Herr des Emmentalers

Jenny Keller
9. 二月 2012
Das Rolex Learning Center wird auch «Emmentaler» genannt. Alle Bilder: © Hisao Suzuki

Herr Perret, was wollten Sie als Kind werden?
Ich denke, das war schon damals etwas im Bereich des Bauens und des Transports. Mich hat alles fasziniert, was sich bewegt. Mein Vater hat bei den SBB gearbeitet und meine Kindheit war geprägt durch diese Umgebung.

So bin ich an die EPFL gegangen, um Bauingenieurwesen zu studieren. Mir wurde aber bewusst, dass es nicht reicht, etwas bauen zu können. Man muss auch wissen, wie man ein Bauwerk finanziert. Deshalb habe ich noch ein Betriebswirtschaftsstudium angehängt. Noch während der Zweitausbildung bin ich für ein Jahr nach Algerien gegangen, um Transportpläne zu entwickeln. Später folgte ein Doktorat in Berkeley zum Thema «high level radioactive waste». Noch in Berkeley hat mich der Dekan der INSEAD in Fontainebleau bei Paris engagiert, wonach ich fünf Jahre dort unterrichtet habe.

Wann sind Sie an die EPFL zurückgekehrt?
1980 hat man mir eine Professur an der EPFL angeboten, ich bin also seit 30 Jahren wieder «zu Hause».

Seit wann sind Sie Vizepräsident?
Ich habe mit Patrick Aebischer, dem Präsidenten, angefangen, also im Jahre 2000. Im Februar werden wir unsere dritte Amtsperiode von vier Jahren erreicht haben, das macht dann zwölf Jahre. Er wird nochmals verlängern, ich in dem Fall auch. Und danach werden wir weitersehen. Es gibt ja noch einige spannende Projekte hier an der EPFL, über die wir hoffentlich noch reden werden.

Das Gebäude besteht eigentlich aus zwei Schalen mit elf Unterspannbogen.

Gerne. Zuerst nimmt es mich aber Wunder, wie viele Stunden ein Vizepräsident der EPFL arbeitet am Tag.
Wissen Sie, auf Französisch sagt man «quand on aime, on ne compte pas.» (Wer liebt, der rechnet nicht.)

Eine gute Antwort. Aber wie kompensieren Sie Ihre Arbeit?
Sie meinen, ich arbeite zu viel?

Sagen wir es so: Was machen Sie in Ihrer Freizeit, wenn Sie einmal nicht arbeiten?
Ach so. Ich liebe es, zu reisen, ich lese gerne und habe kleine, persönliche Bauprojekte.

Ein etwas grösseres Bauprojekt ist das Learning Center. Das ist ja von SANAA erstellt worden...
Ja, von einem bekannten Architektenduo aus Japan, eine Frau und ein Mann. Aber wollten sie fragen, weshalb wir japanische Architekten genommen haben?

Ja, genau, und keine Schweizer, schliesslich ist die EPFL eine eidgenössische Hochschule.
Weil wir einen offenen internationalen Architekturwettbewerb ausgeschrieben haben. Es haben 181 Kandidaten teilgenommen, von denen wir in einer zweiten Stufe zwölf ausgewählt haben - darunter grosse Namen wie Zaha Hadid, Jean Nouvel, Herzog & de Meuron oder Diller Scofidio - ihren Entwurf auszuarbeiten. Unter diesen zwölf Büros befanden sich vier Schweizer Büros, also ein Drittel.
Eine Sach- und eine Fachjury hat dann aufgrund von fünf Hauptkriterien das Siegerprojekt gekürt. Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa haben also wegen der Qualität ihres Projekts gewonnen.

Ihr Projekt, muss man sagen, war sehr atypisch, da es sich ja um ein grosses Gebäude handelt, das nur auf einer Ebene angelegt ist. Es schwebt beinahe. Diese architektonische Geste ist sehr mutig und unterschied sich von den anderen eingereichten Projekten. Es ist dabei das perfekte Symbol für die Interdisziplinarität, welche die EPFL fördern will. Bisher hat jede Fachrichtung in ihrem Gebäude gearbeitet und geforscht, jeder war in seiner Ecke. Das Rolex Learning Center hingegen gehört allen, zuerst aber den Studierenden. Es ist ein Gebäude ohne Schranken, dadurch ist man gezwungen sich zu begegnen und miteinander zu kommunizieren.

Von 7 Uhr morgens bis 12 Uhr nachts geöffnet. Und das an 363 Tagen im Jahr.

Das Learning Center hat seit eineinhalb Jahren offen, welche Erfahrungen hat man bisher gemacht?
Die Erfahrungen übertreffen unsere Erwartungen! Wir haben extrem viele Besucher, weil das Gebäude für die Öffentlichkeit gedacht und nicht nur für die Welt der Wissenschaft reserviert ist. 2010 hatten wir rund eine Million Besucher. Man sagt, das Rolex Learning Center sei nach dem Musée Olympique das meistbesuchte Ausflugsziel in der Region Lausanne.

Das Rolex Learning Center hat 363 Tage im Jahr geöffnet (nur an Weihnachten und an Neujahr ist es geschlossen), von 7 Uhr morgens bis um Mitternacht, was natürlich den Studierenden gefällt. Deshalb lernen hier auch Studenten aus Fribourg, der Uni Lausanne und auch Gymnasiasten. Es ist ein sehr inspirierender Ort. Das Gebäude selbst wiederum hat den Geist des Campus verändert; Samstag und Sonntag war der Campus tot, das ist jetzt anders.

Die Konstruktion des Gebäudes war sehr aufwendig, die Schalungen wurden mit dem Laser zugeschnitten, das klingt teuer.
Nein, das Learning Center ist nicht teurer als andere Gebäude auf dem Campus der EPFL. Der Kubikmeterpreis entspricht einem herkömmlichen Gebäude und beträgt ungefähr
700 fr./m3.

Man stand aber vor einer grossen technischen Herausforderung, und deshalb hat man auch spezielle Konstruktionsweisen finden müssen. Das Gebäude besteht eigentlich aus zwei Schalen mit elf Unterspannbogen. Die Betonarbeiten mussten mit höchster Präzision ausgeführt werden, ein Beispiel für diese Genauigkeit sind die Holzschalungen, die mit dem Laser zugeschnitten und vor Ort mittels GPS positioniert wurden. Es gab 1443 Schalungselemente, keines ist gleich wie das andere. Es ist also ein Gebäude, das nicht nur bei den Architekten viel Erfindungsgeist erfordert hat, sondern auch bei denen, die es gebaut haben.

Die Gesamtkosten betrugen dabei 110 Millionen Franken. Man muss dazu aber sagen, dass die architektonische Ausstrahlung des Gebäudes Donatoren auf den Plan gebracht hat es mitzufinanzieren. Die Hälfte der Kosten wurde durch Donatoren getragen. So ist das Learning Center im Gegenteil sogar äusserst günstig erstellt worden.

Handelte es sich dabei um ein Public-Private-Partnership-Modell (PPP)?
Nein, es handelt sich um Mäzenatentum. Beim PPP hat der, der investiert auch ein Interesse am Gebäude. Hier haben die Firmen eine Gabe gemacht.

Und weshalb?
Sie haben sich in das Gebäude verliebt! Rolex’ Teilnahme am Projekt ist das Ergebnis einer bewährten Beziehung zur EPFL, Logitech gab den Anfangsbeitrag, der den Architekturwettbewerb ermöglicht hat. Daneben sind auch Losinger, Credit Suisse, Nestlé, Novartis und SICPA Sponsoren des Learning Center.

Das Gebäude gehört in erster Linie den Studenten.

Was baut sich die EPFL als Nächstes?
Im Norden des Areals bauen wir das Swiss Tech Convention Center von Richter Dahl Rocha & Associates.
Bei einem Kongresszentrum dieser Grösse braucht es auch Kapazität, um die Leute zu beherbergen, deshalb überlegen wir uns, ein Hotel zu bauen. Die Baustelle ist die grösste der Romandie und soll 2013 beendet sein.

Hier handelt es sich um ein PPP-Modell. Die Credit Suisse gibt 225 Millionen, um hier ein Gebäude zu bauen, das ein Kongresszentrum für 3000 Personen vorsieht, 172 Studentenwohnungen und 344 Zimmer, eine Einkaufsmall und ein medizinisches Zentrum mit Apotheke, Zahnarzt etc. Unser Campus ist heute eine Stadt geworden mit fast 12 000 Bewohnern, davon 8000 Studenten und 4000 Angestellte. Da braucht es die entsprechende Infrastruktur.

Bis heute konnte man praktisch nicht auf dem Campus schlafen, es gab keine Studentenwohnheime. In den letzten Jahren haben wir begonnen, das zu ändern. Im Süden des Campus gibt es ein erstes Quartier mit 350 Betten für Studenten und einem Hotel mit 150 Betten. Diese Gebäude sind zusammen mit dem Rolex Learning Center eröffnet worden. Im Norden wird es 520 Unterkunftsmöglichkeiten geben.

Wir wollen in Zukunft 20 Prozent der Studierenden vor Ort unterbringen. Momentan sind es nur etwa sieben bis acht Prozent. Das ist wenig, wenn man mit den grossen Unis in den USA vergleicht, Harvard oder MIT, da leben praktisch alle Studierenden auf dem Campus. Früher wollte man ein autarkes Leben der Studenten verhindern hier an der EPFL, man wollte, dass sie am Abend zurück in die Stadt kehren. Das ging noch bei 2 000 Studenten, heute sind es an die 20 000, zusammen mit der Uni. Wenn man da nur an den Pendlerverkehr denkt, sind das riesige Massen, die bewegt werden müssen. Der Campus ist sich deshalb auch am verändern und wird zu einer Stadt, die 24 Stunden lang belebt wird. Mit allen Problemen, die das birgt.

Ausserdem werden die ehemaligen Hallen des Maschinenbaustudiums und die Zentrabibliothek zum Zentrum für Neuroprosthetics umgebaut. Der Architekt ist Domique Perrault.

Sie haben sich eine Architekturperle gebaut und planen weitere Gebäude von Architekten mit Rang und Namen. Ich frage mich, was mit dem Städtebau geschieht. Gibt es da ein Konzept?
Sie haben Recht, der Städtebau wurde vernachlässigt. Wir haben ein Projekt, das heisst «objectif campus», das über das Leben hier nachdenkt: Themen sind die Logik der Erreichbarkeit, die Transportsysteme, das Energiekonzept, die Signaletik und nicht zuletzt die Grünräume.

Das Gespräch wurde auf Französisch geführt und anschliessend transkribiert von Jenny Keller.

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