Einkehr
Manuel Pestalozzi
21. 二月 2020
Der Kleinbau bietet eine Grotte und darüber einen kleinen, zum Himmel offenen Hof. (Visualisierung: Herzog & de Meuron)
Über die A13 fliesst der Verkehr von St. Margrethen durch den San Bernardino-Tunnel nach Bellinzona – und umgekehrt. Unterwegs soll man künftig in Andeer auf eine Kapelle treffen, entworfen von Herzog & de Meuron.
Orte der Einkehr und Besinnung haben entlang der einst gefährlichen Alpenübergänge eine lange Tradition – so auch an der Viamala. In Andeer soll sie nun fortgeschrieben und neu interpretiert werden: Herzog & de Meuron haben eine Autobahnkirche für den Ort an der A13 entworfen. Hinter dem Projekt steht die Interessengemeinschaft (IG) Autobahnkirche Andeer –Val Schons. Die Kirche wurde schon voriges Jahr in der Broschüre «Tourismus in der Region Viamala» erwähnt – in einem anderen Kontext; es ging um Massnahmen, die den Tourismus entlang des Hinterrheins fördern könnten. Möglich, dass man sich von diesem Bau einen Mini-Bilbao-Effekt erhofft.
Schnitt: Herzog & de Meuron
Die Vorstudie zur Kapelle ist Teil der Neuen Regionalpolitik (NRP), mit welcher der Bund und die Kantone das Berggebiet, den weiteren ländlichen Raum und die Grenzregionen in ihrer regionalwirtschaftlichen Entwicklung fördern. Auf regionsuisse.ch ist nachzulesen: «Die Idee einer Autobahnkirche in Andeer nimmt Bezug zu mittelalterlichen Wegkapellen und soll den Bedürfnissen der heutigen Zeit angepasst sein. Eine alte Tradition kann so im 21. Jahrhundert weitergeführt werden. An der A13 bei Andeer, einer der wichtigsten Nord-Süd-Verkehrsachsen im Alpenraum, soll die erste Autobahnkirche der Schweiz erstellt und betrieben werden. Dies mit dem Ziel, den Durchreisenden einen Raum für Stille, Gebet sowie Rast zu bieten und einen Beitrag zum Erhalt der regionalen Baukultur und zur Entwicklung des Kulturtourismus zu leisten.» Die Projektkosten werden auf CHF 85'000 beziffert, der Bund fördert das Vorhaben mit über CHF 20'000.
Visualisierung: Herzog & de Meuron
Mit diesem Projekt treten Herzog & de Meuron in die grossen Fussstapfen von Mario Botta und Peter Zumthor. Zwar gibt es aus der Frühzeit der Karriere des Büros einen spektakulären Entwurf für die Griechisch-Orthodoxe Kirche in Zürich, den Wettbewerb konnten Herzog & de Meuron 1989 mit ihm aber nicht gewinnen. Seither haben sich die Basler nicht mehr mit Sakralbauten hervorgetan. Bis jetzt: Der Entwurf für die Kapelle oberhalb der Strasse und dem Dorf, an einer nach Westen abfallenden Bergflanke, ergebe sich einzig aus dem Ort, so die Architekten. Christliche Symbolik wird es nicht geben, die Kapelle soll das Empfinden der Besucher*innen für den Ort und die Natur der Umgebung schärfen. Besondere Aufmerksamkeit wurde der akustischen Wirkung der verschiedenen kleinen Raumgefässe geschenkt. Quelle der Besinnung sind also eher die Natur und die Umgebung als christliche Glaubensinhalte. Das unterscheidet den Entwurf von den historischen Wegkapellen, in denen Reisende auf der Viamala einst himmlischen Beistand für die gefährliche Alpenüberquerung suchten.
Von den beiden Schweizer Landeskirchen, denen die Mitglieder in Scharen davonlaufen, heisst es, sie unterstützten das Projekt. Doch Geld wird von ihnen keines kommen. Stattdessen sollen vor allem Spenden den Bau finanzieren. Optimismus herrscht, den Rohbau wollen die Initiant*innen gemäss srf.ch bis Ende 2022 fertiggestellt haben – noch im Jubiläumsjahr der «Commercialstrasse in Thusis», einem bedeutenden Ereignis im Zusammenhang mit der Transit- und Säumergeschichte der Region.