Das Klassenzimmer als Atelier – die Sekundarschule Laufental von Thomas Fischer
Ulf Meyer
30. 五月 2023
Foto: Julian Salinas
Nur auf den ersten Blick erinnert die wellblechverkleidete Schule mit Sheddach an eine Produktionshalle: Der Ersatzneubau überzeugt mit architektonisch reichen Räumen, die sich an verschiedene Unterrichtskonzepte anpassen lassen.
Holz ist bei Bildungsbauten derzeit oft das Material der Wahl – nicht nur in der Schweiz, sondern auch im benachbarten Ausland. Und doch gibt es Architekturschaffende, die zeigen, dass auch andere Baumaterialien wie Stahl grosses gestalterisches Potenzial bieten – gerade auch für Schulbauten. Ein bemerkenswertes Beispiel ist die neue Sekundarschule von Laufen. Der Vorgängerbau, eine Anlage aus den 1960er- beziehungsweise 1970er-Jahren, bestand aus einem unschönen Cluster. Weder architektonisch noch funktional vermochte die heterogene Ansammlung von Gebäuden mit starren Grundrissen zu überzeugen. Deswegen wurde im Jahr 2013 ein offener Architekturwettbewerb mit zwei Stufen für einen Ersatzneubau ausgelobt.
Bei diesem konnte sich der Zürcher Architekt Thomas Fischer 2014 durchsetzen. Er schlug eine Schule aus Stahl als «Lernfabrik» vor. Der Bau, dessen Fussabdruck rund 46 mal 55 Meter misst, wirkt luftig-leicht und verfügt über ein charakteristisches Sheddach mit zwölf Zacken. In dem bereits 2021 fertiggestellten Schulhaus sind alle Funktionen in einem Volumen zusammengefasst.
Die neue Sekundarschule wurde am Rand des Grundstücks positioniert, um Platz für die Sportfelder und einen Pausenhof zur Verfügung zu haben – ausserdem ist so eine spätere Erweiterung möglich. Das macht Sinn, weil der Bedarf an Schulraum hierzulande momentan stetig wächst. Der grosse Massstab des Baus knüpfe an die nahen Industrieanlagen entlang der Birs an, erklärt Thomas Fischer, weniger an die unmittelbare Nachbarbebauung, ein kleinteiliges Wohngebiet.
Foto: Julian Salinas
Foto: Julian Salinas
Vielfältig nutzbare Klassenräume und eine angenehme LichtstimmungIm 2. Obergeschoss befinden sich unter dem Sheddach die zwanzig Klassenräume. Sie sind entlang zweier breiter Korridore angeordnet. Die Fachwerkträger der Dachkonstruktion prägen die Räume: Das Raster der diagonalen Stahlstreben zur Aussteifung dominiert die Interieurs. Die Trennwände sind transparent, und das Sheddach sorgt für eine angenehme Lichtstimmung, die das Lernen und fokussierte Arbeiten definitiv erleichtert. Durch die spezielle Belichtung ist in den Klassen zudem keine Sitzrichtung vorgegeben. Die anpassungsfähige Grundrissgestaltung erlaubt es den Lehrer*innen ausserdem verschiedenste Unterrichtskonzepte zu implementieren. Das ist wichtig, weil sich die pädagogischen Anforderungen heute rasch verändern.
Foto: Julian Salinas
Foto: Julian Salinas
Foto: Julian Salinas
Offenheit und RückzugDie aussenliegenden Räume haben umlaufende Fensterbänder. Wenn sich Lehrer*innen oder Schüler*innen durch den Blick durch die gläsernen Flurwände beobachtet, kontrolliert oder abgelenkt fühlen, können farbige Vorhänge zugezogen werden. Ihre Ausgestaltung war ein Kunst-am-Bau-Projekt: Auf die Farbstreifen liess die Künstlerin Esther Ernst Zeichnungen einsticken. Ihre Wandtextilien dosieren die Transparenz, verbessern die Raumakustik und schaffen Behaglichkeit.
Patios schaffen Bezüge zum Aussenraum in dem tiefen Grundriss. Die Klassenzimmer haben jeweils eigene Fluchtwege über die umlaufenden Balkone. Die Schulräume sind in vier Cluster gruppiert. Bei Bedarf lassen sich Doppel- und Dreifachklassen erzeugen. Die Raumzonierung erfolgt dabei mittels beweglicher Garderobenkästen. Auf diese Weise können auch Rückzugs- und Einzelarbeitsbereiche geschaffen werden.
Die Doppelsporthalle der neuen Schule wird von raumhohen Trägern überspannt und ist zweiseitig über Eck belichtet. Sie ist um ein Geschoss ins Terrain gegraben. Verglaste Hallenwände weisen zur Aula im Erdgeschoss. Von einem Gang aus kann man den Mitschüler*innen beim Sport zusehen. Diese Zuschauergalerie dient zugleich als Foyer. Die Sportflächen stehen auch dem Vereinssport offen und sind dementsprechend von aussen zugänglich.
Foto: Julian Salinas
Foto: Julian Salinas
Eine Lernlandschaft aus Stahl und BetonKonstruktiv hat Thomas Fischer Ortbeton mit vorfabrizierten Stützen und Auskreuzungen aus Stahl kombiniert. Einige Felder wurden mit Kalksandsteinen ausgemauert. Die Betondecke über der Sporthalle ist von der Stahlkonstruktion des Dachtragwerks abgehängt. Die hölzernen Sparren sind durch ihren weissen Anstrich von den Stahlbauteilen optisch kaum zu unterscheiden. Eine ebenfalls verglaste Mediathek liegt gleich am Eingang der Schule. Ihr farbiges Mobiliar soll eine angenehme Atmosphäre schaffen.
Foto: Julian Salinas
Foto: Julian Salinas
Foto: Julian Salinas
Das Innenraum-Konzept basiert auf vier Farb- und Materialpaletten. «Der Schimmer der Aluminiumwelle tritt in Dialog mit verzinkten Stahlbauteilen», so formuliert es Thomas Fischer. In Anlehnung an die Jurakalksteinbrüche des Laufentals wurden die Böden in einem Goldockerton (Liesberger Kalkstein) gehalten. Eine chromatische Nähe der Farbklänge sei erwünscht gewesen, so Fischer. Die Wände und Decken in Reinweiss heben sich von der Fassade ab, während sichtbare Installationen und Medienleitungen visuell in den Hintergrund treten.
Ähnlich den Erosionsterrassen der Umgebung werden auch die Aussenräume der Schule von Böschungen und Auengehölzen geprägt. Die Treppen, Sitzgelegenheiten und Stützmauern zeigen in Kalksteinbeton den Untergrund, wie er in der Birsschlucht zutage tritt. Paulownien, Silberpappeln und Silberweiden im Schulgarten formen einen Grünraum mit Aussensitzplätzen. Auf der Nordseite des Baus schliesslich führt ein Wegenetz durch den Grünraum.
Schwarzplan (© Thomas Fischer Architekten)
Grundriss Untergeschoss (© Thomas Fischer Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (© Thomas Fischer Architekten)
Grundriss 1. Obergeschoss (© Thomas Fischer Architekten)
Grundriss 2. Obergeschoss (© Thomas Fischer Architekten)
Längs- und Querschnitt (© Thomas Fischer Architekten)
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