Baustein für Baustein
Paulina Minet
17. 十月 2024
Mit ihrer Erweiterung des Campus Moos bauen Soppelsa Architekten die bestehende Primarschulanlage konsequent weiter und adaptieren die über 50 Jahre alte Planung für die heutige Zeit. (Foto: Beat Bühler)
1966 geplant, wurde der Schulcampus Moos in Rüschlikon vorzu verändert – nicht immer zum Vorteil der Anlage. Doch 2015 brachte eine Sanierung ihre architektonische Qualität wieder voll zur Geltung. Soppelsa Architekten haben den Campus nun um ein neues Schulhaus erweitert.
Das bestehende Primarschulhaus auf dem Campus Moos oberhalb des Zürichsees wurde zwischen 1969 und 1971 von Jakob Zweifel und Heinrich Strickler erbaut. Die renommierten Zürcher Architekten sind bekannt für ihre strukturalistischen Bauten im Stil des Brutalismus – beispielsweise stammt das Schwesternhochhaus des Zürcher Kantonsspitals aus Zweifels Feder. Die beiden planten die Primarschule im Rahmen eines städtebaulichen Konzepts mit Wohnturm, Quartierzentrum und Kindergarten. Realisiert wurde lediglich das als reiner Betonbau ausgeführte Schulhaus, das von Ernst Cramers Gartenlandschaft mit Platanensaal umgeben ist. Die Spielflächen lagen im Zentrum der Anlage und wurden von der Turnhalle, dem zweigeschossigen Mehrzwecktrakt und den südlich gelegenen Klassentrakten A und B eingerahmt. Die dreigeschossigen Trakte mit je fünf Klassenräumen verfügten über Dachgärten als Freiluftklassen und galten zu ihrer Entstehungszeit als Experiment im Schulbau.
Über die Jahrzehnte verfälschten jedoch bauliche Anpassungen das ursprüngliche Erscheinungsbild, etwa in den 1980er-Jahren durch nachträglich hinzugefügte Fassadendämmungen und neue Verkleidungen mit Metallplatten. So war die Qualität der Anlage bis zur Sanierung durch E2A nur noch stellenweise zu erahnen. In einem zweijährigen Instandsetzungsprozess von 2013 bis 2015 gelang es den Architekten, die Schule wieder ihrer früheren Gestaltung anzunähern. Parallel realisierten E2A anstelle des ursprünglich vorgesehenen Wohnhochhauses eine neue Sekundarschule mit sieben Geschossen.
E2A griffen die städtebauliche Gestaltung des Areals aus den späten 1960er-Jahren auf und bauten 2016 am Platz eines früher geplanten Wohnhochhauses die neue Sekundarschule Rüschlikon Kilchberg. (Foto: Paulina Minet)
Im vergangenen Jahr schliesslich vervollständigten Soppelsa Architekten die kubische Grundstruktur des Areals mit dem schon in der ursprünglichen Planung vorgesehenen Trakt C. Ihr Erweiterungsbau schliesst nicht nur unmittelbar an Trakt B an, sondern führt das Thema der räumlichen Rückstaffelung weiter. Er setzt die Volumetrie des Bestands auch in der Höhe fort, alterniert jedoch Richtung Süden um ein Geschoss. Der Anbau bildet weniger ein Gegenüber zum benachbarten Solitär von E2A, vielmehr vermag er als verbindendes Scharnier zwischen der Anlage des Primarschulhauses und der Sekundarschule zu fungieren.
Alle gestalterischen Überlegungen orientieren sich am Bestand und interpretieren diesen neu. Das vorhandene Schulhaus und der Anbau fügen sich zusammen, als sei es nie anders gewesen. Die vorgehängte Fassade aus glasfaserarmierten Betonplatten greift das Erscheinungsbild auf und entwickelt es mit dem geometrischen Motiv des Kreises weiter, das im kleinen Massstab bereits im Bestand vorkommt. Konkret äussert sich dies durch teilweise perforierte Fassadenelemente, die einerseits die filigrane Materialstärke sichtbar machen, andererseits mit Licht und Schatten spielen. Auch das prägende Vordach blieb erhalten, markiert die Eingangssituation und wurde zum Trakt C hin und um dessen Ecke bis zum zweiten Zugang weitergeführt.
Beim Betreten des Gebäudes fällt auf, dass der Bodenbelag des Pausenhofs ins Innere fliesst und in den Erschliessungszonen als geschliffener Gussasphalt weitergeführt wird. Ebenso setzt sich das Kreismotiv in den Innenräumen bei den Türelementen, der Ausstattung der Bäder und den Glasbausteinen fort. Weiter knüpft auch das Farbkonzept an den Bestand an, wobei das ursprüngliche Grün der Fensterrahmen in Pastelltönen derselben Farbfamilie vorkommt und sich zum Beispiel bei den Böden der Klassenräume, den Vorhängen und an den Treppengeländern wiederfindet.
Das Gestaltungsmotiv der Perforation von Fassadenelementen setzt sich im Innenraum fort. Neben einem Spiel von Licht und Schatten entstehen Sichtachsen und Blickbezüge zwischen den Klassen und den Erschliessungsräumen. (Foto: Beat Bühler)
Das Kinderbad im Erdgeschoss dient auch als Sauberlaufzone beim Zugang zum Garten. (Foto: Paulina Minet)
Vier Geschosse beherbergen zwei getrennte, übereinandergestapelte Cluster mit unabhängig voneinander angeordneten Erschliessungssystemen. So können die Räume der Primar- und Sekundarstufe ohne grosse Berührungspunkte unter einem Dach vereint werden. Im Erdgeschoss ist die Tagesstruktur mit Aufenthalts-, Ruhe- und Essräumen angeordnet, ebenso wie das Bad. Die Spezialräume der Primarschule befinden sich im ersten Obergeschoss, die der Sekundarschule auf den darüberliegenden Stockwerken. Im dritten Obergeschoss bietet eine Pergola Sitzmöglichkeiten. Sie kann als Lernraum oder Aufenthaltsbereich im Freien genutzt werden.
Die Unterrichtsräume sind ringförmig angeordnet und spielen eine zentrale Halle frei, die mit ihren beiden doppelgeschossigen Lufträumen je zwei Stockwerke zusammenbindet. Dank dieser Zweiteilung lässt das Brandschutzkonzept zu, dass die zentrale Mitte nicht nur als Flur, sondern auch als Spielfläche und Garderobe genutzt werden kann.
Über zwei Treppen werden je zwei Geschosse zu einem Lerncluster verbunden. Die zentrale Halle bietet Raum zum Spielen und Toben. Sie verbindet die einzelnen Klassenräume auch durch Sichtbezüge. (Foto: Beat Bühler)
Unter der Pergola auf dem Dach befinden sich Lern- und Aufenthaltsräume, die den direkten Zugang ins Freie für den Lerncluster der Sekundarschule ermöglichen. Falls nötig, können sie in Zukunft zu weiteren Klassenzimmern ausgebaut werden. (Foto © Paulina Minet)
Konstruktiv wurde das Gebäude als tragende Skelettstruktur in Stahlbeton ausgeführt, Unterzüge und Stützen blieben sichtbar. Sämtliche Innenwände wurden hingegen als Leichtbau-Konstruktionen oder bodentiefe Verglasungen realisiert und vermitteln eine hohe Transparenz. Über Vorhänge wird die Balance zwischen Offenheit und Privatsphäre reguliert. Das Konzept von Gerüst und Füllung ermöglicht eine flexible Einteilung der Grundrisse, um in Zukunft Anpassungen vornehmen zu können. Zudem ist die Tragstruktur für die spätere Aufstockung um ein weiteres Geschoss ausgelegt.
Auch im Bereich des seitlichen Treppenkerns bleibt die Skelettstruktur der Konstruktion sichtbar. (Foto: Beat Bühler)
Der Bau folgt, wie eingangs erwähnt, dem Masterplan von 1966, adaptiert den Entwurf jedoch hinsichtlich der heutigen städtebaulichen Situation und den aktuellen Nutzungsanforderungen an ein Schulgebäude. Trotz des engen Anforderungskorsetts integrierten Soppelsa Architekten einen kompakten und klar strukturierten Baukörper mit Feingefühl in das Gesamtkonzept der Schulanlage. Vor wenigen Wochen zeichnete die Jury des Architekturpreises best architects die Schulerweiterung in der Kategorie Bildungsbauten aus.