Mission Impossible?
Ulf Meyer
20. 六月 2019
Foto: Roland Halbe
Christina Seilern hat in Andermatt einen einst fensterlosen, unterirdischen Raum in einen Konzertsaal verwandelt. Die knifflige Aufgabe meisterte die Architektin überzeugend.
Es muss wie eine schier unlösbare Aufgabe geklungen haben: Aus einer fensterlosen, unterirdischen Betonkiste, die als Konferenzraum eines Hotels gedacht war, einen strahlend-attraktiven Konzertsaal machen, in dem selbst die Berliner Philharmoniker gerne spielen würden (das ist bei der Einweihung tatsächlich geschehen). Trotz mieser Ausgangslage und extremem Zeitdruck hat die schweizerisch-britische Architektin Christina Seilern (Studio Seilern Architects, London) den Auftrag angenommen und ihr bestes gegeben. Sie hat die Decke aufgeschnitten und ein Stahldach darüber bauen lassen, um wenigstens einem Teil der Zuhörer*innen einen Blick ins imposante Alpenpanorama zu ermöglich und vor allem, um Tageslicht in die Box zu bringen. Passant*innen können nun in den Konzertsaal sehen und die Konzertbesucher*innen hinaus.
Foto: Roland Halbe
Die parallele Geometrie war unter akustischen Gesichtspunkten denkbar ungünstig, weswegen Seilern geschickt ein origamihaftes Faltwerk aus perforierten Holzpaneelen an die Wände, Decken und Balkonbrüstungen des vergrösserten Saals implantierte. Das Raumvolumen wurde verdoppelt und die Sitz-Kapazität auf 663 Plätze erhöht. Drei akustische Reflektoren hängen wie Quallen über der Bühne, etwa auf Höhe des neu eingefügten Mezzanins mit dem ersten Rang. Das Klangkonzept für den 12 Meter hohen Raum wurde zusammen mit Kahle – Kahle Acoustics aus Belgien entwickelt. Im Foyer nahm die Architektin das Motiv der gefalteten Wand noch einmal mit facettiertem, golden reflektierendem Glas auf und schuf einen von dem benachbarten Hotel unabhängigen Zugang. Der Saal ist mit einem elektroakustischen System ausgestattet, eine versenkbare 9-reihige Stufenplattform bietet Flexibilität beim Bespielen.
Foto: Roland Halbe
Das Bergdorf Andermatt am Gotthardmassiv mit etwa 1'000 Einwohner*innen hat nun einen architektonisch wie konzeptionell ambitionierten Konzertsaal mit fast ebenso vielen Sitzen wie Menschen im Dorf leben. Nach einer Periode des Niedergangs werden ringsum neue Hotels, teure Wohnhäuser und Chalets gebaut. Die Bauherrin, die ägyptische Firma Orascom, möchte Andermatt als kulturelles Zentrum und Touristendestination für das ganze Jahr etablieren. Dafür nimmt sie derzeit viel Geld in die Hand.