung
2010

Bildnachweis
Eibe Sönnecken
Lindner Group
Just/Burgeff Architekten

精选项目

atelier a;nou gmbh

Penthouse Bar im H4 Hotel, Solothurn

此类别的其他文章